Die unterirdische Jagd nach den Neutrinos
Wer Neutrinos nachweisen will, muss dorthin gehen, wo andere kosmische Teilchen nicht hinkommen - tief unter die Erde. Hier ein Überblick über die größten Neutrinoexperimente der Welt.
Schnell, leicht und kaum zu fassen
Neutrinos sind winzige, elektrisch neutrale Elementarteilchen. Durch Magnetfelder lassen sie sich nicht ablenken und auch auf Gravitation reagieren sie nur sehr schwach. Dadurch können sie fast ungebremst durch die Atmosphäre und sogar durch Gestein hindurchdurchdringen - sogar durch die ganze Erdkugel fliegen sie scheinbar unbeschadet.
Riesige Detektoren tief im Berg
Ganz unbeschadet kommen aber auch Neutrinos nicht davon. Das haben die diesjährigen Physik-Nobelpreisträger Takaaki Kajita und Arthur McDonald herausgefunden: Neutrinos verändern ihre Gestalt. Das beweist, dass sie Masse haben. Kajita hat am Super-Kamiokande-Detektor in Japan geforscht: Ein über vierzig Meter hoher Wassertank voller Detektoren - 1000 Meter tief im Berg.
Optimale Forschungsbedingungen im Eis
Das größte Neutrino-Teleskop der Welt ist der Ice-Cube, der 2010 mitten in der Antarktis unter der US-Forschungsstation Amundsen-Scott eingerichtet wurde. Die Detektoren sollen tief unter der Oberfläche Neutrinos aufspüren, die aus dem Weltall kommen. Die Detektoren werden so tief versenkt, um Störungen durch andere Elementarteilchen zu minimieren.
Optische Sensoren an langen Kabeln
Beim Ice-Cube sind die optischen Sensoren nicht wie bei Super-Kamiokande nebeneinander angeordnet, sondern jeder Sensor hängt verkapselt in einer Glaskugel - frei für sich - an einem Kabel zwischen 1,45 und 2,45 Kilometer tief im Eis. Die Löcher, in die die Sensoren herabgelassen wurden, sind keine Bohr- sondern Schmelzlöcher. Die Daten laufen in einer zentralen Rechenstelle zusammen.
Neutrinos quer durch Europa
Die Europäische Organisation für Kernforschung (CERN) misst Neutrinos, die sie selbst auf den Weg schickt. Von ihrem Teilchenbeschleuniger im schweizerisch-französischen Grenzgebiet bei Genf schießt das CERN Neutrinos nach Italien - mitten in das Gran-Sasso-Massiv - den höchsten Berg des Appenin. Dort fangen die Detektoren die Neutrinos wieder auf.
Fast so schnell wie das Licht
Neutrinos reisen beinahe mit Lichtgeschwindigkeit durch das All und durchs Gestein. Beim Neutrinos to Gran Sasso (CNGS)-Experiment des CERN hätte es fast eine Sensation gegeben: Forscher hatten gemessen, dass die Teilchen sogar schneller unterwegs waren als das Licht. Am Ende musste die Relativitätstheorie aber doch nicht gekippt werden - es war nur ein winziger Messfehler.
Neutrino-Forschung ist international
Neben Europa, den USA und Japan betreiben auch China, Kanada, Südkorea und Indien eigene Neutrino-Experimente. Das indische Neutrino Observatorium wird gerade tief in diesem Berg gebaut. Das Herz der Anlage wird ein Magnet mit einem Gewicht von 50.000 Tonnen sein. Damit möchten die Teilchenphysiker an die Grenzen des bisher Machbaren vorstoßen.
Wie reagieren geladene Teilchen auf Neutrinobeschuss?
Die indischen Forscher möchten mit ihrer Anlage herausfinden, wie andere geladene Teilchen reagieren, wenn Neutrinos auf sie prallen. Die Forscher stellen sich das etwa so vor wie einen Billardtisch, bei dem man die weiße Kugel (das Neutrino) nicht sieht, aber erkennen kann, wie die anderen Kugeln sich nach der Kollision bewegen.