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Die türkische Demokratie als Vorbild?

7. Februar 2011

Die Türkei ist zwar ein muslimisches Land, aber stark verwurzelt in westlich-demokratischen Strukturen. Kann dieses Modell Vorbildcharakter für andere arabische Länder haben? Experten streiten noch darüber.

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Türken demonstrieren in Istanbul als Ausdruck der Solidarität mit den Ägyptern(Foto: dapd)
Unterstützung aus Istanbul für die demonstrierenden ÄgypterBild: dapd

Die Türkei ist eines der wenigen muslimischen Länder, das eine langjährige Erfahrung mit der Demokratie nach westlichem Vorbild hat. Unter dem Eindruck der jüngsten Entwicklungen und politischen Umbrüche in Tunesien und Ägypten stellen sich Experten daher die Frage, ob sie auch für die Länder der arabischen Welt ein Modell sein könnte. Heinz-Jürgen Axt, Professor für Europäische Integration und Europa-Politik an der Universität Duisburg-Essen ist skeptisch. "Ich weiß nicht, ob die arabischen Staaten die Türkei als Model akzeptieren. Nach ihrer Vorstellung ist die Türkei einen sehr stark westlichen Weg gegangen seit der Gründung der modernen Republik Türkei", sagt Axt.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag, Ruprecht Polenz, meint hingegen, selbst wenn die Türkei ihren Weg Richtung EU weitergeht, würde sie dennoch ein besonders attraktives und interessantes Modell für arabische Länder bleiben. "Diese Länder suchen nach der richtigen Form, wie sie regiert werden wollen." Es gebe da verschiedene Modelle, beispielsweise auch das iranische, was viele Länder und vor allem die westlichen als Lösung für die arabische Welt ablehnen. "Aber das türkische Modell könnte wirklich ein Modell werden und daran sollten wir alle gemeinsam arbeiten", sagt er.

"Die Türkei soll in die EU eingebunden werden"

Diskussion im DW-Funkhaus Bonn mit Ruprecht Polenz und Heinz-Jürgen Axt (Foto: DW)
Modell Türkei: dafür oder dagegen? - die Experten sind sich uneinsBild: DW

Unter dem türkischen Modell versteht Polenz die Vereinbarkeit von Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Menschenrechten mit dem islamischen Glauben. Er ist nicht der einzige, der diese Meinung teilt. Der Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, schließt sich ihm an: "Wir müssen endlich den wichtigsten Partner in der Region in unsere Entwicklungsstrategie für den Maghreb und die arabische Halbinsel einbeziehen: die Türkei. Und das geschieht vor allem dadurch, dass das Land auf Dauer in die Europäische Union eingebunden wird", schreibt Özdemir in einem Gastbeitrag auf "Spiegel Online" (06.02.2011). Sowohl Ruprecht Polenz, als auch Cem Özdemir betonen, dass die Türkei nur dadurch eine Vorbildrolle übernehmen könne, wenn sie den Bezug zur EU stärke.

Allerdings laufen die Beitrittsverhandlungen, die 2005 aufgenommen worden sind, nicht zügig. Heinz-Jürgen Axt sieht vor allem zwei Probleme: zum einem würden Griechenland und Zypern einen Teil der Verhandlungen mit der Türkei blockieren, und zum anderen auch Frankreich. "Das ist die Problematik auf Seiten der Europäischen Union, die sich nicht vollständig an das Verhandlungsmandat mit der Türkei von 2005 hält. Der Reformeifer in der Türkei hat aber auch nachgelassen."

"Besser für beide"

Flaggen der EU und Türkei vor einer Moschee in Istanbul (Foto: AP)
Noch erfüllt die Türkei nicht alle Kriterien für einen EU-BeitrittBild: AP

Ruprecht Polenz, ist aber davon überzeugt, dass ein Beitritt der Türkei sowohl der EU als auch der Türkei nutzen würde. Seine Argumente hat er in dem Buch "Besser für beide. Die Türkei gehört in die EU" zusammengefasst. Mit dem Beitritt zur Europäischen Union "würde die Türkei auch ein anderes Land sein, weit moderner als heute." Der Weg bis dahin sei allerdings lang. "Im Moment ist die Türkei noch nicht in der Lage, die Kopenhagener Beitrittskriterien voll und ganz zu erfüllen."

Während die Experten heute über die neue Rolle der Türkei diskutieren, stehen im kommenden Juni in der Türkei Parlamentswahlen bevor. Danach wird sich zeigen, in welche Richtung die Türkei weitergehen möchte.

Autor: Başak Özay

Redaktion: Nicole Scherschun