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Die Tatsachen sprechen für sich

Peter Philipp10. Mai 2002

Im Gazastreifen könnte ein erneuter israelischer Militäreinsatz bevorstehen, das Drama um die Geburtskirche in Bethlehem scheint beendet. Zugleich steckt Yassir Arafat in einem Dilemma. Ein Kommentar von Peter Philipp.

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Im Gazastreifen warten die Palästinenser mit gespannter Angst, ob und wann sie Zielscheibe einer neuen israelischen Militär-Operation werden - weil der Selbstmord-Attentäter, der in Rischon-le-Zion 16 Zivilisten mit sich in den Tod riss, offenbar aus dem Gaza-Streifen stammte.

Das israelische Sicherheitskabinett hat offenbar bereits entsprechende Maßnahmen beschlossen. Aber diesmal ist die Ausgangslage anders als beim Einmarsch in die Westbank vor über einem Monat.

So verfahren die Gesamt-Situation auch weiterhin sein mag - es gibt doch Hinweise auf eine gewisse Entspannung: Palästinenserführer Yassir Arafat steht nicht mehr unter De-facto-Hausarrest, er hat Anweisung gegeben, keine Angriffe mehr auf israelische Zivilisten durchzuführen und seine Verwaltung beeilte sich nach dem letzten Anschlag, diesen auf das schärfste zu verurteilen.

Mit der Folge, dass sich nun wieder eine Kluft auftut gegenüber den islamistischen Extremisten, die erklären, sie würden sich der Forderung Arafats nicht beugen. Und in Bethlehem - auch dies sicher ein gutes Zeichen - scheint endlich die Belagerung der Geburtskirche zu Ende zu gehen.

Solche ersten vorsichtigen Schritte nach vorn würden durch ein israelisches Eingreifen in Gaza wieder gefährdet. Ganz abgesehen davon, dass auch die Idee einiger Israelis zerstört würde, man könne vielleicht das Konzept "Gaza zuerst" umsetzen: eine weitgehende Selbstverwaltung zunächst in dem praktisch eingezäunten Gebiet am Mittelmeer errichten, mit Sicherheit für Israelis wie Palästinenser.

Wenn israelische Panzer aber erst einmal durch die Hauptstrasse von Gaza rollen, dürfte diese Idee auf lange Sicht zu vergessen sein.

Vorsichtige Fortschritte verheißen bei all dem nicht unbedingt den Beginn einer Lösung. Vielleicht werden sogar mehr Fragen aufgeworfen als bisher. Etwa wenn Arafat jetzt Appelle veröffentlicht zur Einstellung der Angriffe auf Zivilisten: In der Vergangenheit hat er dies unterlassen - und man war weltweit bereit, ihm zu unterstellen oder abzunehmen, er habe dazu gar nicht die Macht.

Nun steckt Arafat in der Zwickmühle: Sein Appell könnte zeigen, dass er durchaus dazu fähig ist, es in der Vergangenheit aber nicht wollte. Denn: Wird der Aufruf befolgt, dann bestätigt dies Arafats Verantwortung für Vorgänge in den palästinensischen Gebieten. Wird er jedoch nicht befolgt, zeigt es seine Machtlosigkeit. Beides Dinge, die Arafat sicher nicht gerne unter Beweis stellen will.

Und da ist die Angelegenheit um die Geburtskirche in Bethlehem: Es zeigt sich jetzt, dass in der Kirche tatsächlich schwer bewaffnete palästinensische Kämpfer Unterschlupf gefunden hatten - und dass sie es waren, die die Kirche für ihre Zwecke missbrauchten. Keineswegs nur einfache "Bewaffnete von der Straße", sondern auch der Sicherheitschef von Bethlehem - der wiederum Arafat gegenüber verantwortlich ist.

Wer in den letzten Wochen von einem rücksichtslosen Vorgehen Israels gegen die Heilige Stätte sprach, wird wohl umdenken müssen.

Umdenken sollte aber auch Israels Ministerpräsident Ariel Scharon. Es ist längst erwiesen, dass brutale Gewalt den Terrorismus nicht auslöscht und nur negative Schlagzeilen macht. Gerade die Entwicklungen der letzten Tage zeigen, dass die Tatsachen noch am besten für sich sprechen. Man muss sie nur - wie jetzt in Bethlehem - erkennbar werden lassen und darf sie nicht ersticken im Staub neuer Panzerkolonnen. Nicht in der Westbank und auch nicht in Gaza.