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Die Suche nach der einen Stimme

Gerda Meuer17. Februar 2003

Auf dem EU-Sondergipfel soll eine gemeinsamen Haltung zum Irak gefunden werden - der Erfolg ist fraglich. Die Deutschen setzen weiter auf eine friedliche Lösung. Die Briten drohen dem Irak erneut mit Militärgewalt.

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Woher weht der Wind?Bild: AP

Auf dem Sondergipfel der 15 EU-Staats- und Regierungschefs am Montag (17.2.) in Brüssel sollen die tiefen Gräben, die sich innerhalb der europäischen Staatengemeinschaft über der Haltung zum Irak-Konflikt und zur amerikanischen Irak-Politik aufgetan haben, überbrückt, behoben oder zumindest verringert werden. Möglicherweise helfen den EU-Politikern dabei ausgerechnet die USA, die am Sonntag (16.2.) signalisiert haben, dass die Diplomatie noch eine Chance - allerdings eine zeitlich eng begrenzte - habe, um die Irak-Krise zu lösen. Unter anderem wird UN-Generalsekretär Kofi Annan zu den EU-Spitzenpolitikern sprechen. Annan hatte am Wochenende die Einigkeit des UN-Sicherheitsrates unterstrichen, was dessen Forderungen an den Irak angehe: Nämlich Abrüstung und aktive Kooperation mit den UN-Waffeninspekteuren.

Die Befürworter eines Militärschlages gegen den Irak sind am Wochenende durch die weltweiten Massendemonstrationen gegen den Krieg noch einmal mächtig unter Druck geraten. Doch auch die Gegner der harten amerikanischen Haltung sind nicht so einig, wie man es sich in einem Europa wünschte, das mit einer Stimme spricht: Zwischen der Einstellung Frankreichs und Deutschlands, die einen Krieg am deutlichsten ablehnen, und der Haltung Österreichs und Luxemburgs gibt es noch deutliche Unterschiede. Dennoch ist die griechische Ratspräsidentschaft fest entschlossen, diesen Sondergipfel zu einem Erfolg zu führen. Und dies kann nur heißen, dass Europa mit einer Stimme spricht.

Streitereien, Alleingänge und Überraschungen

Denn was der amtierende Ratspräsident Kostas Simitis sich in den letzen Wochen an Streitereien, Alleingängen, bilateralen Absprachen und Überraschungscoups seiner EU-Kollegen ansehen musste, hat die Europäische Union in eine tiefe Krise, ja Sinnkrise gestürzt. Seit Amerika Bagdad mit Krieg droht, macht in der EU außenpolitisch praktisch jeder, was er will. Alle Treffen der EU-Außenminister seit vergangenem Herbst waren von dem Ringen um eine gemeinsame Haltung zum Irak-Konflikt überschattet, mehr als ein Minimalkonsens kam niemals dabei raus.

Und dann mischten sich die Chefs selbst ein. Zunächst wurde der deutsch-französische Motor angeworfen: ein öffentlicher Schulterschluss von Bundeskanzler Schröder und Präsident Chirac, die sich während der Elysee-Feierlichkeiten Ende Januar deutlich gegen einen Krieg aussprachen. Dann jedoch meldeten sich in einem offenen Solidaritätsbrief acht andere europäische Staaten zu Wort und solidarisierten sich mit den USA. Fünf der Unterzeichner kamen aus dem alten Europa, drei gehörten zu dem neuen, als EU-Beitrittskandidaten. Und schließlich trat auch noch die Vilnius-Gruppe auf, das sind zehn Staaten Osteuropas, allesamt NATO- und EU-Beitrittskandidaten, und auch sie sprachen sich für die Position der US-Regierung im Irak-Konflikt aus.

Keine Aussicht auf Harmonie

Für Europa, für die Europäische Union waren diese Vorgänge ein Debakel und ein Sondergipfel ist mehr als gerechtfertigt. Doch wird dieser Gipfel nun nicht nur ein schwieriger, sondern auch ein komplizierter Gipfel. Die griechische Ratspräsidentschaft hat politisch nicht genügend Gewicht, und sie ist als amerika-kritische Regierung von vorneherein zu festgelegt, um ernsthaft zu vermitteln. Dazu kommt, dass es bei wichtigen politischen Ereignissen noch niemals eine gemeinsame europäische Haltung gegeben hat. Warum sollte sie ausgerechnet jetzt zustande kommen, wo es gar um Krieg oder Frieden geht?

Zudem wird den 15 Staats- und Regierungschefs bei diesem Treffen auch eine Standortbestimmung abverlangt werden: Die EU muss ihr Verhältnis zu den USA definieren. Aktueller Meinungsführer in der Union ist unbestritten Frankreichs Präsident Chirac, mit Kanzler Schröder im Schlepptau. Doch dagegen wehren sich der Brite Tony Blair, Spaniens Jose Maria Aznar und in Italien Silvio Berlusconi. Es wird bei dieser Gemengelage also ganz sicher kein harmonischer Gipfel werden.