Die Suche nach dem Motiv
20. September 2010Nach dem Amoklauf in Lörrach haben Polizei und Staatsanwaltschaft auf einer Pressekonferenz am Montag (20.09.2010) weitere Details zum Tathergang bekannt gegeben. In den entscheidenden Fragen stehen die Verantwortlichen aber immer noch vor einem Rätsel.
Geklärt ist die Frage nach der Tatwaffe. Es handelt sich um eine kleinkalibrige Sportpistole. Sie war auf den Namen der Frau eingetragen, die früher Mitglied in einem Sportschützenverein war.
Die Amokläuferin, eine 41-jährige Rechtsanwältin, erschoß ihren Ehemann, nicht aber ihren Sohn, wie zunächst angenommen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wies das Kind keine Schussverletzung auf. Die Leiche zeige aber Anzeichen stumpfer Gewalt. Nach der Tat legte die Frau mit Brandbeschleunigern ein Feuer, das zu einer Explosion in dem Mehrfamilienhaus in Lörrach führte. Ob der Junge durch die Detonation in der Wohnung starb oder durch die Hand der Mutter ist nach Informationen der Ermittler noch unklar.
Zu den Motiven der Tat der 41-jährigen Rechtsanwältin, ins benachbarte Elisabethen-Krankenhaus zu flüchten und einen Pfleger zu töten, sagte die Staatsanwaltschaft, dass möglicherweise ein Zusammenhang mit einer Fehlgeburt besteht, die die Frau im Jahr 2004 dort erlitten hatte.
Pfleger erstochen
Die Amokläuferin lief in die gynäkologische Abteilung im ersten Stock und tötete dort einen 56-jährigen Pfleger mit einem Messer, so die Staatsanwaltschaft. Die Ermittler gehen davon aus, dass der Pfleger ein zufälliges Opfer war. Als die ersten Polizisten am Krankenhaus eintrafen, habe die Täterin einen Beamten ins Knie geschossen, so Inhofer. Bei dem folgenden Schusswechsel sei die Frau getötet worden.
Als Motiv für die Tat wird ein Beziehungsstreit angenommen. Der Ehemann und das Kind hatten gemeinsam in der Wohnung gelebt, die Frau nicht, erläuterten die Behörden. Laut Medienberichten soll sich der Mann von der 41-Jährigen getrennt haben. Außerdem habe es möglicherweise einen Sorgerechtsstreit gegeben.
Neues Einsatzkonzept für Amokläufe
Der schnelle Einsatz der Polizei ist wohl aufgrund einer neuen Einsatztaktik der Polizei möglich gewesen. Lediglich 40 Minuten dauerte es von der Explosion bis zum letzten Schuss. "Die Kollegen sind nach Winnenden entsprechend geschult worden, schnell und effizient einzugreifen", sagte Polizeisprecher Joachim Langanky. "Das Konzept ist voll aufgegangen."
In Winnenden hatte ein 17-jähriger Schüler während eines mehrstündigen Amoklaufs im März 2009 an einer Schule und auf der Flucht 15 Menschen getötet.
Klinik bleibt abgesperrt
Aus dem brennenden Wohnhaus rettete die Feuerwehr sechs Erwachsene sowie ein Kind. 15 Bewohner mussten mit Rauchgasvergiftungen in Krankenhäuser gebracht werden. Laut den örtlichen Medien sollen sich nach der Tat chaotische Szenen in der Innenstadt abgespielt haben. Klinikpersonal irrte durch die Straße, auf dem Gehweg wurden Verletzte versorgt.
Der Bereich um das St. Elisabethen-Krankenhaus im Zentrum der Stadt war auch am Montag noch abgeriegelt. Das Deutsche Rote Kreuz richtete mehrere Versorgungszelte vor dem Rathaus in unmittelbarer Nähe ein. Darin wurden einer DRK-Mitarbeiterin zufolge Klinikpersonal und Patienten psychologisch betreut. Die Klinik war nur teilweise geräumt worden. Etwa vier Stunden nach der Tat wurde dort der Betrieb wieder aufgenommen. Im Einsatz waren rund 300 Polizisten und Retter aus ganz Südbaden.
Autorin: Hajo Felten/Marion Linnenbrink (afp, dapd, dpa)
Redaktion: Eleonore Uhlich/Dirk Eckert