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Die Stunde der Wahrheit

Daniel Scheschkewitz, Washington14. Februar 2003

Der Irak hat zwar Entgegenkommen gezeigt, abgerüstet hat er aber nicht. Ein wirklicher Grund für einen Krieg ist das aber nicht. US-Korrespondent Daniel Scheschkewitz spielt Alternativen durch.

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Die internationale Staatengemeinschaft, die NATO, die Europäische Union – sie alle sind gespalten. Daran hat auch der jüngste Bericht der UN-Waffenspektuere nichts zu ändern vermocht. Die Fortschritte, von denen Blix berichten konnte, haben den amerikanischen Ruf zu den Waffen vielleicht noch einmal dämpfen können, aufhalten können sie den Krieg wahrscheinlich nicht.

Denn der Irak hat hat zwar Zugeständisse gemacht, abgerüstet hat er jedoch nicht. Blix musste sogar von neuen Verstößen berichten, wie der Al Samoud 2-Rakete, die die den Irakern zugebilligte Reichweite bei Raketen übersteigt. In der Summe bleibt es dabei: Bagdad ignoriert den Völkerwillen beharrlich nun schon seit 12 Jahren.

Resolution 1441, vor drei Monaten verabschiedet, war aus amerikanischer Sicht von vornherein als letzte Chance gedacht. Eine letzte Chance für den Irak, den UN-Waffeninspektoren und der Weltgemeinschaft glaubhaft nachzuweisen , dass alle Massenvernichtungswaffen vernichtet worden sind. Diesen Nachweis ist Saddam Hussein bis heute schuldig geblieben.

Auch drei Monate nach der Wiederaufnahme der Inspektionen bleibt der Verbleib tödlicher biologischer und chemischer Substanzen wie VX-Gas, Butolin und Milzbranderregern vollkommen unklar. Saddam ist nach wie vor ein Sicherheitsrisiko, auch wenn ihm die Verbindungen zu Terrornetzwerken bislang nicht glaubhaft nachzuweisen sind.

Jetzt ist für die internationale Staatengemeinschaft die Stunde der Wahrheit gekommen. Die Bushregierung scheint zum Krieg entschlossen. Mit oder ohne die UN. Nach amerikanischer Lesart lässt sich nach ausreichender Konsultation schon aus Resolution 1441 das Recht zur militärischen Gewaltanwendung ableiten.

Doch statt sich in juristischen Spitzfindigkeiten zu ergehen, müssen die Mitglieder des Weltsicherheitsrates nun die entscheidende politische Frage beantworten: Wie soll der Irak ohne militärische Gewalt zur Abrüstung gezwungen werden? Sanktionen haben versagt , Resolutionen haben wenig gefruchtet und selbst die militärische Drohkulisse des Truppenaufmarsches am Golf hat Saddam nicht zu entscheidenden Abrüstungschritten veranlasst.

Diese permanente Missachtung des Völkerwillens darf nicht ohne Konsequenzen bleiben! Natürlich kann nicht jedes Land beliebig einen Präventivkrieg anfangen. Auch die amerikanische Sicherheitsdoktrin kommt einer Pervertierung aller internationalen Spileregeln gleich. Aber diese Spielregeln machen eben nur Sinn, wenn Verstöße gegen sie auch geahndet werden.

Es ist an der Zeit, Konsquenzen nicht nur in Aussicht zu stellen, sondern auch zu auszuführen. Muss das unbedingt Krieg bedeuten? Nein. Eine robuste Verschärfung des UNMOVIC Mandats , die Beteiligung der interantionalen Staatengemeinschaft an den Kosten der militärischen Drohkulisse, ohne deren Aufrechterhaltung es nicht gehen wird, vielleicht auch die Präsenz von UN-Blauhelmen im Land.

Die Maßnahmen zur Eindämmung Saddam Husseins sind noch nicht ausgeschöpft. Noch kann die Abrüstung mit friedlichen Mitteln gelingen. Krieg muss tatsächlich die letzte aller denkbaren Möglichkeiten bleiben. Die UNO darf nicht ohnmächtig werden, aber als willfähriges Instrument der amerikanischen Außenpolitik hat sie auch keinen Wert.