Der Traum vom schnellen Geld
10. März 2009Veles, eine Kleinstadt mit 55.000 Einwohnern. Früher war sie das industrielle Herz Jugoslawiens. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Jetzt hat die Stadt einen zweifelhaften Ruf: als Dealer-Metropole Mazedoniens.
Dealen statt Arbeiten
Bei einer Razzia in der Stadt, die mit einer Spezialeinheit der Hauptstadtpolizei in Skopje durchgeführt wurde, wurden fünf mutmaßliche Dealer festgenommen. Die Polizei beschlagnahmte Drogen, Waffen, Geld und die teuren Autos der Männer. Die Nummernschilder bestätigten den Verdacht, dass die Verhafteten zur "Frankfurt Mafia" gehören, einem Netzwerk, das Heroin und seit neuestem auch Kokain an Süchtige in Deutschland verkauft. Mittlerweile geht ein Großteil des Stoffs auch nach Österreich: In Wien lässt sich das Gramm Heroin doppelt so teuer verkaufen wie in Frankfurt.
Nachschub und Verkauf sind fest in mazedonischer Hand - und viele der Dealer kommen aus Veles. Das hänge mit der Arbeitslosigkeit zusammen, erklärt der Polizist Radomir Karakachanov. "Für diese Leute ist es eine einfache Art, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen." Sein Kollege Igor Trajkovski ergänzt, dass es inoffiziell in Veles 400 Leute gebe, die in den Drogenhandel verstrickt seien. Aber diese Zahl sei noch nicht offiziell.
Vom bescheidenen Wohlstand zu 50 Prozent Arbeitslosenquote
Es ist wie ein Spinnennetz: Die Bosse sitzen im Ausland, in Mazedonien selbst rekrutieren junge Männer ihre Freunde. Das schnelle Geld lockt. Der Soziologie-Professor Ljube Luchkov nennt sie "Missbrauchte und Verführte". "In unserer Stadt hat ehrliche Arbeit keinen Wert mehr. Alles, was zählt, ist, über Nacht reich zu werden", erklärt er.
Früher ist in Veles niemand über Nacht reich geworden. Es gab bescheidenen Wohlstand durch harte Arbeit in Porzellan- oder Textilfabriken. Ein Metall verarbeitender Betrieb beschäftigte mehr als 2000 Menschen. Doch diese Zeiten sind vorbei: Nach dem Zerfall Jugoslawiens schlossen sieben große Fabriken. Heute liegt die Arbeitslosigkeit bei 50 Prozent. Das sei selbst für mazedonische Verhältnisse ein trauriger Spitzenwert, sagt Sashko Ristovski von der Kommunalverwaltung. 80 Prozent der Arbeitslosen seien ungelernte Arbeiter ohne Schulabschluss.
Ohne Hoffnung, ohne Perspektive
Zwar hat die Stadt ein neues Gewerbegebiet auf die grüne Wiese gesetzt. Doch das konnte bislang weder ausländische Investoren locken noch einheimische Unternehmer zur Schaffung neuer Jobs bewegen. Die Stimmung in Veles ist düster.
Solange die Arbeitslosenzahlen so hoch sind und es keine Perspektive für die Jugendlichen gibt, haben die Drogenbosse mit ihren Versprechungen vom schnellen Geld leichtes Spiel.