Die Serben, die Moslems und die Kriegsopfer aus dem Stausee
11. Februar 2012Tausende Serben haben sich schockiert über die 162 Leichen gezeigt, die aus dem Perucac-Stausee an der Grenze zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien geborgen und als Massaker-Opfer identifiziert wurden. "Ich schäme mich, dass Angehörige meines Volkes den Bosniern soviel Böses zugefügt haben", schrieb ein Mann an den Belgrader Fernsehsender B92. "Begreifen die Leute überhaupt, wie schrecklich das ist?", zeigte sich ein anderer Zuschauer fassungslos. Fast 3000 andere Serben pflichteten dem in ihren Zuschriften an B92 bei. Auch bei "Blic", der größten Zeitung in Serbien, gingen Beiträge von fast 400 bestürzten Lesern ein.
In der Vorwoche hatte das international unterstützte "Institut für verschwundene Personen in Bosnien-Herzegowina" in Sarajevo mitgeteilt, von den im Jahr 2010 geborgenen Leichen seien 160 als Muslime identifiziert worden. Das hätten DNA-Tests ergeben. Die Muslime seien im Jahr 1992 getötet worden und stammten mehrheitlich aus den Städten Visegrad, Foca und Rogatica, so das Institut weiter. Sie waren während des Bürgerkrieges (1992-1995) wahrscheinlich von Serben in dem Stausee versenkt worden. Ein Viertel von ihnen waren Frauen. Und auch mindestens zehn Kinder wurden Opfer der Gewaltexzesse.
Bosnien rechnet mit mehr als 200 Toten
Nach Darstellung des Instituts muss mit noch mehr Toten gerechnet werden, tatsächlich gehe es wahrscheinlich um mehr als 200. Weitere forensische Untersuchungen sollen folgen. Die Leichenteile waren 2010 geborgen worden, nachdem das Wasser des Stausees wegen Reparaturarbeiten abgelassen worden war. Die Verbrechen in dieser Region sind bislang weder historisch noch gerichtlich aufgearbeitet worden.
Der Perucac-See liegt im Osten von Bosnien-Herzegowina. Dort waren während des Krieges tausende Muslime von bosnischen Serben umgebracht worden. Von den insgesamt rund 100.000 Toten des Konflikts werden nach Angaben des Instituts in Sarajevo noch immer etwa 30.000 vermisst. Etwa 22.000 Leichen konnten bislang exhumiert werden.
sti/se (afp, dpa)