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Europarat kritisiert die Schweiz

21. September 2009

Ausländer haben in der Schweiz schlechtere Chancen als Einheimische – so ein Bericht des Europarat-Komitees gegen Rassismus und Intoleranz. Auch die fremdenfeindliche Schweizerische Volkspartei biete Anlass zu Besorgnis.

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Menschen sitzen vor einem Plakat, auf dem weiße Schafe ein schwarzes von der Flagge treten (Foto: dpa)
Ist die SVP fremdenfeindlich? Der Europarat ist besorgtBild: picture-alliance / dpa

Das Plakat der Schweizerischen Volkspartei (SVP) hat eine deutliche Aussage: Weiße Schafe kicken ein schwarzes von der Schweizer Flagge. Die Kritik des Europarates hält der SVP-Vizepräsident Christoph Blocher trotzdem nicht für gerechtfertigt. "Es ist gut, dass wir nicht in die EU gehen, nachdem der Europarat nicht einmal die Schweiz und die SVP kennt. Die Kritik, die ausgesprochen wird, ist eine typische Einmischung von Gremien, die die Länder nicht kennen", sagt der 68-Jährige.

Besorgnis über erstarkte SVP

Ein Mann im Porträt (Foto: dpa)
Christoph Blocher von der SVPBild: picture-alliance/ ZB

Die Schweiz habe mit 21 Prozent den wohl höchsten Ausländeranteil in Europa, sagt Blocher weiter. Und die Bilder von brennenden Autos in Einwanderervierteln kämen nicht aus der Schweiz, erinnert er an die Unruhen im Nachbarland Frankreich. Der einstige Chef des Schweizer Justiz- und Polizeidepartements sieht durchaus auch Schwierigkeiten, doch ganz andere als der Europarat. "Die Ausländerkriminalität ist enorm hoch, im Asylbereicht gibt es viel Missbrauch und wir schauen, dass in den Schulen auch die Ausländer ihre minimalen Voraussetzungen bringen, damit die Schweizerischen Schüler nicht behindert werden."

Seit Blocher nicht mehr in der Regierung sitze, habe der fremdenfeindliche Druck etwas nachgelassen, erwähnt der Europarat den früheren Großunternehmer persönlich in seinem Bericht.

Unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit?

Die Plakate der SVP werden nicht nur vom Europarat kritisiert. Doris Angst, Chefin der unabhängigen Schweizer Antirassismuskommission, erinnert an weitere Motive, die Einwanderer politisch instrumentalisieren. "Die gierigen Hände, die nach dem Schweizer Pass greifen oder die Muslime, die sich so sehr vermehren, dass sie bald die Mehrheit in unserem Land hätten, das sind schon sehr starke Bilder, die einen schädlichen Einfluss haben können", sagt sie.

Ginge es nach Blochers SVP wäre Doris Angst längst arbeitslos. Die Partei will die Antirassismuskommission abschaffen und die Rassismusstrafnorm gleich mit. Äußerungen über Ausländer wollen die Nationalkonservativen unter Meinungsfreiheit abbuchen. Umso nachdrücklicher fordert Doris Angst ein Antidiskriminierungsgesetz. Bislang gebe es ein solches allgemeines Diskriminierungsverbot nicht, sagt Michele Galizia von der Schweizer Fachstelle zur Rassismusbekämpfung.

Kritik, aber auch Lob

Ein Plakat mit dem Spruch: "Warum gehen Tamilien ins Restaurant? Um etwas zu essen wie die meisten Schweizer auch" (Foto: GRA)
2003 hat die Schweiz eine landesweite Kampagne gegen Rassismus und Antisemitismus gestartet

Galizias Behörde hat deshalb einen Ratgeber veröffentlicht, der Betroffenen helfen soll, gesetzliche Hilfe zu erhalten. Denn: "Es stimmt, das Jugendliche vor allem aus den Balkanländern bei der Suche nach einer Lehrstelle mehr Probleme haben als andere. Es ist auch eine Tatsache, dass ein Schwarzer bei der Wohnungssuche gerne seine hellhäutigen Freunde vorschickt", erzählt Galizia. Die Arbeitslosigkeit bei Ausländern ist in der Schweiz fast drei Mal so hoch wie der Landesdurchschnitt. Und ihre Einbürgerung geschieht per Volksentscheid – auch das wird vom Europarat kritisiert.

Doch Galizia sieht auch Fortschritte: "Jedes Jahr steckt die Bundesverwaltung etwa 50 Millionen Franken in Integrationsprojekte", sagt er. Das weiß auch der Europarat: Er lobt integrierte Wohnprojekte, das neue Ausländergesetz, das auf Chancengleichheit abziele, und die Smart Selection, die Ausländern anonyme Bewerbungen ermögliche. Angehende Polizisten müssten nun eine Ethikprüfung ablegen.

Die Schweiz hat nun zwei Jahre Zeit, um die Vorschläge des Europarats umzusetzen. Dann wird erneut geprüft.

Weitere Informationen:

Das Europäische Komitee gegen Rassismus und Intoleranz untersucht regelmäßig die Lage in den EU-Staaten und formuliert Vorschläge, wie die Situation verbessert werden kann. Jedes Jahr werden neun bis zehn Länder kontrolliert, alle fünf Jahre beginnt die Untersuchung von vorne.


Autorin: Stefanie Markert
Redaktion: Julia Kuckelkorn