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Saat der Indoktrination

6. Mai 2009

Auch unter Präsident Obama haben die USA nur wenig Einfluss auf die Entwicklung in Pakistan. Der extremistischen Gefahr müssen die Pakistaner selber Herr werden, meint Thomas Bärthlein in seinem Kommentar.

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Bild: DW

Pakistan steckt in einer schweren Krise, und das deutlichste Anzeichen dafür ist die Ratlosigkeit, die sich angesichts des Vormarschs der Taliban im Land breit gemacht hat. Weder die einflussreiche Armee, noch die zivilen Politiker, noch sonst jemand in der Öffentlichkeit scheint ein Rezept gegen die Radikalen zu haben.

Verhandeln oder bekämpfen?

Pakistanische Militäroffensive gegen die Taliban (Foto:dpa)
Pakistanische Militäroffensive gegen die TalibanBild: picture-alliance/ dpa

Mal wird mit ihnen verhandelt wie im Swat-Tal in Kaschmir, wo die Regierung der Einführung der Scharia zustimmte, dann werden wieder Bomben geworfen, die leider auch Zivilisten treffen. Die Armee versagt in der Aufstandsbekämpfung völlig, lehnt aber gleichzeitig hartnäckig alle Ausbildungs-Angebote der USA ab – denn sie sieht ihren eigentlichen Feind nach wie vor in Indien. Die zivilen Politiker sind vor allem mit ihren eigenen Rivalitäten beschäftigt und wirken konfus. Die gut organisierten Taliban wiederum demonstrieren Stärke und stoßen konsequent in jedes Machtvakuum vor. Zu einem ganz erheblichen Teil basiert ihr Erfolg schlichtweg auf Einschüchterung. In Swat und anderen Gebieten haben sie ihre Kritiker entweder getötet oder in die Flucht geschlagen. Es zeichnet sich ab, dass immer mehr Pakistaner, die nicht in ihr engstirniges Weltbild passen, Angst um ihre Sicherheit haben müssen, und zwar landesweit – vor allem religiöse Minoritäten wie Sikhs, Christen und auch Schiiten.

Jahrzehntelang geförderte Intoleranz

Pakistans Ex-Präsident Muhammad Zia Ul-Haq (Foto:ap)
Muhammad Zia Ul-Haq regierte Pakistan von 1977 bis 1988Bild: AP

Der Kern des Problems ist, dass die in Pakistan gewöhnlich als "jihadistisch" bezeichnete Ideologie der Intoleranz und religiösen Militanz über Jahrzehnte systematisch gefördert worden ist, besonders vom Militär seit den Zeiten des Diktators Zia ul-Haq. Das geschah eine Zeitlang mit tatkräftiger Unterstützung der USA, die mit den radikalen Kräften im Kampf gegen die Sowjets in Afghanistan paktierten. Jetzt zeigt sich, dass die Indoktrination so tief sitzt und so sehr Teil der nationalen Identität geworden ist, dass Pakistan Schwierigkeiten hat, sie abzuschütteln. "Jihadisten", die in Afghanistan gegen die NATO oder in Kaschmir gegen Indien kämpfen, können sich immer noch breiter Sympathien in Pakistan sicher sein. Wer gegen die Einführung der Scharia Stellung nimmt oder säkularen Vorstellungen anhängt, setzt sich dagegen dem Verdacht aus, gegen den Islam zu sein.

Einfache Lösungen gibt es nicht

Thomas Bärthlein
Thomas Bärthlein

Das anti-westliche Klima in Pakistan hat viel mit der weithin als anti-muslimisch begriffenen Politik der Bush-Regierung zu tun. Doch in diesem Klima sind gefährliche, wirre Ideen herangereift, die spätestens jetzt vielen Pakistanern selbst Angst einjagen. Eine einfache Lösung gibt es nicht dafür, schon gar nicht von außen. Die US-Regierung hat verstanden, dass Pakistan eine Schlüsselrolle für Afghanistan spielt. Sie weiß auch, dass die frühere Regierung des Generals Musharraf die Welt an der Nase herumgeführt hat, als sie versprach, die Radikalen zu bekämpfen. Aber die so genannte „neue Strategie" der Amerikaner bietet im wesentlichen die alten Rezepte für Pakistan: Eine Mischung aus Zuckerbrot und Peitsche, sprich Dollars und Drohnen-Angriffe. Die Regierung in Washington ist weitgehend hilflos, weil Druck aus den USA das Misstrauen und das Gefühl der Isolation in Pakistan nur verstärkt und somit den Radikalen in die Hände spielt. In Wirklichkeit kann sich Pakistan nur selbst aus diesem Schlamassel befreien. Die einzige Hoffnung besteht darin, dass das Ausmaß der Bedrohung jetzt genügend Pakistanern klar wird, und dass sie handeln, bevor es zu spät ist.

Autor: Thomas Bärthlein
Redaktion: Thomas Latschan