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Die Särge des Pentagons

Ralf Hoogestraat26. April 2004

Die Lage im Irak wird für die amerikanischen Besatzer immer schwieriger. Das Pentagon will aber zumindest zu Hause für gute Stimmung sorgen - Bilder von Särgen mit amerikanischen Soldaten passen da nicht ins Bild.

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Wo gehobelt wird, fallen Späne - und wo die USA Kriege führen, da wird es auch amerikanische Opfer geben. So hatten US-Präsident Bush und sein Verteidigungsminister Rumsfeld immer wieder mit Trauer in der Stimme tote amerikanische Soldaten beklagt.

Aber Bilder von Särgen mit amerikanischen Soldaten wollte man der Öffentlichkeit dann doch lieber nicht zeigen. Deswegen gibt es die Direktive des Pentagons, dass niemand die Särge filmen oder fotografieren darf, bevor nicht die Angehörigen der Opfer sie gesehen haben.

Dem amerikanischen Journalisten Russ Kick ist es zu verdanken, dass die Welt zumindest für 24 Stunden 300 dieser Bilder sehen konnte. Kick hatte die US-Airforce auf sein Verfassungsrecht auf Informationsfreiheit hingewiesen. Er bekam eine CD-Rom mit 300 Bildern von der Airforce- Stützpunkt Dover und veröffentlichte sie auf seiner Webseite "The Memory Hole".

Die Nasa behauptete dann, dass da auch Fotos von den sieben abgestürzten Columbia-Astronauten drunter sind. Da hatte das Pentagon doch wohl nicht ganz zufällig für Verwirrung gesorgt. Das Ergebnis: Die Webseite musste wieder offline geschaltet werden. Psychologische Kriegsführung an der Heimatfront nennt man das wohl.

Ein Sarg sieht einfach wie ein Sarg aus, aus Aluminium, abwaschbar und zur Wiederbenutzung, denn die Heimkehrer werden noch umgesargt, bevor sie in amerikanischem Boden beerdigt werden.

Die Särge liegen in drei Reihen im Bauch eines Flugzeuges, Soldaten halten Ehrenwache und jeder Sarg ist selbstverständlich mit einer amerikanischen Flagge bedeckt. Es sind deutlich mehr als sieben, also doch Opfer des Irak-Krieges.

Ein anderer Fall: Eine Mitarbeiterin einer privaten Fluggesellschaft, die Särge in die USA transportiert, wollte nur zeigen, wie nett sich die Angestellten um die Särge kümmern. Eine Bekannte schickte das Bild an die "Seattle Times", jetzt sind die Angestellte und ihr Mann gefeuert worden.

Propaganda an der Heimatfront

Vater Bush hatte das Bilder-Verbot für Särge im ersten Irak-Krieg eingeführt. Bush der Sohn hat es einfach übernommen. Aus Sicht der Bush-Krieger macht es Sinn. Im Vietnam-Krieg hatten vor allem die Bilder der heimkehrenden Toten die Nation verstört.

Unter Bush junior muss die Nation bei der Stange bleiben. Dafür sorgt das Pentagon schon seit Beginn des zweiten Irak-Krieges mit außergewöhnlichen PR-Maßnahmen.

Eingebettete Journalisten durften live auf Panzern wie John Wayne in das eroberte Bagdad einreiten.

Die Gefreite Jessica Lynch wurde dramatisch vor Militär-Kameras aus den Klauen des Feindes gerettet und in Sicherheit gebracht, obwohl der Feind schon längst das Weite gesucht hatte. Ein irakischer Arzt hatte sich rührend um sie gekümmert und mehrfach den US-Soldaten gesagt, dass sie doch endlich ihre Landsfrau bei ihm im Krankenhaus abholen sollten.

In den ersten Kriegmonaten wirkten selbst berühmte journalistische Bastionen wie die "New York Times" wie vom Pentagon ferngesteuert. Und der Fox-Newskanal des konservativen Medienmoguls Ruppert Murdoch sprach fröhlich von "unseren Jungs" und ließ die US-Flagge immer auf dem Bildschirm zappeln.

Selbst mit Hollywood versuchte das Pentagon ins Gespräch zu kommen, um vielleicht den amerikanischen Einsatz im Irak in filmischen Helden-Epen für die Nachwelt zu erhalten.

Särge passen da einfach nicht in das ausgefeilte Pentagon-PR-Konzept.

Oder, wie es der demokratische Abgeordnete und Vietnam-Veteran Jim McDermott jetzt im Bilderstreit ausdrückte: "Das hat nichts mit der Privatsphäre der Opfer zu tun. Man will nur verhindern, dass das Land die Realität des Krieges sieht."