Die Rückkehr von Silly
7. Oktober 2010Silly - für viele alte Fans ist das die charismatische Sängerin Tamara Danz. Die Tochter eines Diplomaten macht in der DDR mit ihrer Band Musik, die den Produktionsstandards in Westdeutschland in nichts nachsteht. Doch wer genauer hinhört, merkt schnell, dass Silly nicht eine x-beliebige Ostband ist, die krampfhaft versucht, auf Westen zu machen. Sillys Texte sind damals schon anders: Poetisch schön, aber auch kampfeslustig und systemkritisch. "Es war nicht so, dass wir das nicht durchaus direkter hätten ausdrücken können", sagt Tamara Danz 1991 in einem Interview. "Das war nicht unsere Art. Die Textstrukturen, wie sie waren, entsprachen schon dem, was wir machen wollten."
Mit "grünen Elefanten" gegen Staatszensur
Die Texte sprechen eine eindeutige Sprache: Kritik am SED-Staat. Den Fans gefällt es, der Staatsmacht ist es zuwider. Ärger mit der Zensur ist vorprogrammiert: Ganze Plattenpressungen der Band werden eingestampft, Alben erscheinen zuerst im Westen und werden in der DDR unter dem Ladentisch verkauft. Um die kritischen Texte an der Zensur vorbeizuschmuggeln, schreiben Danz und ihre Texter eindeutige Passagen, die die Aufmerksamkeit der Zensoren auf sich lenken und die kleineren Kritiken verschleiern sollen. Die Band nennt diese Passagen "grüne Elefanten". Ihre Popularität beschert der Band gewisse Freiräume. "Es war in der DDR so, dass man unter dem Schutz der Öffentlichkeit, und die Öffentlichkeit waren nun mal die Fans, vieles tun konnte", erklärt Tamara Danz 1991.
David Hasselhoff versus Silly
Nach der Wende 1989 beginnt eine harte Zeit für die Band aus Ostberlin. Zwischen den Scorpions mit ihrem "Wind Of Change" und David Hasselhoffs "Looking For Freedom" ist kein Platz mehr für Kritik an Bonzen. "Im Prinzip hat sich ja nicht allzu viel verändert - nur, dass sich die Veranstaltungstätigkeit verschieben wird", hofft Tamara Danz damals. Doch die Veranstaltungstätigkeit, auf Westdeutsch Live-Auftritte genannt, bricht völlig ein. Die Band nutzt das entstandene Vakuum und versucht eine "Westplatte" aufzunehmen. Trotz guter Kritiken will "Hurensöhne" im neuen Deutschland keiner mehr hören. Im größten kreativen Frust kommt dann die schicksalhafte Nachricht: Tamara Danz leidet an Krebs. Die Schmerzen werden so groß, dass sie nur noch unter Morphium arbeiten kann. In dieser letzten Phase ihres Lebens schafft sie es noch, zusammen mit ihrer Band das wohl beste Album der Bandgeschichte aufzunehmen. Kurz nach dem Erscheinen von "Paradies" stirbt Tamara Danz 1996 an Krebs.
Drei Bandmitglieder und noch ein Todesfall
Silly steht vor der Auflösung. Die Überlebenden Ritchie Barton, Uwe Hassbecker, Herbert Junck und Jäcki Reznicek stürzen sich in andere Projekte. Hassbecker und Barton produzieren Alben von Joachim Witt, Reznicek wird Dozent an der Dresdner Musikhochschule. Erst der Tod des Schlagzeugers Herbert Junck führt das übriggebliebene Trio wieder zusammen. Zum zehnten Todestag von Tamara Danz tritt Silly wieder auf. "Silly & Gäste" spielen 2006 die alten Lieder mit unterschiedlichen Gastsängern. Unter ihnen ist die Schauspielerin Anna Loos, für die damit ein Traum wahr wird – denn sie ist ein Fan, seit sie als 14-Jährige ihr erstes Album gekauft hat. "Bei uns gab es einen Plattenladen", schwärmt Anna Loos. "Da war eine Schlange, ich habe mich angestellt und dann gab es da diese Platte mit dieser Wahnsinnsfrau auf dem Cover zu kaufen. Ich wusste gar nicht, was das ist." Es war das Album "Bataillon d’Amour" von Silly.
14 Jahre, 14 Lieder
Aus der Zusammenarbeit entwickelt sich etwas. Der nach eigenem Bekunden "größte Silly-Fan der Welt" Anna Loos wird Sängerin von Silly. Loos, Ehefrau des Schauspielers Jan Joseph Liefers, gibt den drei verbliebenen Sillys noch einmal eine Frontfrau, die sie zu mehr beflügelt. So erscheint, 14 Jahre nach dem Tod von Tamara Danz, ein neues Studioalbum mit 14 neuen Liedern. Der Sound ist unverkennbar, die Texte gewohnt treffsicher. Die im Deutschrock oft überstrapazierten Teenie-Themen haben bei der Kappelle keine Chance. Vielmehr spricht hier eine gestandene Frau nachdenklich, bis melancholisch über ihre Wahrnehmung von Liebe, sozialer Gerechtigkeit und Verantwortung. Zum Glück driftet Silly hierbei nie in den Weltschmerz ab.
Viele Ostdeutsche begrüßen das Comeback einer der wichtigsten Bands der DDR und für viele Westdeutsche ist Silly eine erstaunliche Neuentdeckung. Und so bleibt der Erfolg diesmal nicht aus: Die Platte schafft es auf Platz drei der gesamtdeutschen Albumcharts.
Autor: Uli José Anders
Redakteur: Matthias Klaus