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Die russische Blockade

Mikhail Bushuev4. März 2014

Tauziehen um die ukrainischen Militärstützpunkte auf der Krim: Seit dem Wochenende werden sie von Bewaffneten in russischen Uniformen ohne Abzeichen belagert. Die Bewohner der Halbinsel reagieren geteilt.

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Ein ukrainischer Soldat küsst seine Freundin (Foto: DW)
Bild: DW/M. Bushuev

Die Kuss-Szene, aufgenommen am Montag (03.03.2014) an der ukrainischen Militärbasis in Perewalne auf der Krim strahlt Harmonie aus. Doch neben dem ukrainischen Soldaten mit seiner Verlobten stehen uniformierte bewaffnete Männer aus einem anderen Land.

Seit Sonntag umzingeln unbekannte Soldaten den Stützpunkt der 36. Brigade. Sie sind mit etwa 15 Militärlastwagen und einem Dutzend gepanzerter Autos hierher gekommen. Sie tragen russische Militäruniformen ohne Abzeichen und haben russische Gewehre und Fahrzeuge. Soldaten, die sich äußerten, sprechen perfekt Russisch, einige haben sich als russische Wehrdienstleistende vorgestellt. Es handelt sich also augenscheinlich um russische Truppen, auch wenn Moskau das an diesem Montag erneut bestritt.

Die junge Frau in Perewalne kann ihren Verlobten jetzt nur noch kurz sehen. Auf die Frage, ob sie sich Sorgen macht, antwortet sie trotzig "Nein". Sie will nicht weiter sprechen. Viele Soldaten der Militärbasis leben in der Nähe und sind ethnische Russen, also jene, die Moskau offiziell schützen will.

Machtdemonstration

Die Forderung der Belagerer an die Soldaten der ukrainischen Armee lautet, sie sollen die neue Führung auf der Krim anerkennen, ihre Waffen abgeben und abziehen. Dieser Forderung kommt der Kommandant in Perewalne nicht nach. "Das ist unsere Basis. Wir gehen nicht weg", sagt auch einer der ukrainischen Offiziere, kurz bevor er wieder hinter dem Eingangstor verschwindet.

Soldaten auf der ukrainischen Militärbasis in Perewalne (Foto: DW)
Abwarten: Soldaten auf der ukrainischen Militärbasis in PerewalneBild: DW/M. Bushuev

Etwa tausend Mann der fremden Armee stehen vor der Militärbasis. Sie demonstrieren regelmäßig ihre Macht. Alle zwei Stunden fährt ein gepanzertes Auto Richtung Eingangstor, zusammen mit 30 Soldaten, und die Wache vor dem Tor wird abgelöst. Alle Gewehre sind schussbereit, auf dem Militärwagen ein Schütze in Position.

Die Ukrainer, die ihnen gegenüberstehen, haben sich mit der Situation, so weit es geht, arrangiert. Sie wirken nicht so angespannt wie am ersten Tag der Belagerung. Ab und zu unterhalten sich die beiden Parteien kurz miteinander, Smalltalk.

Bisher nur Wortgefechte

Emotionaler ist die Atmosphäre auf dem kleinen Platz vor der Basis. Als ein Militärlaster Richtung Tor losfährt, stellt sich ein Mann in einer schwarzen Jacke davor: "Nein, nicht angreifen!" - "Wir sind doch Ukrainer!", entgegnet der Fahrer und flucht. Die Belagerer lassen den LKW passieren. Der mutige Mann heißt Witali, er ist Russe, aber gegen die Belagerung: "Wenn Russland Truppen in einen souveränen Staat schickt, dann ist es egal, welche Vorteile es uns bringt. So kann man keine Politik machen. Das ist einfach nicht gut."

Eine Frau auf dem Platz ist anderer Meinung. Sie fühlt sich von der Regierung in Kiew im Stich gelassen und freut sich über die "russische Präsenz". Denn Russland "schützt uns vor Leuten wie Musytschko und Jarosch", Anführer der nationalistischen paramilitärischen Gruppierung "Rechter Sektor", die während der Proteste in Kiew aktiv war, und die auch Witali für "kriminell" hält. Sie hofft, dass Russland wieder für Ordnung sorgt.

Soldaten auf der ukrainischen Militärbasis in Perewalne (Foto: DW)
Angespannte Lage vor der Militärbasis in PerewalneBild: DW/M. Bushuev

Zuckerbrot und Peitsche

Wortgefechte zwischen Befürwortern und Gegnern russischer Truppen auf der Krim werden nicht nur in Perewalne ausgetragen. Allem Anschein nach russische Soldaten belagern fast alle strategischen Militärobjekte der Ukraine auf der Halbinsel oder haben diese unter ihre Kontrolle gebracht, darunter einen Militärflughafen und zwei Zentren für Fluglotsen in Simferopol und Sewastopol - insgesamt etwa ein Dutzend Standorte.

Am Montag sprach Denis Beresowski im lokalen Fernsehen. Der Chef der ukrainischen Marine ist offenbar zur pro-russischen Krim-Regierung übergelaufen. Im Fernsehen versucht er, ukrainische Offiziere zu einem Seitenwechsel zu überreden. Andere Quellen berichten, dass Unterhändler ukrainischen Soldaten und Offizieren verschiedene Lockangebote machen, zum Beispiel die Ausstellung eines russischen Passes und eine ordentliche Vergütung in der "Krim-Armee".

Auch die neue Krim-Regierung unter Premier Sergej Aksjonow und dem Parlaments-Vorsitzenden Wladimir Konstantinow haben an mehreren Stützpunkten versucht, ukrainische Militärs auf diese Weise zum Überlaufen zu überreden. Einige Stabsoffiziere der Grenzschutzverwaltung sollen schon die Seiten gewechselt haben. Die neue Regierung auf der Krim meldete, es seien etwa 5000 Wehrdienstleistende zu ihnen übergelaufen. Das ukrainische Verteidigungsministerium wies diese Darstellung zurück. Genaue Zahlen hat wohl im Moment niemand. Mehrere Waffenlager auf der Krim sollen jedoch in fremde Hände gefallen sein.

Werden Freunde zu Feinden?

Rätsel gibt es um die Meldung, der Kommandeur der russischen Schwarzmeerflotte, Alexandr Witko, habe der ukrainischen Seite ein Ultimatum bis Dienstagfrüh gestellt. Sollten ukrainische Militäreinheiten ihren Widerstand bis zu diesem Zeitpunkt nicht aufgeben, werde man angreifen. Diese Information hat der Sprecher des ukrainischen Verteidigungsministeriums Wladislaw Selesnjow auf Facebook bestätigt. Darauf meldete sich Moskau mit einem deutlichen Dementi: "völliger Blödsinn".

In einem seiner Posts am Montag schrieb Selesnjow, er könne die ganze Situation immer noch nicht fassen. "Wir waren in Jahr 2000 mit diesen russischen Marine-Infanteristen in der Stadt Kertsch bei einer gemeinsamen Militärparade. Wir kennen uns, die sind doch okay. Ich kann den Unsinn dieser Situation nicht begreifen."