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Die Rumpelkammer der PDS

Marcel Fürstenau17. Januar 2003

Petra Pau hat schon bessere Zeiten erlebt. Sie war eine von 37 PDS-Abgeordneten. Doch nach der Bundestagswahl im September haben die Sozialisten ihren Fraktions-Status verloren. Marcel Fürstenau betrachtet die Folgen.

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Petra Pau hat schon bessere Zeiten erlebt. In der vergangenen Legislaturperiode war sie eine von 37 PDS-Abgeordneten. Doch nach der Bundestagswahl im September haben die Sozialisten ihren Fraktions-Status verloren. Um ihn zu behalten, hätten mindestens zehn Kandidaten ins Parlament gewählt werden müssen. Doch die PDS scheiterte an der 5-Prozent-Hürde.

Petra Pau und Gesine Lötzsch sind als direkt gewählte Abgeordnete nun auf sich allein gestellt. Mit eingeschränkten finanziellen Mitteln und weniger Rechten im Hohen Haus. Gesetzesinitiativen können die beiden nicht einbringen, sogar kleine Anfragen sind ihnen verwehrt. Kein Wunder, dass sich die Politikerinnen als Abgeordnete zweiter Klasse fühlen. Im Mittelpunkt des Medien-Interesses stehen sie nur noch selten. In letzter Zeit eigentlich nur, wenn es um ihre Arbeitsbedingungen geht.

Beschämend und erniedrigend finden es Petra Pau und Gesine Lötzsch, wie man sie behandelt. Im Plenarsaal sitzen sie in der hintersten linken Ecke – ohne Tisch, ohne Telefon. Ein geradezu symbolisch anmutender Platz für die letzten Vertreterinnen einer linken Partei im Bundestag. Eigene Büros im Reichstagsgebäude haben sie natürlich auch nicht.

Um ihre Situation zu verbessern, beantragten die beiden den so genannten Gruppen-Status, der ihnen im Parlament mehr Rechte und zusätzliche finanzielle Mittel beschert hätte. Doch daraus wurde nichts. Der zuständige Geschäftsordnungs-Ausschuss des Bundestages, dem Mitglieder aller Fraktionen angehören, ließ die bislang geübte Praxis vor Gnade ergehen: demnach gibt’s den Gruppen-Status erst ab fünf Mitglieder.

Also bleibt alles wie es ist. Und wenn das PDS-Duo eine Presse-Konferenz in Liegenschaften des Bundes veranstalten will, müssen bei der Bundestagverwaltung Räume beantragt werden. Neulich war das der Fall. Petra Pau und Gesine Lötzsch zogen eine erste Bilanz ihrer Arbeit und gaben einen Ausblick auf die Schwerpunkte in den kommenden Wochen: ihre ablehnende Haltung zu einem immer wahrscheinlicher werdenden Irak-Krieg, die Arbeitsmarkt-Politik der Bundesregierung, das Zuwanderungsgesetz.

Über ihre Arbeitsbedingungen wollten sie eigentlich nicht schon wieder reden. Doch die äußeren Umstände ließen keine andere Wahl.

Das zugewiesene Zimmer, in das die PDS-Abgeordneten geladen hatten, befand sich im Jakob-Kaiser-Haus neben dem Reichstagsgebäude und dient normalerweise der CDU/CSU-Fraktion als Besprechungsraum für deren Arbeitsgemeinschaft "Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft".

Petra Pau und Gesine Lötzsch waren entsetzt, und das Erstaunen unter den Journalisten war auch nicht gerade gering. In dem schmalen, lang gezogenen Raum stapelten sich haufenweise Umzugskisten. Drei, vier übereinander in mehreren Reihen. Einige Kartons waren schon aufgerissen, und der Inhalt fiel heraus. Direkt neben dem Stuhl, auf dem ich Platz genommen hatte, lag eine Presseschau der CDU-Bundesgeschäftsstelle vom Oktober 1996. Cirka 50 Seiten Zeitungs-Ausschnitte, der Titel auf dem Deckblatt lautete: "Helmut Kohl – 14 Jahre Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland".

In dieser Rumpelkammer mußten die PDS-Damen ihre Gäste, immerhin 15 Journalisten, empfangen. Darunter ein Team des Dokumentations- und Ereigniskanals "Phönix". Der Kamera-Mann dürfte an diesem Tag voll auf seine Kosten gekommen sein. Keines der üblichen, langweiligen Motive: Politiker vor einer Stellwand mit dem Logo der Partei oder einer mehr oder weniger witzigen Losung wie "Freiheit statt Sozialismus".

Stattdessen zwei Frauen, eingerahmt von Presse-Vertretern, die links und rechts daneben saßen, wenn sie denn noch einen Platz gefunden hatten. Die anderen mußten stehen und aufpassen, dass sie nicht über eine Kiste stolperten. Wenn das kein Ereignis war, das zu dokumentieren sich lohnte!

PS: Petra Pau und Gesine Lötzsch wollen nun prüfen, ob eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht Aussicht auf Erfolg hatte. Dann könnte es passieren, dass die höchste richterliche Instanz sich eines Tages der Frage widmet, ob Abgeordnete des Deutschen Bundestages einen Teil ihrer Arbeit in Rumpelkammern verrichten müssen.