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Die Rückkehr der Kernenergie

André Moeller18. Oktober 2002

Das Imperium schlägt zurück: Während man sich in Deutschland über Restlaufzeiten streitet, feiert die Atomindustrie ein weltweites Comeback.

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Mit Volldampf auf der VormarschBild: AP

Die Atomenergie befindet sich weltweit auf dem Vormarsch, als habe es den Super-Gau von Tschernobyl 1986 nicht gegeben. Darauf weist das "Greenpeace-Magazin" hin. "Derzeit sind weltweit insgesamt 42 Atomkraftwerke im Bau und weitere 142 in verschiedenen Stufen der Planung", verdeutlicht Redakteur Marcel Keifenheim das Ausmaß des atomaren Booms. Zudem blieben viele der 438 Meiler, die momentan in Betrieb sind, länger am Netz als ursprünglich vorgesehen. Das erhöhe die Gefahr einer nuklearen Katastrophe.

Zum Beispiel das AKW Kosloduy, einer von sechs Atommeilern in Bulgarien. Er befindet sich 150 Kilometer nördlich der Hauptstadt Sofia. Marcel Keiffenheim bezeichnet den Meiler als "Klapperkasten sowjetischer Bauart. Sein Betrieb wird sogar von dem atomfreundlichen US Department of Energy als 'höchst riskantes Glücksspiel' bezeichnet", gibt er im Gespräch mit DW-World zu bedenken. In der Atomanlage, die nach Experteneinschätzung zu den gefährlichsten der Welt gehört, sind Störfälle an der Tagesordnung.

Atomares Engagement kennt keine Grenzen

In Russland ist die schreckliche Katastrophe von Tschernobyl schon längst kein Thema mehr. "Die Atomenergie hat ein großes Wachstumspotenzial", blickt Oleg Sarajew vom staatlichen Energiekonzern Rosenergoatom freudig in die Zukunft. Dort plant man nicht nur 32 Reaktorneubauten, man versucht auch, die ältesten der 30 russischen Atomreaktoren so aufzumöbeln, dass sie noch ein paar Jahre länger durchhalten.

Das russische Atom-Engagement macht vor den Landesgrenzen nicht Halt. Trotz verschiedener Einwände aus Washington engagiert sich Moskau beim Bau eines iranischen Atomkraftwerks in Buschehr. Der erste von mehreren wassergekühlten Reaktoren soll dort 2003 ans Netz gehen. Auch die USA investieren wieder in Atomkraft und mischen dabei international mit. Sie bauen in Nordkorea zwei Leichtwasser-Reaktoren zur Energieversorgung. Dafür musste Pjönjang den Verzicht auf ein Atomwaffen-Programm verbindlich zusagen. Nachdem nun bekannt wurde, dass die Nordkoreaner sich an die Vereinbarung nicht gehalten haben und bereits über waffenfähiges Plutonium verfügen, wird Washington sein Engagement sicherlich überdenken.

Unterschiedliche Motive

Die Liste der Länder, in denen die Atomenergie in neuem Glanz erstrahlt, ist lang. Und die Motive der weltweit rund 31 Staaten, die über Atomanlagen verfügen, sind sehr unterschiedlich. "In Asien, wo derzeit die meisten neuen Kernkraftwerke entstehen, spielt auch das Prestige des Landes eine Rolle", meint Keiffenheim. So besitze zum Beispiel in Indien, wo schon 14 AKWs in Betrieb sind und mindestens 13 weitere gebaut werden sollen, Atomenergie eine hohe Symbolkraft.

Die USA wiederum setzten auf Atomkraft, um ihre Abhängigkeit von Öl aus den Krisengebieten des Nahen Ostens zu verringern. Auch das bei der Atomlobby beliebte Klimaschutz-Argument wird oft vorgebracht. Doch das lässt Keifenheim nicht gelten. Es mache keinen Sinn, die Umweltgefahr zu bekämpfen, indem man eine andere heraufbeschwöre.