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Die Qual der Wahl

Eckhard Tollkühn, Washinton16. September 2002

Was ist es, das die Bewohner des US-Bundesstaates Florida anders ticken lässt als sonstwo? Eines ist wieder klar geworden. Wählen kann man dort nicht. DW-TV-Korrespondent Eckhard Tollkühn berichtet.

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Besser scheint es in dem Südstaat um die Literatur bestellt zu sein, insbesondere in der Disziplin Wortschöpfung. "Butterfly-Ballot" (Schmetterling-Wahlschein) oder "Hanging Chad" (hängender Stanzschnipsel) sind Begriffe, die seit den Präsidentschaftswahlen 2000 allgemeiner Sprachgebrauch geworden sind.

Idiotensicheres System

Man erinnert sich: Das Wahlduell George W. Bush gegen Al Gore ging so knapp aus, dass die Unzulänglichkeiten des Wahlsystems von Florida eine endgültige Entscheidung erst mithilfe des Obersten Gerichtshofes in Washington ermöglichten.

Florida wurde zum Gespött der Nation. Eine solche Schmach sollte dem Bundesstaat nicht noch einmal widerfahren, gelobte Gouverneur Jeb Bush. Immerhin verhalf sie seinem Bruder George Bush ins Weiße Haus. Jeb Bush jedenfalls hatte nach dem Wahlfiasko 2000 hoch und heilig versprochen, Wahlsystem und -Technik zu modernisieren, sprich "idiotensicher" zu machen. Das Modernisieren ist ihm gelungen. Die Schmetterlingszettel wurden abgeschafft. Stattdessen wurden für 32 Millionen Dollar Berührungsbildschirme in den Wahllokalen installiert.

Erinnerungen an 2000

Am Dienstag (10. September 2002) wurde wieder gewählt in Florida. Diesmal ging es um die demokratischen Vorwahlen für die Gouverneurswahl im Dezember. Die Kandidaten waren Janet Reno, Justizministerin unter Präsident Clinton und ein relativ unbekannter Rechtsanwalt namens Bill McBride.

Modern mag das computergesteuerte Wahlsystem sein. Idiotensicher ist es nicht. Das "Touch-Screen"-System reagierte nicht auf jeden Knopfdruck. Wähler gingen frustriert nach Hause ohne ihre Stimme abzugeben. Dazu kam noch, dass viele Wahllokale zu spät öffneten oder zu früh schlossen. Und, wie schon beim Wahlgang 2000 wurden Tage nach dem Ende der offiziellen Auszählung ungezählte Stimmen entdeckt.

Bananenrepublik der Nation

Wen wundert es da, dass Janet Reno den nach einem Vorsprung von nur 8000 Stimmen deklamierten Wahlsieg McBrides infrage stellte und eine Nachzählung beantragte. Wie schon ihr demokratisches Vorbild Al Gore schloss sie auch nicht aus, das Ergebnis vor Gericht anzufechten.

Wie sich die Bilder doch gleichen. Auf ihren Titelseiten stellen amerikanische Zeitungen Szenen von damals und heute gegenüber. Ungläubige Auszähler, die Wahlzettel oder Computer-Teile gegen das Licht halten, um sich einen Reim auf die Wählerabsicht zu machen. Der Ruf Floridas als Bananenrepublik der Nation ist durch hämische Pressekommentare gefestigt worden.

Die Demokraten klagen den republikanischen Gouverneur an, sein Versprechen, das Wahlsystem zu verbessern, nicht gehalten zu haben. Das Gerangel um den Sieg im eigenen Lager ist aber auch peinlich für die Demokraten. Der Beginn ihrer langersehnten Kampagne, Gouverneur Jeb Bush aus dem Kapitol in Tallahassee zu vertreiben, war ein erbärmlicher Fehlstart.