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"Die Privatisierung im Kosovo kommt voran"

14. April 2005

Joachim Rücker leitet seit kurzem den Bereich Wirtschaft bei der UN-Mission im Kosovo. DW-RADIO/Albanisch fragte den Experten nach der Wirtschaftslage und den Perspektiven in der von der UN verwalteten Provinz.

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Joachim Rücker konstatiert positive VeränderungenBild: UN

DW-RADIO/Albanisch: Die ökonomische Krise im Kosovo und die hohe Arbeitslosigkeit sind ein zentrales Problem. Sie leiten seit kurzem den Bereich Wirtschaft bei der UNMIK. Was sind die Eckpfeiler Ihrer Politik, um hier Fortschritte zu erzielen?

Joachim Rücker: Vielleicht muss man doch noch mal an diese dreifache Herausforderung auch erinnern hier im Hinblick auf den Kosovo: Es ist eine Transformationsökonomie, die von einer sozialistischen kommunistischen Wirtschaft hingeht zu einer Marktwirtschaft, die von einer Kriegswirtschaft hingeht zu einer Wirtschaft im Frieden und ohne Gewalt, und schließlich die dritte Herausforderung ist der fehlende Status, der völkerrechtliche Status und das ist natürlich schon sehr schwierig als Ausgangslage.

Vor diesem Hintergrund allerdings denke ich, gibt es in letzter Zeit einige positive Zeichen: Die Privatisierung der Unternehmen kommt wieder voran, die Inkorporierung der großen öffentlichen Unternehmen nimmt Gestalt an. Es gibt vor allem auch gewisse Anzeichen, dass die wirtschaftliche Aktivität zunimmt. Wir hatten zuletzt 3,5 Prozent Wachstum, was natürlich wahnsinnig wenig ist, wenn man überlegt, wie hoch die Arbeitslosigkeit ist, wie viele junge Leute auf den Arbeitsmarkt drängen. Jetzt sieht es so aus, als ob wir doch eine wesentlich höhere Wachstumsrate erwarten können in diesem Jahr.

Was die Eigentums-Frage angeht: Da scheint eine große Verwirrung zu bestehen. Es gibt zum Teil auch verschiedene Ansprüche aus verschiedenen Zeiten. Welche Kriterien gelten?

Wenn man vom institutions-ökonomischen Ansatz kommt und weiß, dass eigentlich Wirtschaft immer etwas mit Eigentumsrechten und Vertragsrechten zu tun hat, dann müsste man eigentlich verzweifeln im Kosovo. Es ist wirklich sehr schwierig. Auf der anderen Seite ist es so, dass wir die Konstruktion der Treuhand-Anstalt haben, wo wir die ehemals sozialistischen Unternehmen zusammengefasst haben unter einem Dach. Das der Treuhand-Anstalt zugrunde liegende Gesetz sieht vor, dass die Eigentumsfrage parallel oder später geklärt werden kann. Das heißt, wir können das Unternehmen x y verkaufen und können die Eigentumsfrage parallel oder später klären. Es gibt ein paar Zweifelsfälle, wo tatsächlich der Rechtsstatus noch etwas unklarer ist als in anderen. Und wir sind im Moment dabei, uns in New York von der UN eine Änderung unserer gesetzlichen Grundlagen genehmigen zu lassen, womit wir noch klarer in einigen Fällen einfach enteignen können, die Unternehmen auf den Markt bringen, privatisieren können. Natürlich, völlig klar ist, dass wir gleichzeitig oder später die Eigentumsfrage sorgfältig klären müssen. Die Erlöse aus diesen Verkäufen gehen auf ein Treuhandkonto und gehen natürlich später an die Eigentümer oder den Eigentümer, wenn sie identifiziert sind.

Wo bleibt das Geld aus den Verkäufen?



20 Prozent der Erlöse aus diesen Verkäufen der Unternehmen sind für die Arbeiter denen das Unternehmen gehörte, reserviert, - und die kriegen die auch. Das war ja das jugoslawische Modell des Sozialismus, wo die Unternehmen der Arbeiterschaft gehörten und 20 Prozent der Erlöse gehen auf jeden Fall an die Arbeiterschaft.

Ein wichtiger Faktor sind die Investitionen, die ausländischen Direktinvestitionen. Da hapert es ja auch noch aufgrund der schwierigen Rechtslage?

Natürlich ist es ein bisschen schwieriger mit einer völkerrechtlich ungelösten Statusfrage hier, aber auf der anderen Seite haben wir sehr viele Regelungen, die fremde Investitionen möglich machen. Es gibt vor allem ein Investitionsschutz-Gesetz, das all die üblichen Rechtsstandards bietet, also Schutz vor Enteignungen, Gewinntransfer usw. Es gibt auch bilaterale Investitionsschutz-Abkommen. Es gibt die grundsätzliche Bereitschaft der Weltbank und anderer, mit Absicherungen zu arbeiten, so dass im Grunde genommen die Voraussetzungen für ausländische Direktinvestitionen da sind. Und wir sagen, es ist sehr wichtig, dass Investoren jetzt kommen und nicht erst, wenn dann jeder kommt. Weil im Kosovo durchaus erhebliche komparative Vorteile in bestimmten Sektoren bestehen.

Was wird getan oder sollte getan werden, um Kosovo für Investoren attraktiv zu machen. In anderen Ländern gibt es beispielsweise Agenturen, die dies zum Ziel haben?



Also es wird hier auch eine Investitionsförderungsagentur geben, die die Regierung aufstellt. Es ist Teil der Dinge, die wir unter der sogenannten Standard-Implementierung gemeinsam angehen, die die Regierung angeht, aber mit Unterstützung von UNMIK. Ansonsten werden wir das Netzwerk bilateraler Investitionsschutzabkommen noch breiter machen müssen und im Übrigen für den Standort werben und vor allem auf die komparative Vorteile hinweisen: Die sind vor allem im Energiebereich und Bergbau.

Bergbau und Energie, das sind zwei Bereiche, die auch ganz stark mit der Region zu tun haben. Wie ist da die Perspektive? Was ist geplant, um die regionale Kooperation etwa mit Serbien, Mazedonien und Bosnien zu Gunsten einer wirtschaftlichen Entwicklung zu verbessern? Ein Freihandelsabkommen besteht zurzeit nur mit Albanien.



Nun, die Perspektive dieser bilateralen Freihandelsabkommen, die zum Teil schon existieren, zum Teil in Verhandlung sind, ist natürlich die, eine regionale Freihandelszone zu schaffen genau so, wie es auch von der EU inspiriert, vom Stabilitätspakt inspiriert ist, einen regionalen Energiemarkt geben soll. Die regionale Kooperation ist sehr wichtig. Kosovo für sich allein genommen ist natürlich ein zu kleiner Platz. Und ich komme noch mal darauf zu sprechen, dass Kosovo eben auch etwas anzubieten hat für potentiellen Export in die Region - so bald es richtig aufgestellt ist: Und das ist vor allem im Bereich Energie und Bergbau. Im Bereich Energie es ist durchaus vorstellbar, dass Kosovo Netto-Exporteur von Strom wird.

In Gesprächen mit Kosovaren gewinnt man den Eindruck, dass die Menschen meinen, mit der Lösung der Statusfrage würden auch alle anderen Probleme gelöst. Dabei warnen Experten häufig davor, dass dann erst die wahren Probleme sichtbar und die ökonomischen und inner-politischen Konflikte aufbrechen würden. Welches ist die Strategie der Lösung in der Abstimmung von wirtschaftlicher Entwicklung und politischer Lösung?

Also wir sagen, das ist ganz stark übrigens auch unser Mandat, dass wir unter den jetzigen Umständen versuchen müssen, so viel wie möglich zu erreichen, etwa bei der Privatisierung. Die Privatisierung dieser ehemaligen sozialistischen Unternehmen ist natürlich eine Sache, die können wir unter den jetzigen Rahmen-Bedienungen sehr wohl machen und sollten wir auch machen. Wir können auch jetzt und das tun wir ja auch, dafür werben, dass Investoren kommen im Bereich Energie und Bergbau. Da muss man nicht auf den Status warten. Insofern, wenn Sie so wollen, würde ich eine Gegen-Position einnehmen. Natürlich ist es schön, wenn die Statusfrage geklärt ist. Und sie ist hoffentlich bald geklärt. Aber wir müssen unter den gegenwärtigen Umständen ein Maximum erreichen und die Ärmel aufkrempeln. Ich glaube, das ist unser Auftrag.

Adelheid Feilcke-Tiemann, zurzeit Prishtina
DW-RADIO/Albanisch, 11.4.2005, Fokus Ost-Südost