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"Die Pressefreiheit in der Türkei ist tot"

Christian Wolf8. September 2016

Die Konfiszierung von DW-Aufnahmen durch das türkische Sportministerium schlägt hohe Wellen. Deutsche Medien befürchten eine Zensur durch die Türkei auch im Ausland. Das spiegeln die Pressestimmen.

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Presseschau
Bild: Fotolia

Die "Berliner Zeitung" ist der Meinung: "Die Pressefreiheit in der Türkei ist tot." Journalisten seien nur noch danach zu unterscheiden, "ob einer nicht mehr oder noch nicht in einer Gefängniszelle hockt". Für wen beides nicht gelte, sei kein Journalist, sondern eine "Kreatur des Autokraten Erdogan". Wenn es in einem Land gefährlich sei, die falschen Antworten zu geben, sei es um die Meinungsfreiheit schlecht bestellt. "Aber wenn die falschen Fragen genügen, sich den Zorn der Staatsmacht zuzuziehen, dann ist das Land für die Demokratie verloren."

Der Deutschlandfunk merkt an, dass der "glatte Verstoß gegen die Pressefreiheit" kein Ausrutscher sei, "denn in der Demokratie à la Erdogan wird gegen missliebige Berichterstatter hart durchgegriffen". Die Lage sei aber nicht nur in der Türkei schlecht. "Immer mehr Politiker, heißen sie Donald Trump, Wladimir Putin oder auch Frauke Petry, glauben, missliebige Fakten damit konterkarieren zu können, dass sie sie einfach für erfunden erklären, für die Lügen einer missgünstigen Presse." Und noch schlimmer sei, dass es immer mehr Menschen gebe, die darauf hereinfielen. "Wer in seiner eigenen Filterblase lebt und nur noch die Medien konsumiert, die die eigene Weltsicht spiegeln, für den ist alles andere 'Lügenpresse'."

Erdogan hat der freien Presse den Krieg erklärt", meint die "Bild"-Zeitung. Die Zensur, mit der die türkische Regierung die eigene Presse mundtot machen wolle, solle nun auch für Journalisten aus dem Ausland gelten. "Wer Journalisten das Fragen verbietet, beweist, dass er ein Feind der Demokratie ist." Deshalb müsse die Bundesregierung Staatspräsident Erdogan klarmachen, dass es ohne eine unabhängige Presse keinen Weg für die Türkei nach Europa gebe.

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" bezweifelt, dass die Stellungnahme der Bundesregierung etwas bewirkt. Dass die Pressefreiheit im In- und Ausland ein hohes und nicht zu verhandelndes Gut sei, sei gut zu wissen. "Die Frage ist nur, ob das die türkische Administration auch nur im Geringsten interessiert." Den deutschen Auslandsfunk zu brüskieren sei für sie eine der "leichteren Übungen". "Sie behält sich über das, was gesagt, geschrieben und gesendet werden darf, die 'Verfügungsgewalt' vor. Nicht nur in der Türkei."

Das türkische Vorgehen liefert nach Einschätzung der "Sächsischen Zeitung" einen weiteren Beleg dafür, dass das Land auf dem Weg zu einem autoritären Staat sei. "Dahinter steckt Methode und keine Eigenmächtigkeit eines Ministers, dem beim Umgang mit kritischen Fragen die Souveränität fehlt." Wer glaube, dass nach dem Treffen von Bundeskanzlerin Merkel mit Staatschef Erdogan am Rande des G20-Treffens im deutsch-türkischen Verhältnis wieder alles im Lot sei, müsse sich korrigieren. "Davon kann keine Rede sein."

Das "Mindener Tageblatt" weist darauf hin, dass Sportminister Akif Kilic hätte wissen müssen, dass ihn bei seinem Gesprächspartner Michel Friedmann unangenehme Fragen erwarten. "Aber nein, Kilic redet sich um Kopf und Kragen - und lässt kurzerhand das Material beschlagnahmen. Ein Anschlag auf die Pressefreiheit." Der Vorfall rufe in Erinnerung, mit welcher "Akribie und Brutalität Erdogans Regime" gegen Gegner und Kritiker vorgehe. "Der Allmachts-Wahn des Präsidenten hat auch die Regierungsmitglieder erfasst."

Akif Cagatay Kilic im DW-Interview mit Michel Friedmann (Foto: DW/M.Martin)
Akif Kilic im DW-Interview mit Michel FriedmannBild: DW/M.Martin

Die "Süddeutsche Zeitung" merkt an, dass es überhaupt ungewöhnlich sei, ein TV-Gespräch nachträglich abzunicken. Sportminister Kilic habe die Wahl: "Entweder behält er den Aufzeichnungschip und macht eine Staatsaktion daraus, oder er muss die vermeintlichen Verwerflichkeiten offenbaren, die er von sich gegeben hat."