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Nicht haltbar

22. Oktober 2009

Für die Pflegeversicherung müssen Jüngere voraussichtlich bald tiefer in die Tasche greifen. Eine private Zusatzversicherung planen mit Union und FDP genau die Parteien, die 1995 die Idee auf den Weg brachten.

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Die Hände einer Pflegerin halten die Hände einer 91-jährigen Heimbewohnerin in einem Pflegewohnheim in Berlin (Foto: dpa)
Die Pflegeversicherung: Die "fünfte Säule" der SozialversicherungBild: picture-alliance/ dpa

Für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen war die staatliche Pflegeversicherung von Anfang an ein Segen. Die Pflegeversicherung wurde zum 1. Januar 1995 mit dem Sozialgesetzbuch XI als "fünfte Säule" der Sozialversicherung - nach Krankenversicherung, Berufsunfallversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung – eingeführt. Die Träger sind die Pflegekassen, deren Aufgaben von den Krankenkassen wahrgenommen werden. Alle gesetzlich Krankenversicherten werden in die soziale Pflegeversicherung aufgenommen, auch privat Versicherte haben die Möglichkeit dazu. Damit wurde erstmals ein Versicherungsschutz für praktisch die gesamte Bevölkerung eingeführt.

Bei ihrer Einführung nahmen etwa eine Million Menschen die Leistungen der Pflegeversicherungen wahr: eine finanzielle Unterstützung, die sich an einer seitens der Kassen festgestellten Pflegestufe berechnet. Insgesamt drei Stufen gibt es, die je nach Ort der Pflege – daheim oder Heim – und Härtegrad zwischen 215 Euro und 1750 Euro im Monat für die Betroffenen bedeuten.

Erste Reform ohne langfristige Sicherheit

Portrait Norbert Blüms (Foto: AP)
Norbert Blüm (CDU) brachte die Pflegeversicherung 1995 auf den WegBild: AP

Gut zwei Millionen Menschen sind inzwischen pflegebedürftig, Tendenz steigend. Zwischen 1995 und 2007 haben sich die Ausgaben von fünf Milliarden auf 18,3 Milliarden mehr als verdreifacht. 2008 reagierte die schwarz-rote Bundesregierung auf die Entwicklung und erhöhte bei ihrer Reform der Pflegeversicherung den Beitragssatz um 0,25 Punkte auf 1,95 Prozent, für Kinderlose sogar auf 2,2 Prozent. Nach 2014 sollten die Pflegeleistungen alle drei Jahre an die Preiserhöhung angepasst werden - ein Schritt, der in den ersten zwölf Jahren der Pflegeversicherung versäumt wurde. Langfristig finanzielle Sicherheit wurde damit aber nicht geschaffen. Der entscheidenden Frage sind SPD und Union ausgewichen: Wie soll langfristig die passende Pflege für immer mehr alte Menschen finanziert werden?

Die scheidende Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt wollte die Pflegeversicherung zum Modell für eine Bürgerversicherung machen, in die alle einzahlen. Das Argument der SPD-Politikerin: Die private und die gesetzliche Pflegeversicherung erbringen dieselben Leistungen. Daher sei die Pflege geeignet, die Trennung von Privat- und Kassenpatienten aufzuheben. Zudem sei das gegenwärtige System ungerecht, so Schmidt. Die privaten Versicherungen hätten 18,5 Milliarden Euro Rücklagen, weil sie die Gesünderen und Besserverdienenden versichern, während die gesetzliche Pflegeversicherung in wenigen Jahren unterfinanziert sein wird.

Der Kreis schließt sich

Gruppenbild, Seniorentreff (Foto: BilderBox)
Deutschland wird immer älter, der Anteil Pflegebedürftiger wächstBild: BilderBox

Nun wird die Pflegeversicherung aller Voraussicht nach teilprivatisiert. Union und FDP wollen die Bürger verpflichten, neben dem Beitrag jeden Monat einige Euro extra für den Aufbau eines Kapitalstocks zu bezahlen. Das derzeit existierende Umlageverfahren soll grundsätzlich erhalten bleiben.

Bei der Opposition stoßen die schwarz-gelben Pläne auf Kritik. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach erwartet mehr Bürokratie und weniger Gerechtigkeit. Auch der Wegbereiter der Pflegeversicherung aus den eigenen Reihen, Norbert Blüm, warnt davor, die Pflegeversicherung vollständig auf Kapitaldeckung umzustellen. Als Ergänzung sei dieser Weg möglich, aber die "Grundlage der sozialen Sicherheit" könne sie nicht bieten.

So schließt sich der Kreis. Schwarz-Gelb hat die Pflegeversicherung 1995 auf einen unsicheren Weg gebracht, nun fällt denselben Parteien das Problem auf die Füße. Auch wenn die neue Regierung das Thema nicht als erstes anpacken wird – dass sie es will, hat sie mit den Koalitionsgesprächen angekündigt. Im Jahr 2030 werden über drei Millionen Menschen pflegebedürftig sein, ein wachsender Anteil bei schrumpfender Bevölkerung. Die Weichen für ihre Versorgung werden heute gestellt.

Autor: Michael Borgers (dpa, reuters, epd, kna)

Redaktion: Dеnnis Stutе