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Alte Tradition wiederbelebt

25. August 2011

Elisabeth Born denkt in Düften, genauer gesagt in Weinaromen. Die Weinkönigin der Saale-Unstrut-Region spricht gern über ihre Passion und ihre Vision - am liebsten direkt zwischen den Rebstöcken.

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Elisabeth Born, Weinkönigin der Saale-Unstrut-Region (Foto: DW)
Weinexpertin Elisabeth BornBild: DW

Der Aufenthalt im Weinberg ist für Elisabeth Born Arbeit und Vergnügen zugleich. Sie begutachtet den Fruchtstand und sucht die Rebstöcke nach möglichen Schäden ab. Dabei erzählt sie, dass sie davon träumt, einen Sauvignon blanc zu kreieren, einen trockenen Weißwein aus einer sehr alten Rebsorte, der frisch, mit eigenwilligem Fruchtaroma, nach Mineralton schmecken und mit einem speziellen Säuregehalt ausgestattet sein soll. So einer würde genau hier auf dem kargen Boden aus Muschelkalk und Buntsandstein gedeihen.

Elisabeth Born ist als Weinkönigin nicht nur Vorzeigeobjekt und Werbeträgerin der Weine von der Saale-Unstrut-Region im südlichen Sachsen-Anhalt. Die 26-Jährige hat nach vierjährigem Studium an Deutschlands einziger Weinbau-Hochschule Geisenheim das Diplom für Weinbau und Kellerwirtschaft erworben. Die Liebe zum Wein hat sie quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Familie Born baut seit fünf Generationen Wein an, nach dem Fall der Mauer, seit 1990 auf sieben Hektar Grund sogar im Haupterwerb.

Der Blick über den eigenen Weinberg hinaus

Blick vom Weinberg auf Freyburg/Unstrut (Foto: DW)
Sonniges Städtchen - Freyburg/UnstrutBild: DW

Die Winzertochter Elisabeth Born hat bei Praktika auf Weingütern in Neuseeland und Südafrika Erfahrungen gesammelt. "Wenn man einmal anfängt zu reisen, will man immer noch mehr von der Welt sehen", erklärt die Blondine ihre Leidenschaft. Als nächstes möchte die Diplom-Ingenieurin nach Kanada. "Dort entstehen wunderbare Weißweine, und das Klima ist ähnlich wie hier in Mitteldeutschland", schwärmt die Fachfrau, die sich keine schönere Arbeit vorstellen kann. Auch wenn das Geschäft unter freiem Himmel sehr wetterabhängig und daher mit Risiken verbunden sei.

Immerhin reifen die Trauben bei 1600 Sonnenstunden pro Jahr prächtig in dem Gebiet im südlichen Sachsen-Anhalt. Bei schönem Wetter gehe man in den Weinberg, hier erlebe man den Wechsel der Jahreszeiten, und den Winter verbringe man im Weinkeller, schwärmt Elisabeth Born.

Probieren und Putzen

Schloss Neuenburg Freyburg/Unstrut (Foto: DW)
Wie in der Toscana: Schloss NeuenburgBild: DW

Dort unten im Halbdunkel erfährt der Besucher, dass die Arbeit kein Zuckerschlecken ist. Denn die Kellermeisterin muss die Fässer regelmäßig reinigen. Dafür steigt Elisabeth Born durch die enge Luke in das Fassinnere, um die Wände mit Bürste und Wasser von Weinstein zu befreien. "Wenn der Kopf durchpasst, passt auch der Rest des Körpers rein", erläutert sie den staunenden Laien. Bei der Gelegenheit klärt die Winzerin über die Vorteile der Lagerung in Barrique-Fässern auf. Die Fässer aus französischer Eiche werden über offenem Feuer getoastet. Das harmonische, elegante und filigrane Holzaroma, so beschreibt es Elisabeth Born, finde sich dann nach einiger Zeit im Rotwein wieder. Die Holzfässer werden in der Regel nur dreimal verwendet. Bevor sie beginnen, muffig zu riechen, werden die Bottiche zu Blumenkübeln umfunktioniert. "Wein soll vom Holz geküsst und nicht erschlagen werden", hat Elisabeth Born eine poetische Erklärung parat.

Nahezu prosaisch dagegen reifen die Weißweine in Edelstahltanks. Sie sollen spritzig sein und frisch und jung getrunken werden. Die bei der Gärung entstehende Kohlensäure verflüchtige sich im Edelstahl nicht so wie im Holz. "Eine Holznote im Weißwein ist nicht erwünscht", fügt die Önologin hinzu, die beschwört, noch nie einen Kater vom Trinken der vielfach prämierten Saale-Unstrut-Weine bekommen zu haben.

Liebliche Landschaft, trockene Weine

Christian Kloss, Weinbauingenieur und Geschäftsführer des Landesweingutes Sachsen-Anhalt, Kloster Pforta (Foto: DW)
Zurück zu den Wurzeln: Christian KlossBild: DW

Auf einer ehemaligen Abraumhalde am Geiseltalsee, wo früher Braunkohle abgebaut wurde, wachsen heute Trauben in idealer Südhanglage. "Das tolle und die besondere Herausforderung sind, dass wir 16 verschiedene Rebsorten anbauen, wie Riesling, Silvaner und Gutedel. Wir haben für jedes Essen die passende Rebsorte", erzählt Christian Kloss voller Stolz. Er kam aus Rüdesheim im Rheingau, um im Osten Deutschlands nach den Wurzeln seiner Ahnen zu suchen.

Sein Urgroßvater hatte nämlich im benachbarten Freyburg 1856 die Sektkellerei "Rotkäppchen" gegründet. Sein Vater, Günther Kloss, muss 1944 Teile des Betriebs an die Rüstungsindustrie abtreten, was ihm nach dem Zweiten Weltkrieg zum Verhängnis wird. Denn die sowjetischen Besatzungsmächte beschuldigen Kloss unter anderem, einen Wehrwirtschaftsbetrieb betrieben zu haben. Er wird enteignet und begibt sich nach Rüdesheim am Rhein, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Die Sektkellerei an der Unstrut wird in das Volkseigentum der DDR übernommen.

Der traditionelle Weinbau hat die DDR überlebt

Historische Rotkäppchen-Kellerei und Kontorgebäude in Freyburg/Unstrut (Foto: DW)
Rotkäppchen prickelt seit 155 JahrenBild: Rotkaeppchen

Inzwischen leitet der Urenkel des Firmengründers, Christian Kloss, als Weinbauingenieur und Diplomkaufmann das größte Einzelweingut an Saale und Unstrut, Kloster Pforta, das zum Bestand des Bundeslandes Sachsen-Anhalt gehört. Bereits 1154 sollen Zisterzienser-Mönche hier in Bad Kösen Reben angepflanzt haben. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das historische Weingut ebenfalls zum "volkseigenen Betrieb" erklärt, denn in der DDR stand das Anliegen der privaten Winzer einerseits nicht im Einklang mit der Verstaatlichungspolitik des Regimes in Ostberlin. Andererseits gehörte der Weinanbau nie zu den Förderprojekten der sozialistischen Planwirtschaftler. Und die wenigen Tropfen heimischer Weine gingen meist unter der Hand weg. Es gab sogar eine Zeit, da waren die Rationen so gering, dass DDR-Bürger, die Weine an zahlungskräftige Bürger aus dem Westen abgaben, sich strafbar machten. Auch diesbezüglich hatten die Politgrößen der SED das "Weinmonopol" inne. Inzwischen haben Winzer an Saale und Unstrut mit dem Weinanbau eine Perspektive zum Leben gefunden.

Wie schnell die früheren DDR-Bürger gelernt haben, die Marktwirtschaft zu beherrschen, zeigt sich am Beispiel "Rotkäppchen". Die früheren Betriebsleiter, ausgebildet in der DDR, stiegen als Gesellschafter in das Unternehmen ein, mit großem Erfolg. Die Sektkellerei im idyllischen Weinstädtchen Freyburg ist nach einer Durststrecke zum Marktführer avanciert und hat, ganz nebenbei, die West-Kellereien "Mumm" und "Geldermann" übernommen.

Autorin: Karin Jäger
Redaktion: Pia Gram