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Die NATO will mit dem Bären tanzen

Barbara Wesel 2. Dezember 2015

Die NATO verärgert Moskau mit ihrem Aufnahmeangebot an den kleinen Balkanstaat Montenegro. Gleichzeitig streckt man die Hand aus, und will den Dialog im NATO-Russlandrat wieder beleben.

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Belgien Nato-Außenministertreffen Beitritt Montenegro (C) Reuters/J. Thys
Die Verteidigungsministerin von Montenegro Milica Pejanovic , der Außenminister Igor Luksic und NATO-Generalsekretär Jens StoltenbergBild: Reuters/J. Thys

"Das ist der Beginn eines wunderbaren Bündnisses", schwärmte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, als er den Außenminister des Zwergstaates Montenegro im Kreise der NATO-Mitgliedsländer als nächstes Mitglied in spe begrüßte. Außenminister Igor Luksic wurde von seinen künftigen Kollegen sogar mit Beifall begrüßt. Sechzehn Jahre nachdem NATO-Bomben auf das damals noch zu Jugoslawien gehörende Balkanland gefallen waren, macht die Allianz mit dem Aufnahmeangebot eine trotzige Geste in Richtung Russland.

Erweiterung der NATO nach Osten

Die Einladung an Montenegro "geht Moskau nichts an", erklärte der NATO-Generalsekretär dazu, "und richtet sich gegen niemanden". Diplomaten allerdings deuten den Schritt durchaus als Geste: Man wolle zeigen, dass der Kreml kein Veto bei den Beitrittsentscheidungen des Verteidigungsbündnisses habe. Mit dem Angebot an Montenegro erweitert die NATO ihre Mitglieder aus dem früheren Machtbereich Moskaus in Südosteuropa. In ersten russischen Reaktionen war auch von einem "ernsthaften Schlag durch den Euro-Atlantischen Block" die Rede. Konkret wird der Beitritt Montenegros frühestens beim NATO-Gipfel im kommenden Juli: Bis dahin müssten noch Reformen in der Justiz und bei der Korruptionsbekämpfung voran getrieben werden.

Wenig Bewegung gibt es dagegen im Beitrittsprozess für Georgien. Die Grundsätze der NATO verbieten die Aufnahme eines Landes, das ungeklärte Gebietsstreitigkeiten hat. Einmal mehr forderten die NATO-Außenminister den Abzug Russlands aus den georgischen Separatisten-Regionen Abchasien und Südossetien. Solange diese "Frozen Conflicts" jedoch nicht gelöst sind, verzögert das Bündnis weitere Schritte in Richtung Tiflis.

Montenegro Graffiti in Podgorica DW, Nemanja Rujević
Der NATO-Beitritt spaltet Montenegro politischBild: DW/N. Rujević

Dialog mit Russland wieder beleben

"Es gibt absolut keinen Widerspruch zwischen einer starken Verteidigung und politischem Dialog", erklärte Generalsekretär Stoltenberg auf die Frage, warum das Bündnis wegen Montenegro neuen Streit mit Moskau riskiert und andererseits die Gespräche im NATO-Russland-Rat wieder aufnehmen will. Sie waren seit der Ukraine-Krise im Sommer vergangenen Jahres ausgesetzt worden. Besonders Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier macht sich dafür stark, "dass vermutlich Treffen auf der Ebene der Botschafter demnächst wieder möglich gemacht werden". Zwar sei der Waffenstillstandsprozess in der Ostukraine nach wie vor schwierig, aber bei den Wiener Verhandlungen über eine politische Lösung des Syrien-Konfliktes verhalte sich Russland konstruktiv. Manche Vertreter aus Osteuropa warnen dagegen vor einer zu schnellen Rückkehr zu "Business as usual" mit Russland, solange der Ukraine-Konflikt weiter schwelt.

Mehr Information über militärische Pläne

Steinmeier wünscht vor allem einen Austausch über Militärübungen in Osteuropa. Gerade in schwierigen Zeiten dürfe man die Beziehungen nicht völlig kappen, argumentiert der Bundesaußenminister. Das unterstützt auch der NATO-Generalsekretär: "Ich werde prüfen, ob man den NATO-Russland-Rat als Werkzeug für ein politisches Engagement" nutzen könne. Stoltenberg erwähnt dabei den Abschuss eines russischen Flugzeuges an der türkisch-syrischen Grenze in der vergangenen Woche, um für mehr Transparenz zu plädieren. Ein solcher Dialog diene der Verringerung von Risiken, könne Missverständnisse und Fehlkalkulationen ausschließen sowie verhindern, dass Vorfälle außer Kontrolle geraten. Zwar hat die NATO ihrem Mitglied Türkei versprochen, die Luftabwehr an der türkisch-syrischen Grenze zu verstärken, andererseits löste der Vorfall bei den Partnern Nervosität aus.

USA suchen weiter Hilfe gegen IS

Nach der Ankündigung des US-Verteidigungsministeriums, man werde im Irak amerikanische Spezialkräfte gegen die Terrormilizen des "Islamischen Staates" (IS) einsetzen, bat US-Außenminister John Kerry in Brüssel um mehr Unterstützung der NATO-Partner. "Es gibt unterschiedliche Arten, wie Länder einen Beitrag leisten können, es müssen nicht unbedingt Truppen sein", erläuterte er. Länder könnten auch durch Polizeitraining, die Lieferung von Munition und andere Maßnahmen helfen. Gleichzeitig begrüßte Kerry das russische Engagement im Syrien-Prozess, denn "solange sie sich auf den IS konzentrieren und bei der Umsetzung der Genfer Vereinbarungen mitarbeiten, können sie ein konstruktiver und wichtiger Mitspieler (...) bei der Suche nach einer Lösung sein".

Österreich vor Syrien-Konferenz in Wien Lawrow und Kerry BRENDAN SMIALOWSKI/AFP/Getty Images)
Soll die russische Rolle im Syrien-Konflikt honoriert werden?Bild: Getty Images/AFP/B. Smialowski

Darüber hinaus gab Kerry bekannt, dass die Türkei bereit sei, die Grenze zu Syrien in dem vom IS dominerten Abschnitt völlig abzuriegeln: "Es ist auch im Interesse der Türkei, die Bewegung von illegal transportiertem Öl oder den Übergang ausländischer Kämpfer in die eine oder andere Richtung zu verhindern". Die türkische Regierung weist seit langem Vorwürfe zurück, sie dulde den illegalen Verkauf von Öl durch den IS an die Nachbarregionen. Diese Verkäufe gelten als eine der wesentlichen Finanzquellen der Terrormilizen.

Verlängerung des Afghanistan Einsatzes

Die NATO wird bis 2016 durch rund 12.000 Soldaten weiterhin in Afghanistan präsent sein. Der Beschluss gilt als Reaktion auf die verschlechterte Sicherheitslage im Land. Auch aus eigenem Interesse dürfe "Afghanistan nicht wieder zum Zufluchtsort für internationale Terroristen werden", begründete der NATO-Generalsekretär die Verlängerung des Einsatzes. Allerdings soll es keine Rückkehr zu einem Kampfeinsatz geben, sondern weiter die afghanischen Sicherheitskräfte aufgebaut und gestärkt werden. Gleichzeitig wurde in Brüssel der Hut herum gereicht: Die NATO-Partner sollen das fehlende Geld für die Finanzierung der afghanischen Armee bis zum Jahr 2020 aufbringen. Sie kostet jährlich rund fünf Milliarden Dollar, wobei der größte Teil von den USA getragen wird.