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NATO will schlau sparen

Bernd Riegert18. April 2012

Weniger Geld in der Kasse zwingt die NATO-Militärs zu neuen Konzepten. Mit "smart defence" wollen die 28 Mitgliedsstaaten sparen. Nicht jeder soll mehr alles können, beschlossen die Verteidigungsminister in Brüssel.

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NATO-Verteidigungsminister treffen sich in Brüssel (Foto: REUTERS/Yves Herman)
Bild: Reuters

In den nächsten Jahren werden die Ausgaben der NATO-Staaten für Verteidigung wahrscheinlich nach Schätzungen der Europäischen Rüstungsagentur weiter sinken, bestenfalls stagnieren. Die Finanz- und Schuldenkrise hat die Armeen erreicht. Das ist den versammelten Verteidigungsministern und Außenministern in Brüssel während ihrer Frühjahrstagung klar. Der amerikanische Verteidigungsminister Leon Panetta wird nicht müde, von den europäischen Verbündeten mehr Anstrengungen zu fordern. Allein die USA wollen in den nächsten zehn Jahren 490 Milliarden US-Dollar einsparen. Das weniger werdende Geld müsse intelligenter ausgegeben werden, sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen und nennt diesen Ansatz "smart defence", also frei übersetzt "schlaue Verteidigung".

Rasmussen sagte in Brüssel, es eröffne sich durch den Sparzwang eine Chance zu einer Kultur der besseren Kooperation. "Wir müssen die richtigen Prioritäten setzen. Wir müssen uns spezialisieren und darauf konzentrieren, was wir am besten können und am dringlichsten brauchen", so Rasmussen im Kreis der Verteidigungsminister. NATO-Mitglieder, die sich bestimmte Waffen oder Einheiten nicht alleine leisten könnten, müssten sich zusammenschließen. Bestes Beispiel aus Sicht der NATO ist dafür die gemeinsame Kontrolle des Luftraums über den drei baltischen Staaten durch andere NATO-Mitglieder. Seit 2004 wird der Luftraum Lettlands zum Beispiel abwechselnd von der deutschen und der norwegischen Luftwaffe gesichert. Die baltischen Staaten können sich eigene Abfangjäger nicht leisten.

NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen (Foto: REUTERS/Yves Herman)
NATO-Generalsekretär Anders Fogh RasmussenBild: Reuters

Smarte Luftraumsicherung

"Ich glaube, es geht hier um die wirtschaftliche Verhältnismäßigkeit. Wenn eine Nation bestimmte Fähigkeiten nicht hat, dann gibt es eben andere Nationen, die uns helfen. Das ist wichtig", erklärte der Stabschef der lettischen Luftwaffe, Jucius Antanas, auf der NATO-Webseite. Der Staatssekretär des lettischen Verteidigungsministeriums, Janis Sarts, rechnet vor, dass Lettland durch den Verzicht auf eigene Abfangjäger das Geld für Spezialkräfte und Sprengstoffspezialisten übrig hat, die in Afghanistan eingesetzt würden. "Wir erhöhen unsere Kooperationsfähigkeit und haben gleichzeitig Kräfte frei, die wir für NATO-Operationen einsetzen können", sagte Janis Sarts in einer Presseerklärung der NATO. Die Sicherung des Luftraums übernimmt die NATO auch über Luxemburg, Island und Slowenien. Solche Kooperationen sollen in Zukunft ausgeweitet werden, kündigte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen an.

Milliarden für Überwachungsdrohnen

Die Planungsexperten der Militärallianz haben eine Liste mit 160 Projekten ausgearbeitet, bei denen kostensparende Kooperationen möglich wären. Umgesetzt werden wahrscheinlich 20 bis 30 solcher Projekte. Vielen Nationen fällt es nach wie vor schwer, auf militärische Souveränität und bestimmte Truppengattungen zu verzichten, beobachten NATO-Diplomaten. Deutschland unterhält zum Bespiel kein eigenes Kommando für Lufttransporte mehr. Die Bundeswehr hat diese Dienstleistung auf die niederländische Armee in Eindhoven verlagert. Die drei größten Projekte der "smart defence" sollen in den nächsten Jahren neben der gemeinsamen Sicherung des Luftraums die gemeinsame Raketenabwehr und ein Aufklärungssystem werden. Das Aufklärungssystem zur Überwachung von Truppenbewegungen auf feindlichem Gebiet soll aus einigen unbemannten Flugzeugen von der Größe eines Jumbo-Jets bestehen. Diese Flugzeuge sollen ferngesteuert von Italien aus weltweit zur Aufklärung eingesetzt werden. "Das wird sicherlich eine Generation dauern, bis das tatsächlich einsatzbereit ist", meinte ein NATO-Diplomat in Brüssel. Alleine könnte kein NATO-Staat die fälligen fünf Milliarden Euro an Investitionen schultern.

Unbemannte Drohne vom Typ Heron1 (Foto: Archiv)
Teure Einsätze: Unbemannte DrohneBild: picture alliance / dpa

USA fordern mehr von den Europäern

US-Verteidigungsminister Leon Panetta forderte die europäischen Verbündeten auf, sich mehrere und vor allem die "richtigen" Fähigkeiten zuzulegen. Das Konzept "smart defence" dürfe keine Ausrede sind, die Verteidigungshaushalte noch weiter sinken zu lassen, mahnte Panetta schon bei der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar. In Brüssel zeigte sich Panetta bei der NATO-Tagung ganz zufrieden. Die NATO sei auf dem richtigen Weg. Bei der heutigen Kriegsführung seien die Europäer ohne die USA nicht handlungsfähig. Sie verfügten weder über Marschflugkörper noch über ferngesteuerte Drohnen, um  Aufständische zu bekämpfen. Einige NATO-Staaten, darunter Deutschland, wollen deshalb jetzt Geld zusammenlegen und fünf Drohnen anschaffen.

Verteidigungsminister de Maizière und sein ungarischer Amtskollege (Foto: EPA/OLIVIER HOSLET)
Verteidigungsminister de Maizière (li.): Sparen durch KooperationBild: picture-alliance/dpa

Die europäischen Verteidigungsminister hatten im März im Rahmen der Europäischen Union vereinbart, gemeinsam Flugzeuge zur Betankung von Kampfflugzeugen in der Luft anzuschaffen. In diesem Bereich sind die europäischen Verbündeten von den USA abhängig. Da die USA sich aber laut ihrer neuen Militärstrategie mehr auf Asien konzentrieren werden, sehen die Europäer einen Nachholbedarf.

Gemeinsam üben und ausbilden

NATO-Generalsekretär Rasmussen kündigte an, dass künftig die Truppen der NATO-Staaten bei Übungen und bei der Ausbildung besser vernetzt werden sollen. Die Fähigkeit zusammen zu arbeiten, soll ausgebaut werden. Erfahrungen aus dem gemeinsamen Afghanistaneinsatz sollten zur Verbesserung der Ausbildung führen. Beim Einsatz gegen Libyen vor einem Jahr hatten die NATO-Soldaten festgestellt, dass französische Munition nicht von dänischen Flugzeugen verschossen werden kann. Solche Mängel sollen abgestellt werden, heißt es im NATO-Konzept zur besseren Verknüpfung der Truppen. Außerdem solle über die Verteidigungshaushalte der 28 Mitgliedsstaaten gesprochen werden, bevor diese von den nationalen Parlamenten beschlossen würden.

Startschuss in Chicago

Beim Gipfel-Treffen der NATO in Chicago am 20. und 21. Mai soll die NATO laut Rasmussen fit gemacht werden, nicht nur für "heute, sondern für das Jahr 2020 und darüber hinaus." Einige erfahrene NATO-Diplomaten schränken aber ein, die "smart defence"-Initiative, die in Chicago offiziell abgesegnet werden soll, enthalte auch viele alte Pläne. Da werde alter Wein in neuen Schläuchen verkauft.

Den größten Spareffekt versprechen sich die USA und die übrigen NATO-Verbündeten vom Abzug aus Afghanistan. Nach 2014 werden zwar jährlich rund 4,1 Milliarden US-Dollar für die afghanischen Streitkräfte fällig, aber das ist nur eine kleiner Teil von der Summe, die heute 49 Staaten für ihre Truppen am Hindukusch aufwenden. "Ich glaube, es ist ganz einfach zu zeigen, dass es ein gutes Geschäft ist, die afghanischen Truppen zu finanzieren. Es ist einfach billiger, afghanische Truppen zu bezahlen als fremde Truppen in Afghanistan zu stationieren", sagte NATO-Generalsekretär Rasmussen in Brüssel.