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Die Nachwuchserfinder

27. April 2010

Der Jugend fehle Bildung, Fleiß und Disziplin, viele Lehrstellenbewerber seien gar nicht ausbildungsfähig, klagt die Wirtschaft. Dabei wird guter Nachwuchs dringend gebraucht. Ein Alarmsignal - oder täuscht der Eindruck?

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Johannes, Martin und Florian arbeiten in der Garage an ihrer nächsten Erfindung. (Foto: Catrin Möderler)
Junge Erfinder: Johannes, Martin und FlorianBild: Catrin Möderler

Ein sonniger Tag in der Eifel. Eine Region, in der andere Leute Urlaub machen. In einer zur Werkstatt umgebauten Garage wird gerechnet, gezeichnet, geschraubt und gelötet. Johannes, Florian, und Martin sind Nachwuchserfinder. Sie arbeiten an ihrem neuesten Produkt. Johannes Büttner ist zwölf Jahre alt, sein Bruder Florian Büttner ist dreizehn. Martin Hüttnau ist mit vierzehn Jahren der Älteste. Statt vor der Spielekonsole, dem Computer oder dem Fernseher verbringen die Jugendlichen ihre Freizeit in der Erfinderwerkstatt.

Ihr Ehrgeiz: Probleme sehen, Probleme vorgelegt bekommen und überlegen, was erfunden werden muss, um das Problem aus der Welt zu schaffen. So entstand zum Beispiel aus Segeltuch, Frottee, biegsamen Kunststoffröhren und Klettband eine Kühlmanschette für stark belastete Gliedmaßen. Sie kann in der Human- und in der Veterinärmedizin eingesetzt werden.

Auf die Idee, sich um Kühlungsmöglichkeiten für menschliche oder tierische Extremitäten zu kümmern, hatte die Jugendlichen ein Bekannter gebracht: Der Pferdebesitzer hatte den Kühlungsbedarf der empfindlichen Sprunggelenke seiner Tiere beschrieben und die Jungerfinder um Lösungen gebeten. Ihre ebenso einfache wie wirkungsvolle Erfindung erhielt aus dem Stand höchste Auszeichnungen auf internationalen Messen, z. B. eine Goldmedaille auf der internationalen Erfindermesse iENA in Nürnberg. Inzwischen ist das Produkt serienreif.

Preisgekrönte Erfindung: Die Kühlmanschette. (Foto: Catrin Möderler)
Preisgekrönt: Die KühlmanschetteBild: Catrin Möderler

Jugendliche leisten so viel wie Erwachsene

Angeleitet werden die Jugendlichen von Erfinderclubleiter Friedhelm Limbeck. Der Maschinenbauingenieur mit abgeschlossenem Kunststudium ist selber erfolgreicher Erfinder. "Das Eifel-Genie" hat ihn eine deutsche Boulevardzeitung bereits genannt. Selbst Großprojekte wie ein mobiler Hubschrauberlandeplatz werden von den Jugendlichen unter seiner Aufsicht zur Serienreife gebracht. Noch immer klingt Stolz in seiner Stimme mit, wenn er den Entwicklungsprozess beschreibt: "Also, wir haben zuerst den Hubschrauberlandeplatz mit Erwachsenen durchgesprochen. Was kann man machen? Und das Ergebnis hatte ich im Kopf. Und dann habe ich das den Kindern gegeben. Und am Ende war es genau das selbe Ergebnis, wie von 12 Erwachsenen!"

Die Pläne für den mobilen Hubschrauberlandeplatz. (Foto: Catrin Möderler)
Die Pläne für den mobilen Hubschrauberlandeplatz.Bild: Catrin Möderler

Etwa 130 Erfinderclubs sind in Deutschland aktiv. Allein der Club um Friedhelm Limbeck zählt 180 Mitglieder. Einziges Kümmernis des Clubleiters ist lediglich die Tatsache, dass nur drei Frauen zu den Mitgliedern gehören. Dabei würden weibliche Interessentinnen ganz besonders gerne gesehen und ihnen buchstäblich "der roten Teppich ausgerollt". Aber es wird unverdrossen an einer Erhöhung der Frauenquote gearbetet. Besonders viel Energie investiert Limbeck in die Kinder- und Jugendarbeit. Entsprechend kreativ und professionell sind die Erfindungen, die die Jugendlichen entwickeln:

Der 13-jährige Florian Büttner erklärt, dass er sogar schon mal in die Trickkiste der Tiefenpsychologie greift. Sein erstes Projekt sei eine Werbetafel mit hoher Werbewirksamkeit durch psychologische Beeinflussungen gewesen. Entwickelt hätte er eine Tafel mit Reklame, die ungefähr im Pulsschlag eine schwangeren Mutter blinkte. Denn der Mensch kenne immer noch im Unterbewusstsein diesen Pulsschlag und das beruhige ihn. Und wenn er dann die Tafel sähe, werde er automatisch ruhig und aufmerksam und lese die Reklame.

Man weiß, dass man ordentlich was geleistet hat!

Erfinderclubleiter Friedhelm Limbeck glaubt an die Innovationskraft des Nachwuchses. Schwierigkeiten, mit denen Erfindungen zu kämpfen haben, sind seiner Ansicht nach oftmals künstlich gemacht. Er sagt wörtlich: "Die Qualitäten sind nach wie vor sehr hoch. Das sehen wir an den Messen, das sehen wir an den Patentanmeldungen. Wenn Erfindungen, die gemacht worden sind in Deutschland, nicht verkauft werden, so liegt das wahrscheinlich an der Mentalität einiger oder der meisten Firmenchefs, die sagen, wir entwickeln selber, wir kaufen nichts dazu."

Friedhelm Limbeck mit seinen Nachwuchserfindern. (Foto: Catrin Möderler)
Friedhelm Limbeck mit seinen Nachwuchserfindern.Bild: Catrin Möderler

Die jugendlichen Nachwuchserfinder Johannes und Florian haben Druck von außen bereits kennengelernt. Unter ihren Schulkameraden steht "Erfinden" nämlich nicht allzu hoch im Kurs. Johannes beklagt, seine Mitschüler dächten oft, dass sie auch erfinden könnten, was er erfindet. Oder dass es seine Erfindungen sowieso schon gäbe. Seinen Bruder Florian kränkt es ebenfalls, dass seine Lieblingsbeschäftigung, das Erfinden, von seinen Klassenkameraden ziemlich kritisch und negativ bewertet wird. Aber abhalten lässt er sich nicht. Denn: "Schließlich weiß man ja selber, dass man da ordentlich was geleistet hat!" Und mit etwas Glück werden Martin, Johannes und Florian auch bei der nächsten Erfindermesse wieder mit einer hohen Auszeichnung für ihre Mühe belohnt.

Autorin: Catrin Möderler
Redaktion: Hartmut Lüning