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Unberechenbarer Wähler

25. Juni 2010

Im US-Bundesstaat South Carolina wird der republikanische Senator Jim DeMint bei den Kongresswahlen im November wohl sein Amt verteidigen. Denn wie sein demokratischer Herausforderer gewählt wurde, ist ein großes Rätsel.

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Grafik der DW-Rubrik Fernschreiber aus Washington, im Hintergrund das Weiße Haus (Foto: DW)
Bild: DW

Der Mann heißt Alvin Greene, ist 32 Jahre alt und arbeitslos. Er hat in der Armee gedient und außerdem läuft gegen ihn ein Strafverfahren wegen obszönem Verhaltens. Er soll einer Minderjährigen pornografische Fotos gezeigt haben. Derzeit ist Greene allerdings in politischer Mission unterwegs. Wobei "unterwegs" eigentlich nicht die korrekte Bezeichnung ist. Denn Wahlkampf hat er nicht betrieben. Er hat nicht mit den Wählerinnen und Wählern gesprochen, keine Plakate geklebt oder Diskussionsrunden besucht. Und dennoch ist er jetzt der offizielle Kandidat der Demokraten um den Senatssitz von South Carolina.

Wie es dazu kommen konnte, darüber wird in den Medien heftig spekuliert. Vielleicht, so lautet eine Theorie, haben die Republikaner den Schwarzen unterstützt, damit Amtsinhaber Jim DeMint mit Sicherheit wiedergewählt wird. Das wäre nicht das erste Mal. 1990 hat ein Berater der Republikaner einen arbeitslosen schwarzen Fischer dafür bezahlt, für den Posten des stellvertretenden Gouverneurs zu kandidieren. Das Ziel: Unter weißen Wähler Angst zu schüren und sie dem - natürlich weißen - Kandidaten der Republikaner zuzutreiben. Denn, dass South Carolina einen Kandidaten mit schwarzer Hautfarbe wählt, ist eher unwahrscheinlich.

Simple Erklärung?

Christina Bergmann DW-Studio Washington (Foto: DW)
Christina Bergmann, DW-Korrespondentin in Washington

Für die Verschwörungstheorie spricht, dass nicht ganz klar ist, woher ein arbeitsloser Ex-Soldat 10.400 Dollar hatte, um seine Kandidatur zu bezahlen. Er sagt, er habe sie von seinem Militärgehalt gespart. Möglich ist auch, dass die Wahlmaschinen nicht funktioniert haben. Wer Greene bei seinen jüngsten Fernsehauftritten beobachtet hat - denn natürlich wurde er nach Bekanntgabe des Ergebnisses in den Medien herumgereicht und genüsslich auseinandergenommen - kann sich jedenfalls kaum vorstellen, dass er seine Anhänger mit politischem Sachverstand, Charisma oder rhetorischen Finessen überzeugt hat.

Nein, eine andere Theorie ist ebenso ungeheuerlich wie wahrscheinlich. Denn die Kandidaten werden nicht, wie zum Beispiel in Deutschland, von der Partei aufgestellt, sondern öffentlich gewählt. Die Washington Post zitiert nun Wähler Ronnie Morris: "Ich bin vor dem Mittagessen wählen gegangen. Sein Name stand ganz oben auf der Liste. Da habe ich für ihn gestimmt." Erst als er Greenes Bild in den Nachrichten sah, im Zusammenhang mit der Sex-Geschichte, so Morris, sei ihm klar geworden, wen er gewählt hat. "Ach du lieber Gott", habe er da gedacht. Und Morris war nicht der einzige, auch wenn nicht jeder so offen über seine Wahlentscheidung Auskunft gibt.

Greene gegen DeMint

Damit ist klar: Wer sich um ein politisches Amt bewirbt, kann sich teure Wahlkampfteams, Fernsehspots und Reisen sparen. Eine Namensänderung genügt: Anna Abt würde sich anbieten, oder Anton Abel. Politstrategen raufen sich vermutlich auch die Haare, wenn sie hören, warum die 35-jährige LaToya Thompson für Greene gestimmt hat: "Weil er den gleichen Nachnamen hat wie ein Freund von mir", sagt sie. Doch gleichgültig, was der Grund für Alvin Greenes Wahlerfolg war: Er bleibt trotz aller Kontroversen der offizielle Kandidat für den Senatssitz von South Carolina und wird gegen Amtsinhaber DeMint antreten. Das hat das entsprechende Komitee der Demokraten in dem Bundesstaat beschlossen. Und das ist auch gut so. Schließlich haben 103.362 Wählerinnen und Wähler Alvin Greene ihre Stimme gegeben.

Autor: Christina Bergmann
Redaktion: Nicole Scherschun