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"Die militärische Option ist noch immer auf dem Tisch"

Das Gespräch führte Michael Knigge 3. April 2006

Gespräch mit John Hulsman, Europa-Experte der konservativen Heritage-Foundation in Washington D.C., über den Atomstreit mit dem Iran und die Handlungsalternativen des Westens.

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John C. HulsmanBild: Heritage Foundation

DW-WORLD.DE: Wie ist Ihre Einschätzung der Lage im Atomstreit mit dem Iran?

John Hulsman: Ehrlicherweise erinnert sie mich an nichts weniger als die Kuba-Krise. Es gibt nur zwei Optionen - und beide sind schlecht. Invasion ist keine Option, denn die amerikanischen Truppen sind überstrapaziert. Die Nationalgarde ist durch den Irak fast dezimiert worden. Daher ist eine Invasion in den Iran, der viel größer ist als der Irak, keine realistische Alternative.

Also haben wir zwei schreckliche Möglichkeiten. Eine Möglichkeit ist, nichts zu tun. Das Problem damit ist, dass es dann ohne Zweifel im Nahen Osten zu einem Rüstungswettlauf mit nuklearen Waffen kommen würde, und man sehen würde, dass der Nicht-Verbreitungsvertrag jetzt wirklich und ernsthaft tot ist. Denn dann hätte man eine Situation, in der mindestens die Türkei, Ägypten und Saudi-Arabien, wenn nicht noch Syrien und andere Länder, versuchen würden, an die Atombombe zu kommen. Und Israel würde diesen Staaten nicht vertrauen, mit der Bombe verantwortungsbewusst umzugehen. Also könnten wir in naher Zukunft eine nukleare Konfrontation im Nahen Osten erleben.

Iran Atomanlage in Isfahan Uran
Im Iran gäbe es noch viele unbekannte Atomanlagen, meint HulsmanBild: AP

Die andere Möglichkeit ist natürlich die strategische Bombardierung. Das Problem ist, dass es im Iran 200 bekannte Nuklearanlagen gibt, im Vergleich zu einer Einzigen, die es im Irak auf dem Plateau gab, und die perfekt zu bombardieren war. Und niemand weiß, wie viele wir noch nicht kennen. Wie wir im Irak gesehen haben, ist der amerikanische Geheimdienst – zurückhaltend formuliert - nicht immer sehr genau informiert. Die iranischen Anlagen sind unterirdisch und haben ihre Kapazität verdoppelt. Das heißt, auch wenn wir einige davon treffen, wird deren Arbeit trotzdem weitergehen. Und die Iraner haben ihr eigenes Volk als menschliche Schutzschilder benutzt. Denn einige dieser Anlagen liegen in dicht bevölkerten Gegenden. Deshalb würde es viele Tote geben, egal wie gut unser Militär ist. BBC und CNN würden jeden einzelnen Tag über eine signifikante Zahl von Toten berichten, und das würde jegliche Demokratie-Bewegung in der Region zerstören, und alle Regime im Nahen Osten, die als pro-westlich gelten - Ägypten, Jordanien, Oman, Marokko, Pakistan und Saudi-Arabien - würden als Werkzeug des amerikanischen Imperialismus gesehen und wären in ernsthaft gefährdet. Der Nutznießer davon wäre der radikale Islam.

Es gibt als zwei schreckliche Szenarien die vor uns liegen, wenn wir nicht zu einer Lösung in der Krise kommen.

Was muss also getan werden?

Alles was wir tun können. Ich denke man erkennt - hoffentlich - in Washington einen neuen Realismus. "Auf nach Teheran" hören wir nicht mehr so oft, nicht einmal von Neo-Konservativen wie Paul Wolfowitz und Richard Perle. Eine Sache, die man tun muss, ist, die Kalkulation der Iraner zu ändern. Das heißt nicht, dass die Iraner nicht so weitermachen werden wie bisher. Wir könnten mit solch einer Möglichkeit konfrontiert sein; aber dann wissen wir wenigstens, dass wir alles Mögliche getan haben, um den Konflikt zu vermeiden, und dass wir die westliche Allianz zusammengehalten haben. Die Leute in Westeuropa können sehen, dass Amerika alles getan hat, um den Konflikt friedlich zu lösen. Und das ist in unserem Interesse, sowohl im ethischen als auch im praktischen. Beide gehören oft zusammen.

Die USA sollten dem Iran „Zuckerstücke“ anbieten, falls die Iraner an den Tisch zurückkehren. Das heißt, wenn die Iraner sagen würden: "Wir streben keinen geschlossenen Nuklear-Kreislauf an und werden echte Überprüfungen unserer Anlagen erlauben" - was die USA und die EU wollen - dann sollten die USA mit dem Iran einen Nichtangriffspakt aushandeln, wie es auch mit Nordkorea geschieht. Auch mögliche Handelsvereinbarungen sollten auf die Tagesordnung gesetzt werden. Denken Sie daran, dass es im Iran eine ganze Generation von Menschen gibt, die Arbeit suchen. Amerikanische Investitionen wären da sehr willkommen. Mittelfristig sollte man dann sogar über diplomatische Beziehungen nachdenken.

Wenn die Iraner allerdings nicht verhandeln wollen, dann müssen auch die Europäer ernst machen. Wir müssen über Handelnsverbote für nukleares Material sprechen und über Sanktionen. Wir müssen auf eine kohärente Weise zusammenarbeiten - nur so können wir die Kalkulation der Mullahs ändern.

Was ist dann Ihre Prognose für die Zukunft? Wie wird es ausgehen?

UN Sicherheitsrat zu Iran
Der UN-SicherheitsratBild: AP

Ich denke, der Iran wird versuchen, die Allianz zu sprengen. Er hat Interesse am russischen Kompromissvorschlag gezeigt; aber er ist daran nicht wirklich interessiert, sondern will nur die westliche Welt auseinander bringen. Das würde ich als iranischer Außenminister auch machen. Bis jetzt ist der Westen darauf noch nicht reingefallen.

Im Zusammenhang mit dem Sicherheitsrat mache ich mir große Sorgen über China, mehr noch als über Russland. China hat noch nie gegen irgendetwas im Alleingang ein Veto eingelegt, aber das Land hat Gas-Verträge im Wert von Milliarden von Dollar mit dem Iran. Daher kann ich mir einfach nicht vorstellen, dass China da mitziehen würde. Ich würde trotzdem eine Abstimmung erzwingen. Ich würde den Westen, insbesondere alle Europäer, zwingen einzusehen, dass Russland und China ganz und gar nicht verantwortungsbewusst handeln. Statt dass die Amerikaner wieder als die Schuldigen dastehen, würde ich wollen, dass die Russen und die Chinesen als die Schuldigen gebrandmarkt werden, was auch zutrifft. Danach wären die EU-3 und den USA wieder am Zug, einen gemeinsamen Deal auszuarbeiten. Mit Sicherheit wären Sanktionen und Verbote auf die eine oder andere Weise Teil dieses Deals. Und darauf wird man sich relativ leicht verständigen können. Danach wäre die Frage, wie lange wir das Programm ohne militärische Mittel laufen lassen. Das weiß ich nicht. Aber gibt es am Ende der Straße eine militärische Option? Absolut. Die Uhr läuft, und ich denke, die militärische Option ist noch immer auf dem Tisch.