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"Die Menschen wurden weggedrückt"

Das Interview führte Constantin Schreiber31. August 2005

DW-Korrespondentin Dunia al-Baghdadi berichtet vom Ort des Geschehens in Bagdad.

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DW-WORLD.DE: Wie ist die momentane Situation in Bagdad?

Dunia al-Baghdadi: Die Straßen sind voller Menschen, die umherlaufen. Hier gibt es kein Durchkommen. Menschen, Schiiten stürmen herbei, um nach Verwandten und Freunden zu suchen. Sie ziehen Opfer aus dem Wasser, viele sind schwer zugerichtet. Man sieht weinende Frauen und Kinder, die schreien.

Können die Sicherheitskräfte die Lage unter Kontrolle bringen?

Die irakische Polizei versucht, mit mehreren Dutzend Wagen durchzukommen, Krankenwagen und Ärzte schaffen es aber nicht, bis zu der Stelle durchzudringen. Andere Sicherheitskräfte waren lange nicht zu sehen. Erst jetzt kommt auch Unterstützung durch die Hilfskräfte der Besatzungstruppen.

Was könnte dieses Unglück bewirken?

Schon vorher hatte sich die Lage verschlimmert, mit neuen Anschlägen auf bestimme religiöse Stätten. Dabei hofften die Menschen nach der Verabschiedung der Verfassung auf eine Besserung der Lage im Irak. Das allgemeine Gefühl ist das Gegenteil. Und dieses Unglück ist eine sehr sensible Sache, weil wohl alle Opfer Anhänger der Schia sind, also nur einer religiösen Gruppe. Viele hier haben Angst, dass diese Tatsache die Spannungen noch verstärken könnte.

Es gibt unterschiedliche Angaben über die Zahl der Opfer. Haben Sie schon Näheres erfahren können?

Man kann bisher kaum überblicken, wie viele Menschen Opfer geworden sind. Aber ich bin mir sicher, es sind hunderte. Es waren so viele Menschen auf dem Wege zu einer schiitischen religiösen Veranstaltung, dass die hohen Opferzahlen absolut realistisch sind. Vielleicht sind es noch mehr als 300 oder 500. Das ist noch nicht abzusehen.

Was wissen Sie über den Hergang?

Es war eigentlich ein festlicher Anlass, die Menschen auf dem Weg zu einer Feier. Dann plötzlich war es so, dass offenbar Panik ausbrach. Die Lage ist schon sehr angespannt, nach den neuesten Anschlägen und so ergriff die Panik die ganze Menschenmenge. Eine Brücke war von den Menschen voll und als sie anfingen zu laufen, fielen viele zu Boden und wurden verletzt und getötet. Als dann noch die Befestigung nachgab, stürzten die Menschen von der Brücke. Sie versuchten, sich an den Rändern festzuhalten, aber die meisten rutschten ab. Manche wurden auch weggedrückt.

Wie ist die Lage in den Krankenhäusern?

Ich war eben in dem Kadhimiy-Krankenhaus hier in Bagdad, wo viele der Verletzten versorgt werden. Die Ärzte und Helfer sind noch immer vollkommen überfordert, angesichts der Zahl an Verwundeten. Für eine solche Katastrophe fehlt das Personal und auch die Ausrüstung. Die Menschen werden von ihren Freunden und Verwandten dorthin gebracht. Viele müssen lange warten, bis sich überhaupt jemand um sie kümmert. Dabei handelt es sich häufig um junge Menschen mit schwersten Verletzungen. Das Ausmaß übersteigt die Vorstellungskräfte."

Dunia al-Baghdadi ist Korrespondentin von DW-RADIO Arabisch in Bagdad.