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"Die Menschen brauchen eine positive Perspektive"

26. Januar 2004

Eine Woche reiste Bundeskanzler Gerhard Schröder durch Afrika. Seine Eindrücke von Afrika und seine Haltung zur Afrikapolitik erläutert er in einem exklusiven Interview mit DW-TV.

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Gerhard Schröder in Addis AbabaBild: AP

DW-TV: Herr Bundeskanzler, was war Ihr stärkstes Erlebnis auf ihrer Reise, was hat Sie am meisten beeindruckt?

Bundeskanzler Gerhard Schröder: "Die Stimmung von Aufbruch, die sich mir vermittelt hat, politisch, wirtschaftlich. Aber natürlich war das berührendste Erlebnis, die Kinder, die in der evangelischen Schule in Äthiopien, in Ades Abeba, unterrichtet worden sind von Menschen, die sich unglaublich engagiert haben für die ärmsten der Armen. Das war schon berührend, in einer solchen Situation feststellen zu können, dass es Menschen gibt, die wirklich mitleiden. Aber nicht nur mitleiden, sondern daraus auch Kraft entwickeln etwas für die Menschen zu tun."

Sind Sie zufrieden mit den bisherigen Ergebnissen ihres Besuches?

Ich glaube, das kann man. Es ist, so denke ich, deutlich geworden, dass Deutschland sich vor allen Dingen dort engagieren wird und will, wo es das gibt, was man "good governance" nennt. Also wo der Versuch gemacht wird, auf eigene Füße zu kommen, was wir gerne unterstützen, wo Rechtstaatlichkeit, wo Demokratie durchgesetzt wird und wo der Versuch gemacht wird, regionale Zusammenschlüsse hin zu bekommen, die ja zu mehr wirtschaftlichen Austausch in der Region führen und uns die Möglichkeit geben auf größer gewordenen Märkten uns zu engagieren.

Afrika wird gerne der "vergessene" Kontinent genannt. Für die deutsche Politik gilt das offensichtlich nicht: Bald nach Ihnen wird auch der Bundespräsident hierher reisen. Woher kommt dieses plötzliche deutsche Interesse an Afrika?

Es gibt eine Kontinuität in der deutschen Afrikapolitik seit wir es machen. Der Außenminister war hier, die Entwicklungshilfe-Ministerin war mehrfach hier. Wir versuchen hin zu bekommen, dass es lohnt, sich selber zu helfen, weil dann auch von anderen geholfen wird. Im Übrigen, der Grund ist sehr einfach: Wir haben ein eigenes Interesse daran, dass mehr Stabilität in diesen Kontinent kommt, ein eigenes auch sicherheitspolitisches Interesse. Die Bekämpfung internationalen Terrorismus wird nur gelingen, wenn es in Afrika gelingt, den Menschen eine positive Perspektive zu geben, eine die Leben manchmal auch nur Überleben ermöglicht.

Das ist eine ganz neue Dimension der Afrika-Politik. Früher war Afrika-Politik ausschließlich Entwicklungshilfe. Nun kommt die Sicherheitspolitik hinzu ...

Es kommt die Sicherheitspolitik dazu, es kommt wirtschaftliche Zusammenarbeit hinzu, das ist ein riesiger Markt, potenziell - noch nicht so, wie wir es gewöhnt sind aus Nordamerika, aus Asien oder gar aus Europa. Das ist nicht der Punkt, aber ich denke, man darf die Potenziale nicht klein reden, die es hier gibt. Ökonomisch, was die Rohstoffe angeht, aber auch was die Bereitschaft von Menschen angeht, sich ins Zeug zu legen für die eigene Sache. Und ich finde wir haben ein wirklich unmittelbares Interesse daran, da mit zu machen.

Nennen wir es einmal "das gewachsene Interesse an Afrika". Sehen Sie da einen Zusammenhang zu Diskussionen in Deutschland um unsere koloniale Vergangenheit?

Nicht vordergründig, aber natürlich wissen wir darum. Wir haben es etwas leichter, weil die zwar auch sehr sehr schwarze Seiten, sehr negative Seiten, ohne Zweifel, wenn sie an die Hereros denken, an andere, keine Frage. Aber ich denke, das ist emotional überwunden, auch im Bewusstsein der Menschen, mit denen ich hier geredet habe. Gleichwohl ein Teil unserer - die sollen wir nicht verdrängen und auch nicht vergessen - aber es ist nicht der unmittelbare Antrieb für eine vernunftgeleitete Afrikapolitik. Die hat mehr zu tun mit Gegenwart, vor allem auch mit Zukunft, denn das dieser Kontinent Zukunft haben muss und wie sich zeigt auch hat, das kann doch keine Frage sein.

Wie werden in Afrika denn unsere Probleme wahrgenommen? Zum Beispiel der europäische Verfassungsstreit oder der Umbau der Sozialsysteme. Interessiert das überhaupt?

Ich habe gut informierte Kollegen getroffen und mit ihnen geredet, auch über die europäischen Fragen, die die sie genannt haben. Natürlich angesichts der Problemlagen, wie sie hier existieren, sind das interessante internationale Fragen, aus dieser Sicht. Was mir auffällt ist nur, wir diskutieren schon manchmal Probleme auf sehr hohem Niveau. Und viele meiner Kollegen haben mir gesagt, wenn ich eure Probleme hätte, ginge es mir gut.