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Die Macht des Materials

2. Juli 2009

Ultraleichte Bahnfahrräder, Schwimmanzüge, die einer zweiten Haut gleichen oder Hightech-Bobs – hartes Training allein reicht heute nicht mehr aus, um erfolgreich zu sein.

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Ein Bob rast eine Eisbahn herunter
Im Bob-Sport entscheidet oft das Material über Sieg und NiederlageBild: AP

Die Bedeutung von Werkstoffen und Materialien im Spitzensport ist groß. "Wenn die Leistungsfähigkeit der Athleten gleich ist, dann gewinnt der mit dem besten Material", erklärt Harald Schaale, Direktor vom Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) in Berlin, die pragmatische Firmenphilosophie.

Spitzensport durch Spitzentechnik

Abbildung verscheidener Sportler, die nebeneinander stehen (Foto: Benjamin Wüst)
"Individuell" heißt das Schlüsselwort in der Sportgerät-ForschungBild: Benjamin Wüst

Wer Höchstleistungen erbringen will, ist in vielen Sportarten auf Hightech und Computertechnik angewiesen. Ob Kleidung, Schuhe oder Geräte – das Material wird immer besser. Schaale und sein Team forschen an der Perfektionierung von zehn Sportarten. Kanu, Rudern, Schwimmen, Leichtathletik, Radsport und Segeln im Sommer sowie Skeleton, Rodeln, Bob und Eisschnelllauf im Winter.

"Die Abhängigkeit vom Material ist in den Sportarten, in denen man sich unbedingt auf die Funktionalität der Technik verlassen muss, höher als zum Beispiel in der Leichtathletik, wo man durch systematisches Arbeiten am Material, selbst wenn es der Turnschuh ist, nicht so große Vorteile herausholen kann, wie beim Rodelschlitten oder beim Bobsport", sagt Schaale.

Bild des Materialforschers Harald Schaale (Foto: picture-alliance)
Materialforscher SchaaleBild: picture-alliance / Fredrik von Erichsen

Am deutlichsten sichtbar wird die Macht des Materials in den Sportarten, in denen die Beziehung Mensch und Material sehr eng ist. So steckt das größte technische Know-how in der Formel 1. Das technisch anspruchsvollste Projekt der Berliner Forscher ist der Bob- und Rodelsport. Die technische Entwicklung funktioniert nicht isoliert, sondern Hand in Hand mit der Trainings- und Ernährungswissenschaft sowie in Gesprächen mit dem Sportler selbst und seinem Trainer. Bevor beispielsweise ein neuer Rodelschlitten entworfen wird, gilt es Fragen zu klären: Was funktioniert schon gut, was muss besser werden? Gemeinsam werden dann Ziele festgelegt. "Eigentlich ist es eine physikalische Analyse. Man versucht herauszukriegen, welche Kräfte das System bremsen und dann versucht man, diese bremsenden Kräfte zu minimieren."

Ist der Fortschritt Materialdoping?

Besonders profitiert von der technischen Entwicklung haben neben den Leistungssportlern auch Behinderte. Sie treiben Sport auf dem Handbike oder können sich mit computergesteuerten Kniegelenksprothesen, dem so genannten C-Leg, fortbewegen.

Modelle von Ski- und Schwimmanzügen (Foto: Benjamin Wüst)
Ob Ski- oder Schwimmanzug, die richtige Kleidung machtsBild: DW/Wüst

Es gibt aber auch Kritik: Längst gibt es einen Wettkampf parallel zum eigentlichen Sport: Wer baut den besten Bob? Wer entwickelt den schnellsten Schlittschuh? Wer den besten Schwimmanzug? Kritiker sprechen gar von Materialdoping. Zu Unrecht, findet Harald Schaale: "Doping ist ja ein völlig negativ besetzter Begriff. Es würde voraussetzen, dass im technischen Bereich Dinge gemacht werden, die verboten sind. Also wir halten uns klar an die Regelwerke und ein Sportgerät dopen, würde ja bedeuten, etwas Verbotenes zu tun und das machen wir nicht."

"Man kann das immer weitertreiben"

Die Rekorde purzeln weiter. Mensch und Material ergänzen sich immer besser, aber wann hört der Sport auf Sport zu sein? Wann ist der Sport nur noch Technik? "Ich denke diesen Punkt gibt es nicht. Die Technik ist Ausdruck menschlicher Entwicklung. Man kann das immer weiter treiben, aber die Grundvoraussetzung ist immer, dass ein Mensch dahinter steckt. Er muss das System beherrschen. Wenn er es nicht mehr beherrscht, nutzt es ihm nichts, dann kann er es nicht verwenden und hat keinen Erfolg." Es wird also weiter geforscht, stets auf der Suche nach neuen Materialien und Techniken, die Sportler noch schneller machen. Aber es gibt Grenzen – zumindest für Harald Schaale: "Immer dann, wenn Leben in Gefahr kommt. Wenn die Technik so weit getrieben wird, dass das Risiko für Leib und Leben zunimmt, dann muss man einfach darüber nachdenken, ganz klare Regeln zu schaffen."

Windschnittiges Zeitfahrrad (Foto: Benjamin Wüst)
Windschnittiges ZeitfahrradBild: DW/Wüst

Autor: Benjamin Wüst

Redaktion: Wolfgang van Kann