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Ungeliebte Linkspartei

15. Juli 2010

Die Linke wird von den etablierten Parteien in Deutschland noch immer mit spitzen Fingern angefasst. Woher kommen die Berührungsängste?

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Fahne mit der Aufschrift "die Linke" (Bild: ap)
Bild: AP

Die Geschichte der heutigen Linken hat 1949 begonnen. Ihre Wurzeln hat die Partei in der ehemaligen DDR. 40 Jahre lang war die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, die SED, regierende Partei in der DDR. Nach dem Mauerfall 1989 bekam sie einen anderen Namen: PDS - Partei des demokratischen Sozialismus. Im neuen, wiedervereinigten Deutschland war die PDS im Westen verpönt. Hier glaubte man, dass nach dem Untergang der DDR niemand mehr etwas von Nachfolgeorganisationen der SED wissen wollte.

Doch diese Rechnung ging nicht auf. In den neuen Bundesländern schienen viele Menschen noch an den Idealen des Sozialismus zu hängen und wählten die PDS regelmäßig in Gemeinderäte und Landesparlamente. So etablierte sich die Linkspartei in den folgenden Jahren und es war nicht selten, dass sie bei Wahlen bis zu 30 Prozent der Stimmen bekam.

Links bekommt Zuwachs

Oskar Lafontaine (Bild: dpa)
Oskar Lafontaine hat sich inzwischen aus gesundheitlichen Gründen aus der Bundespolitik zurückgezogenBild: dpa

Im Westen, wo die PDS bei Wahlen immer weit unter der Fünfprozenthürde geblieben war, bildete sich 2004 eine zweite große linksgerichtete Gruppe und nannte sich WASG - Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit. Eine der Hauptfiguren war der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat und spätere Minister Oskar Lafontaine. Aus Protest gegen die Sozialpolitik der damaligen Regierung Schröder und als Zeichen gegen deren Agenda 2010, die in den Augen vieler als unsozial galt, gab Lafontaine sein SPD-Parteibuch ab und wurde Spitzenkandidat der WASG. Er trieb schließlich auch die Fusion mit der PDS voran, die sich inzwischen den Namen "Linkspartei.PDS" gegeben hatte.

Delegierte der neuen Partei "Die Linke" stimmen in Berlin auf dem Gründungsparteitag der Partei über das Präsidium ab (Foto: dpa)
2007: Abstimmung auf dem Gründungsparteitag in BerlinBild: PA/dpa

Am 16. Juni 2007 war es dann soweit. Auf einem Gründungsparteitag in Berlin wurde der Zusammenschluss von WASG und Linkspartei.PDS mit einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen beschlossene Sache. Von nun an nannte man sich ganz einfach: Die Linke. Damit reihte man sich auch ins gängige europäische Parteienspektrum ein.

Störenfriede

Nun, da die Linke sich gesammelt hatte und bundesweit agieren konnte, mussten sich die sogenannten etablierten Parteien, die CDU/CSU, die SPD, die Grünen und die FDP mit dieser neuen Kraft ernsthaft auseinandersetzen. Und das fällt bis heute keiner dieser Parteien leicht.

Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor Gysi (Foto: ap)
Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Gregor GysiBild: AP

Denn immer noch lastet der Ruf als Nachfolgepartei der SED, die ein unmenschliches Regime in der ehemaligen DDR vertrat, schwer auf den Linken. Die mangelnde Distanz zum DDR-Regime stößt nicht nur Politikern übel auf. Auch die Stasi-Vergangenheit vieler Linken-Politiker wirft kein gutes Licht auf die Partei. Der SPD-Politiker Stephan Hilsberg fasste in Worte, was viele Zeugen und Opfer bis heute empfinden: "Es ist unerträglich, wie nach wie vor diese Partei und insbesondere ihr Frontmann Gregor Gysi versuchen uns zu belügen, zu betrügen und die Öffentlichkeit zu täuschen," sagte Hilsberg vor dem Stasi-Untersuchungsausschuss im Mai 2008. Es sei nicht nur für die Opfer unerträglich sondern für jeden, der dieses Schicksal mitgemacht hat.

Gerechtigkeit für alle - aber wie denn?

Parteipolitisch gibt es kaum einen Punkt, der bei den anderen Parteien auf Zustimmung stößt. Am Gründungstag im Juni 2007 verkündete Oskar Lafontaine: "Freiheit durch Sozialismus - das ist die Formel, hinter der wir uns nun versammeln!"

Wahlplakat der Linken zur Europawahl: "Konsequent sozial" (Bild: dpa)
Europawahl 2009Bild: picture alliance/dpa

Doch hinter dieser Formel verbirgt sich - und das ist die Kritik der Gegner - nichts anderes als das permanente Schüren der sogenannten Neid-Debatte in Deutschland. Immer wieder wird die Sozialkeule geschwungen: Reiche werden Reicher, Arme werden ärmer, wird lamentiert, und einfache Sprüche wie "Gerechtigkeit für alle" zeigen die erwünschte Wirkung: Ja, eigentlich haben die ja recht. Haben sie auch in vielen Ansätzen, das sagen auch Experten, aber die Dinge sind nicht zu Ende gedacht, sind in der komplizierten politischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland nicht eben mal so umzusetzen. Polemik allein reicht nicht als Wahlprogramm; Sprüche, die zuweilen sogar an kommunistische Wahlkampfparolen erinnern, möchte man in Deutschland nicht mehr hören, so die Argumente der Gegner.

Zusammenarbeit ist trotzdem möglich

Dennoch kann linke Politik funktionieren - zum Beispiel auf kommunaler Ebene. Da geht es schließlich um Sachfragen, die keine parteipolitischen Grundsätze berühren. Beschlüsse über Radwege und Schulsanierungen setzen keine lange inhaltliche Debatte voraus. Da sei es auch keine Sünde, wenn Christdemokraten und Linke gemeinsam arbeiten, sagte sogar Sachsen-Anhalts Ministerpräsident, der CDU-Politiker Wolfgang Böhmer. Und so gibt es in vielen Stadt- und Gemeinderäten in ganz Deutschland linke Regierungsbeteiligung.

Auch auf Landesebene regiert die Linke mit. Nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen verkündete der damalige Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch: "Wir sind jetzt in 13 Landtagen vertreten, in genau so vielen Landtagen wie die Grünen, und da können wir stolz drauf sein, dass wir in diesen Jahren ein solches Ergebnis erreicht haben."

Regierungsverantwortung - aktiv und passiv

Die ersten Annäherungen auf Landesebene gab es bereits im Jahr 1994: In Sachsen-Anhalt entstand das sogenannte Magdeburger Modell: SPD und Grüne bildeten eine Minderheitsregierung, die von der PDS toleriert wurde.

Die erste waschechte rot-rote Koalition aus SPD und Linkspartei entstand 1998 in Mecklenburg-Vorpommern. Der Rest der Republik schrie Zeter und Mordio, trotzdem setzte sich der SPD-Politiker Harald Ringstorff durch und blieb acht Jahre lang Ministerpräsident einer rot-roten Koalition.

Klaus Wowereit und Gregor Gysi (Foto: ap)
Gregor Gysi (links) war mal Wirtschaftssenator in Berlin - Klaus Wowereit ist dort Regierender BürgermeisterBild: AP

Zurzeit haben zwei Bundesländer eine rot-rote Regierung: Unter Berlins regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit arbeiten Linke und Sozialdemokraten seit 2002 zusammen. Und seit 2009 wird Brandenburg von einem rot-roten Bündnis regiert - Ministerpräsident ist der Sozialdemokrat Matthias Platzeck. Rot-Rot-Grün wurde mehrfach erwogen, ist aber bisher immer gescheitert.

Erst die Städte, dann die Landtage und dann?

Bundespolitisch ist eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei nicht in Sicht. Im Regierungsviertel lässt man von den Linken tunlichst die Finger, hält aber anderswo die Augen offen: Wie kann man die Links-Wähler auf seine Seite ziehen? Der CDU-Politiker Wolfgang Böhmer sagte in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung": "Diese Menschen erreicht man nicht durch eine Dämonisierung der Linkspartei. Dass man potentielle Sympathisanten der Linken davon abhält sie zu wählen, indem man sie beschimpft - das ist nicht aufgegangen."

Mehrere Möglichkeiten gibt es, die Wähler der Linken von ihrer Überzeugung abzubringen: Argumentation ernst nehmen und die linken Ideen zu Ende denken - oft stellt sich das Ergebnis als ernüchternd raus. Eine andere Möglichkeit sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel: Man müsse "klar und geradlinig für notwendige Veränderungen in Deutschland werben", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Bundestagswahljahr 2009, nur so könne man Protestwähler wieder zurück ins Boot holen.

Doch wenn die zurzeit in Berlin regierende schwarz-gelbe Koalition weiter so unbefriedigende Ergebnisse liefert wie bisher - dann stärkt sie der Linken den Rücken. Warten wir die nächsten Bundestagswahlen ab.

Autorin: Silke Wünsch
Redaktion: Kay-Alexander Scholz