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Die Liebe gefunden, den deutschen Pass verloren

Mona Naggar4. Oktober 2012

Böse Überraschung: Deutsche Frauen im Libanon wollten sich ihr Leben erleichtern, nahmen die libanesische Staatsbürgerschaft an. Was sie nicht wussten: Sie verloren dadurch ihren deutschen Pass.

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Das Symbolbild zeigt zwei Ehehringe auf zwei Pässe, darunter ein deutscher. (Foto: Oliver Berg dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Erika H. ist gebürtige Deutsche und seit vielen Jahren mit einem Libanesen verheiratet. Das Ehepaar hat sich in Deutschland kennengelernt und geheiratet. Vor sechs Jahren zog Erika H. in den Libanon. Über ihren Mann bekam sie die libanesische Staatsbürgerschaft.

Der Besitz eines libanesischen Passes bringt viele Erleichterungen mit sich. Eine immer wieder zu beantragende befristete Aufenthaltserlaubnis entfällt, ebenso eine kostspielige Arbeitserlaubnis. Auch sind Frauen dann erbberechtigt und nach dem Tod des Ehemannes haben sie Anspruch auf eine monatliche Rente. Beim libanesischen Passamt weist niemand Erika H. und ihren Ehemann daraufhin, dass sie mit ihrer Unterschrift unter dem Antrag ihre deutsche Staatsangehörigkeit verliert. Erika H. vertraut ihrem Mann und unterschreibt.

Als Erika H. in der deutschen Botschaft in Beirut Reisepässe für ihre Kinder beantragen will, erlebt sie eine böse Überraschung. Denn im Familienstammbuch ihres Mannes, das sie in der Botschaft vorlegen muss, ist sie als Libanesin eingetragen. Die Botschaftsbeamtin fragt nach einer Beibehaltungsurkunde: "Da stand ich vor dem Schalter und sagte: 'Was ist das?' Da sagte die Frau: 'Weil Sie keine Beibehaltungsurkunde haben, müssen wir Ihren Pass einziehen'". Nun ist Erika H. ausschließlich Libanesin. Dabei fühle sie sich gar nicht als Libanesin und spreche noch nicht mal Arabisch.

Vom Vaterland verstoßen

Nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz verliert ein Deutscher seine Staatsangehörigkeit mit dem Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit. Ausnahmen gibt es nur, wenn ein Beibehaltungsantrag gestellt und genehmigt wird.

Die 50-jährige Erika H. kann nicht verstehen, dass sie für einen Fehler, von dem sie nichts wusste, so schwer bestraft wird. Sie fühlt sich von ihrem Vaterland verstoßen, ohnmächtig, als hätte jemand ihr über Nacht ihre Identität gestohlen. Für sie bedeutet der deutsche Pass im Libanon auch Schutz: "Man lebt in einem Land, in dem es gewaltsame Konflikte gibt, in dem Frauen nicht die Freiheit genießen, die sie in Deutschland haben." Im Fall einer Trennung wäre ihr der Rückweg nach Deutschland versperrt: "Man ist völlig verloren. Man kann sich nicht wieder aufrappeln, man geht unter."

Europäer in der libanesischen Hauptstadt Beirut (Foto: Dareen Al Omari / DW)
Europäer gehören in der libanesischen Hauptstadt Beirut zum StraßenbildBild: Al Omari / DW

Kein Einzelfall

Erika H. befindet sich nun in der absurden Situation, dass ihr libanesischstämmiger Ehemann und ihre Kinder Deutsche sind, sie aber für die Einreise in ihre Heimat ein Visum benötigt. Sie hat zwei erwachsene deutsche Kinder aus erster Ehe in Deutschland. Dort leben ihre Mutter und ihre Geschwister und sie hat Anspruch auf eine kleine Rente. Erika H. stellte beim Bundesverwaltungsamt einen Antrag auf Wiedereinbürgerung. Er wurde abgelehnt. Begründung: Sie könne aufgrund ihrer mangelnden Berufsausbildung in Deutschland nicht selbst für ihren Unterhalt aufkommen.

Erika H. Ist kein Einzelfall. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes gibt es zwar keine genauen Angaben über die Zahl der betroffen Frauen im Libanon. Aber die Evangelische Gemeinde in Beirut kennt mehrere deutsche Frauen, die mit Libanesen verheiratet sind oder waren und Ähnliches erlebt haben. Alle Frauen wussten nicht, dass sie vor dem Erwerb der libanesischen Staatsbürgerschaft einen Beibehaltungsantrag stellen müssen, damit sie ihren deutschen Pass behalten können. 

Hilfe für die Frauen

Bei allen Frauen lehnte das Bundesverwaltungsamt den Antrag auf Wiedereinbürgerung ab. Manchmal mit nur schwer nachvollziehbaren Begründungen, wie bei einer ursprünglich deutschen über 80-jährigen Frau, bei der nach der Argumentation des Bundesverwaltungsamtes kein öffentliches staatliches Interesse an ihrer Wiedereinbürgerung bestehe. Das Amt riet ihr, zwei bis drei Jahre wieder in Deutschland zu leben, dann hätte ihr Antrag Aussicht auf Erfolg. Da die Frau unter gesundheitlichen Problemen leidet, kommt das für sie nicht in Frage.

Um diesen Frauen zu helfen, starteten die Evangelische Gemeinde von Beirut und die Vereinigung deutschsprachiger Frauen im Libanon eine Initiative. Mit Hilfe der Evangelischen Kirche in Deutschland, des Auslandsbischofs und des Beauftragten der Kirche bei der Bundesregierung versuchen sie, beim Bundesverwaltungsamt anzusetzen. Chris Lange, Vorsitzende des Sozialausschusses der Evangelischen Gemeinde Beirut, hofft, dass dieser gemeinsame Vorstoß das Bundesverwaltungsamt dazu bewegen kann, in seiner Praxis offener für Einzelfälle zu werden. Die Initiative aus Beirut will erreichen, dass Frauen wie Erika H. die deutsche Staatsangehörigkeit zurückbekommen.