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Putzfrau der Internet-Ära

Nemanja Rujevic29. Januar 2015

Jeder achte Haushalt in Deutschland bestellt regelmäßig Putzhilfe - meistens läuft das schwarz. Startups haben den riesigen Markt seit einiger Zeit für sich entdeckt. Kann das die Schwarzarbeit eindämmen?

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Symbolbild Hausarbeit
Bild: picture-alliance/dpa

Schwarz arbeiten in Deutschland

"Du bist kein Lappen" - mit diesem Slogan wirbt Helpling, eine Start-up-Firma, die Reinigungskräfte vermittelt. Die Konkurrenten auf dem deutschen Markt heißen nicht weniger neumodisch: Book a Tiger, Homejoy, Clean Agent… Die Portale dieser Unternehmen zeigen fast ausnahmslos lächelnde junge Männer und Frauen mit farbigen Wischmopps und WC-Bürsten. Was wohl heißen soll: Freude am Putzen. Für die Kunden soll es reibungslos und günstig laufen. Anschrift, Wohnungsgröße und Wunschzeit online angeben, selbst "kein Lappen" sein und schließlich 20 Prozent der Kosten über der Steuererklärung zurückbekommen.

Gut für den Fiskus?

Verena ist für Helpling meistens im Norden von Berlin unterwegs - überall dort, wo sie mit ihrem Fahrrad hinkommt, sagt die 57-jährige und lächelt dabei. "Ich habe kein Auto, bin da also sehr genügsam." Seit Jahren putzt sie Wohnungen - immer legal und mit Rechnung. Doch erst mit der Vermittlung von Helpling bekam sie auch genug Aufträge. Sie kommen immer per E-Mail - wenn sich Verena innerhalb von 24 Stunden zurückmeldet, bekommt sie auch den Auftrag. Zehn bis zwölf Euro bekommt sie pro Stunde, knapp drei weitere gehen an die Firma. Beim neu eingeführten Mindestlohn von 8,50 Euro hört sich der Stundenverdienst im Putzsektor beinahe üppig an. "Das ist ein anständiger Lohn für meine Arbeit", sagt Verena. "Ich konnte sogar meine Söhne an Weihnachten beschenken."

Start-up Firma Helpling
Bild: Helpling

Nicht nur Verenas Söhne konnten sich freuen. Auch der deutsche Fiskus profitiert von der Putzkräfte-Vermittlung. Schätzungen zufolge fließt jeder siebte Euro in Deutschland an der Steuerbehörde vorbei. Als riesiger Schattenwirtschaftsmarkt gelten die Dienstleistungen in Privathaushalten wie Babysitten, Handwerksleistungen und eben Putzen. Das Bundesfamilienministerium schätzt, dass nur jede zehnte Reinigungskraft angemeldet sei. Die Start-up-Firmen hoffen, potenziell bis zu 355.000 reguläre Stellen für sich entdeckt zu haben. "Der Reinigungsmarkt in Deutschland ist ein kaputter und intransparenter Markt", kommentiert der Helpling-Mitgründer Benedikt Franke gegenüber DW. "Unser Ziel ist es, den Markt zu professionalisieren und zu legalisieren."

Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin teilt die Begeisterung nicht. "Durch Dienstleistungsagenturen dürfte Schwarzarbeit kaum vermindert werden", sagt der Arbeitsmarktexperte im DW-Gespräch. "Denn zum einen wollen manche Arbeitskräfte sich nicht legalisieren lassen, zum anderen nehmen Vermittler relativ hohe Preise. Aus denselben Gründen werden wohl kaum zusätzliche Arbeitsplätze entstehen." Bremke sieht die gesetzlichen Möglichkeiten im Kampf gegen Schattenwirtschaft für weitgehend erschöpft - Schwarzarbeit lasse sich einfach nicht völlig abschaffen.

Start-up Firma Helpling
Bild: Helpling

"Manchen genügt der Fünfer"

Kritiker stellen auch die Qualität der Beschäftigung bei den Putzkräfte-Vermittlern in Frage. Denn die Start-ups bieten keine sozialversichungspflichtigen Jobs - Helplings und Tigers müssen als Selbständige selbst für ihre Renten- und Sozialversicherung auskommen, einen bezahlten Urlaub gibt es auch nicht. Deswegen kursierte eine Zeit lang im Familienministerium der Gedanke, eine eigene Vermittlungsplattform für Haushaltshilfen zu gründen. Ulrich Walwei von dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hält von dieser Idee nichts. "Auch der Staat könnte es nicht besser", sagte er der DW. Schwarzarbeit unterdrücken und sichere Jobs entstehen lassen, so Walwei weiter, ginge viel einfacher mit geringeren Steuern und Übernahme der Kosten der sozialen Sicherung für Kleinunternehmer.

Walwei wie Bremke sind sich einig, dass der flächendeckende Mindestlohn den legalen Arbeitsmarkt gefährden könne. "Wenn reguläre Jobs zu teuer werden, kann es durchaus sein, dass sie in die Schwarzarbeit abgleiten. Beispielsweise wird die Friseurin dann in die Wohnungen der Kunden gehen, um die Haare - schwarz - zu schneiden", meint Bremke. Walwei glaubt, dass die Effekte sich in Grenzen halten werden. Das Risiko von der zunehmenden Schattenwirtschaft bestehe primär im Osten, wo Stundenlöhne deutlich niedriger sind. Etwa ein angestellter Gebäudereiniger verdiente bisher laut Tarifvertrag 9,31 Euro im Westen, aber nur 7,96 im Osten.

"Manchen, die schwarz putzen, genügt auch der Fünfer pro Stunde", sagt Verena von Helpling. "Ich will keinen verunglimpfen, aber es sind meistens Leute, die schon durch andere Jobs abgesichert sind und nebenbei noch etwas Taschengeld verdienen möchten." Damit will Verena nichts zu tun haben - weder mit Schwarzarbeit noch mit dem Sozialamt.