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Die Klänge der Zukunft

Heiner Kiesel14. Juli 2015

Vor 20 Jahren haben Forscher des Fraunhofer Instituts die MP3 Datei erfunden und damit den globalen Musikmarkt revolutioniert. Jetzt tüfteln sie an Soundsystemen, die unser Hören verändern könnten.

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Bild: Fotolia/RTimages

In den Schranknischen, an der Wand - überall hängen Auszeichnungen, Ehrungen, Urkunden. Der Mann hat viel geleistet, unterstreicht die Einrichtung des Büros von Karlheinz Brandenburg. Der Legende nach war der Chef des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie (IDMT) in Ilmenau (Thüringen) über Jahre hinweg einer der meistgehassten Menschen der Musikindustrie. Er hat mit seinem Team maßgeblich zur Einführung des Audioformats MP3 beigetragen. "Ich habe allerdings nie persönlich jemanden getroffen, der böse auf mich war", sagt Brandenburg.

Allerdings hat er viele aus der Industrie kennengelernt, die ihn damals - als MP3 noch neu war - nicht wirklich ernst genommen haben. "Viele der Großen der Branche fanden das zwar ganz nett. Aber die sagten auch, das sei zu kompliziert für eine Anwendung." Heute ist die Musikwelt eine andere - und der deutsche Forscher Brandenburg wurde in die Internet Hall of Fame aufgenommen. "Das ist kein Grund, in Ehrfurcht zu erstarren", betont Brandenburg und schickt den unvermeidlichen Hinweis "auf das Team" hinterher.

Seine Augen leuchten aber, wenn er über diesen historischen Wurf in der Audiotechnologie spricht, mit dem die Musik von einem bestimmten Datenträger losgelöst worden ist. Es ist eine Geschichte aus Zufällen, Fleiß und dem richtigen Zeitpunkt: Genau hören, was da durch die programmierten Algorithmen mit der Musik passiert, genau verstehen, wie das Gehirn Audiosignale verarbeitet, das Internet als den Verbreitungsweg der Zukunft erkennen, Geschick bei den internationalen Standardisierungsverhandlungen und die richtigen Geschäftspartner, um das Format zu verbreiten.. "Wir waren nicht die einzigen, die an der Datenreduktion von Audiodateien gearbeitet haben, aber die anderen haben viele Fehler gemacht", sagt Brandenburg. Er selbst sei von seinem Doktorvater zur Forschung an der Datenreduktion gebracht worden. "Dem hat ein Patentprüfer gesagt, sowas sei unmöglich, aber das sollte man einem deutschen Professor nicht sagen."

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Alles Teamarbeit: Karlheinz BrandenburgBild: DW/H. Kiesel

Reich durch mp3

Das Projekt hat Brandenburg mehr als nur Ruhm eingebracht. "Ich würde mich nach meinen Maßstäben als reich bezeichnen", sagt er ganz direkt. Das deutsche Recht sorge dafür, dass die Erfinder an den Erträgen beteiligt werden. Aber auch die Fraunhofer-Gesellschaft bekomme jährlich einen Millionenbetrag "im hohen zweistelligen Bereich". Jeder, der die Fraunhofer-Kompressions-Codecs verwendet oder die vielfältigen Verfahren, an denen die deutschen Wissenschaftler des Instituts beteiligt sind, muss eine Abgabe entrichten - das sind Hersteller von Aufnahme- und Abspielgeräten, von PCs aber auch Musikhändler. "Das ist jeweils nicht viel, aber bei geschätzt sieben Milliarden Endgeräten kommt da doch einiges zusammen."

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Bild: Fotolia/lassedesignen

Noch - denn in den meisten Ländern laufen Patente irgendwann aus. In Deutschland sind es laut Patentschutzgesetz 20 Jahre, was auch der Standard der Welthandelsorganisation WTO ist. Abgefedert werde der Einbruch, so der IDMT-Leiter dadurch, dass es sich bei der Audiokomprimierung um eine ganze Reihe von angemeldeten Entwicklungen handele und die Forschung am Fraunhofer-Institut immer weiter gegangen sei. Dennoch: "Da kommt irgendwann ein Loch", bekennt Brandenburg. Weiter möchte er das nicht vertiefen, außerdem kommt da wieder dieses Leuchten in die Augen. Er sieht schon das nächste große Ding kommen. "Das wird sowas wie das Holodeck bei Star Trek. Da kann man nicht nur die Musik hören, sondern die ganze Atmosphäre des Jazz-Clubs mitkriegen!"

Umzingelt von Lautsprechern

So richtig neu ist das natürlich nicht, aber vielleicht ist das Neue daran, dass es diesmal richtig gemacht werden könnte. Im Keller des Instituts führt Projektleiter Christoph Sladeczek die Audio-Zukunft vor, die sich sein Chef vorstellt. Er sitzt vor zwei Computerbildschirmen - links ein virtuelles Mischpult, rechts ist die Soundlandschaft abgebildet, die im Labor erzeugt wird. Aus zwölf Boxen ringsum an den schwarzen Wänden tönt Popmusik. Ganz okay, denkt man im ersten Augenblick. Dann greift Sladeczek zur Maus, klickt ein Klangquellen-Symbol und schiebt es von links oben nach rechts unten. Die Sängerin steht plötzlich hinter einem. Der Zuhörer kann sich sogar neben sie stellen.

Die Technik hinter der Klanglandschaft basiert auf der Wellenfeldsynthese. Die wurde Ende der 80er Jahre im niederländischen Delft entwickelt. Dabei versorgt ein Rechner jeden Lautsprecher im Raum einzeln mit einem Audiosignal und erzeugt so Wellenfronten, die dem entsprechen, was eine natürliche Klangquelle, eine Stimme oder Instrument, aussendet.

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Fraunhofer-Institut in Ilmenau: Klanglabor der ZukunftBild: DW/H. Kiesel

Sladeczek sitzt nicht weit vom Schlagzeug und mimt die Beats euphorisch mit. "Der Klang ist überall im Raum optimal gemischt und wir brauchen dafür jetzt wesentlich weniger Lautsprecher als früher", freut er sich. Eine Entwicklungsgeneration früher hat er noch 81 Boxen für seinen Raumklang gebraucht. Die schwarzen Kästen hängen auch noch an der Wand. Diese Batterie hätte jedes Wohnzimmerdesign zugrunde gerichtet.