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Die Karriere des Bleistifts

Thomas Senne27. November 2003

Was haben Karl Lagerfeld, Günter Grass und Ferdinand Porsche gemeinsam? Sie alle entwerfen ihre ästhetischen Höhenflüge trotz Laptop und PC immer noch mit einem etwas altmodisch aussehenden Werkzeug – dem Bleistift.

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So lange es Papier gibt, wird es auch Bleistifte gebenBild: AP

In Neumarkt bei Nürnberg befindet sich die europaweit größte Produktionsstätte für holzgefasste Stifte. Bei Staedler wird maschinell gehobelt, geleimt, gelackt und geprägt. In rund 40 Arbeitsgängen wird alles getan, damit aus unscheinbaren hölzernen Rohlingen schöne, glänzende Bleistifte werden, egal ob rund, dreikantig oder mehreckig.

Der größste Bleistift
Anton von Faber-Castell in Stein bei NürnbergBild: AP

So wie Staedler haben auch die Konkurrenzbetriebe Faber-Castell, Lyra und Schwan-Stabilo in der Region Nürnberg ihren Hauptsitz. Ihr Output ist gewaltig. Rund drei Milliarden holzgefasste Stifte kommen pro Jahr aus den weltweiten Produktionsstätten dieser vier Firmen. In der Anfangszeit der Bleistiftherstellung war das natürlich anders.

Von den Anfängen

Bis 1660 lässt sich in Nürnberg die Bleistiftherstellung zurückverfolgen. Damals wurden die Stifte noch von Schreinern gefertigt und die Graphitstangen mit besonders vorbereiteten Holzstückchen verleimt - Stück für Stück von Hand. Von den Schalenschrotern, die Griffe für Messer herstellten, kopierte man die Arbeitsmethoden und produzierte hölzerne Schalen für die Graphitminen. Den Vertrieb der Stifte übernahmen die Handwerker selber oder überließen ihn Straßenhändlern.

Bleistiftmode Faber-Castell
BleistiftmodeBild: AP

Der älteste heute noch existierende Bleistift der Welt nimmt in einem Panzerschrank der Bleistiftdynastie Faber-Castell einen Ehrenplatz ein. Es ist ein zwölf Zentimeter langer und etwa drei Zentimeter dicker, klobiger Holzstift mit grobkörniger Graphitmine. Im 17. Jahrhundert wurde er in einer Manufaktur hergestellt und vor einiger Zeit bei Renovierungsarbeiten in einem schwäbischen Fachwerkhaus gefunden.

Etikettenfälschung

Mit Blei hat der Bleistift eigentlich nichts zu tun. Der Direktor des Museums für Industriekultur in Nürnberg, Matthias Murko, erzählt, woher der falsche Name kommt: "Die das Graphit entdeckten, die kannten Blei, und es sah nun mal so ähnlich aus – schwer und schwarz. Und es war im Glanz so ähnlich, deshalb haben sie Graphit einfach als Blei bezeichnet – aus Unkenntnis des wirklichen Materials."

Zimmermann Bleistiftspitzer
Spitzer dürfen nicht fehlenBild: AP

Erst Ende des 18. Jahrhunderts bewies der schwedische Chemiker und Apotheker Wilhelm Scheele, dass das vermeintliche weiche "Bleierz" eine eigenständige Substanz ist: Graphit. Wie Diamanten besteht Graphit aus Kohlenstoff, ist ungiftig und schwarz im Abstrich. Doch der Name "Graphitstift" konnte sich trotz dieser Erkenntnisse nicht durchsetzen. Bis zum heutigen Tag ist im Volksmund vom "Bleistift" die Rede.

Von Nürnberg in die Welt

Im Bleistiftimperium Faber-Castell sorgte vor allem Lothar von Faber im 19. Jahrhundert für bedeutende Innovationen. Er war einer der ersten, der in Deutschland das Graphit-Ton-Verfahren zur Herstellung von Minen mit hoher und gleichbleibender Qualität einführte. Überall ließ er Geologen nach möglichst reinem "schwarzen Gold" suchen und wurde schließlich in Sibirien fündig. Als erster deutscher Bleistiftfabrikant reiste er mit einer Kollektion von Musterstiften durch Europa und schuf ein Netz direkter Handelsbeziehungen. So legte er den Grundstein für seinen internationalen Erfolg. 1849 wagte der Unternehmer sogar den Sprung nach Übersee und gründete Niederlassungen in New York. Der Schritt auf den Weltmarkt war getan.

Heute ist der Markt von holzgefassten Stiften keine stürmische Wachstumsbranche mehr. Angesichts von Globalisierung und papierlosem Büro sind die Zeiten für den Bleistift schwerer geworden. Heute setzen die Nürnberger Produzenten, um international weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, auf Qualität und Lifestyle, auf ergonomisches und modisches Design. Eines aber wird der Bleistift immer bleiben - trotz Computer, Funktelefon oder handlichem Laptop: ein unentbehrlicher Gegenstand für den alltäglichen Gebrauch und ein wichtiges Instrument von Künstlern.