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Die Kanzlerin bezirzt ihr Publikum

Naomi Conrad, Berlin 27. August 2014

Angela Merkel zu Gast im Berliner Ensemble: In einem Interview auf der Bühne des Theaters gab sich die Bundeskanzlerin betont locker - und plädierte nebenbei für mehr europäische Einheit.

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Angela Merkel mit den Moderatoren Frank Meyer und Christoph Schwennicke (Foto: Jörg Carstensen/dpa)
Angela Merkel mit den Moderatoren Frank Meyer (l.) und Christoph SchwennickeBild: picture-alliance/dpa

Im Berliner Ensemble herrscht eine gewisse Hektik: In wenigen Minuten sollen die Türen zum Theatersaal geöffnet werden und es besteht noch Unklarheit, wo die Fotografen beim Eintreten der Kanzlerin Stellung beziehen sollen. Aus dem Publikum ruft ein älterer Mann etwas ungehalten einer jungen Frau Anweisungen zu, die über die Bühne tippelt und die Fotografen simuliert: Erst versucht sie es rechts, dann entscheiden sich die Organisatoren doch für die andere Seite. Als Angela Merkel zusammen mit den beiden Moderatoren kurz darauf die Bühne betritt, drängen die Fotografen allerdings einfach in die Mitte der Bühne.

Am Mittwoch, kurz vor Beginn der Sitzungsperiode des Bundestags, wenn die politische Sommerpause in Berlin endgültig zu Ende ist, hat das politische Magazin "Cicero" die Kanzlerin in das Theater im Regierungsviertel geladen. Die Blattmacher wollen bei der Veranstaltung - so die Ankündigung - über "aktuelle politische Fragen" sprechen. Allem voran soll es an diesem Abend im Berliner Ensemble um den Vormarsch der Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) im Irak gehen. Dieser müsse, so Merkel bestimmt, von der internationalen Gemeinschaft "in aller Schärfe in die Schranken gewiesen werden". Unter den 20.000 Kämpfern der Terrorgruppe seien 2000 Europäer, darunter auch etwa 400 Deutsche. "Da kann man nicht sagen, dass der Irak nichts mit uns zu tun hat." Deutschland könne sich schon allein wegen seiner wirtschaftlichen Größe in Europa und der Welt sich nicht "einfach von anderen schützen lassen". Stattdessen müsse es seinen Beitrag leisten, um anderen zu helfen - und Deutschland leiste bereits viel.

Merkel: Koalition mit AfD kommt nicht infrage

Trotzdem: Für ein militärisches Eingreifen im Irak will sich die Kanzlerin auf Nachfrage nicht aussprechen. Selbstverständlich hätten die USA andere Möglichkeiten als Deutschland, sagt Merkel mit Blick auf die Luftschläge gegen IS-Kämpfer im Irak. "Diese Fähigkeit haben wir nicht und werden sie auch nicht anstreben." Im abgedunkelten Saal blinken die Lichter von etlichen Handys, während Merkel für mehr Zusammenhalt in der europäischen Außenpolitik plädiert und auch eine gemeinsame Rüstungsindustrie - und sehr indirekt gegen die schottische Unabhängigkeit: Natürlich würden die Briten - und die Schotten erst recht nicht - darauf warten, was die deutsche Kanzlerin zu sagen habe. Trotzdem: Sie sei sehr froh, zu einem Europa zu gehören, durch das der Einzelne mehr Gewicht erlange. "Wenn jeder das für sich allein macht, sind wir machtlos."

Als Merkel sich ganz klar gegen eine Zusammenarbeit mit der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD) ausspricht, der in den kommenden Landtagswahlen gute Wahlchancen vorausgesagt werden, schleicht ein Fotograf durch den Saal und schießt Fotos. Es gebe eine ganz klare Beschlusslage zur AfD im Bundesvorstand ihrer Partei, der CDU, so Merkel: "Koalitionen kommen für uns nicht infrage."

Kämpfer der Terrormiliz "Islamischer staat im Nordirak (Foto: Militant Website/AP)
IS-Kämpfer in Syrien: "In aller Schärfe in die Schranken weisen"Bild: picture-alliance/AP Photo

Warum ihre Entscheidungen manchmal so lange bräuchten? Merkel grinst - es ist ein Grinsen von vielen an diesem Abend der kleinen Sticheleien mit den Moderatoren Frank Meyer und Christoph Schwennicke, die das Publikum zum Lachen bringen. "Wenn ich nicht fertig gedacht habe, kann ich mich nicht entscheiden." Das Publikum klatscht noch immer, als Merkel wieder ansetzt: Entscheidungen könnten einfach nicht so schnell getroffen werden, wie sie oft gefordert würden - sie müssten Bestand haben. Sonst könne sie das Parlament und die Menschen von ihren Entscheidungen nicht überzeugen.

Arbeit bis zum Ende der Legislaturperiode

Was die Kanzlerin denn so mache, um sich zu erholen, fragt eine Zuschauerin zum Abschluss. Merkel lächelt. Sie versuche, sich ein paar Stunden an der frischen Luft zu bewegen, sie mache Urlaub. "Aber das wissen Sie ja, darüber wird ja berichtet." Und, fügt sie hinzu, als ein Sicherheitsbeamter schon durch den Vorhang lugt, sie versuche, sich den einen oder anderen Abend freizuhalten. Schließlich könne sie auch nicht immer arbeiten. Das Publikum lacht und klatscht.

Dass sie sich auch in Zukunft weiter ihrer Arbeit als Kanzlerin widmen will, hat sie ein paar Minuten vorher schon versichert: Sie habe den Menschen im Wahlkampf versprochen, dass sie die ganze Legislaturperiode arbeiten werde - das werde sie auch tun. Sie habe viele Schwerpunkte, für die kommenden Jahre, sagt Merkel und zählt auf: Forschung, Bildung, Digitale Agenda und auch Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Sie zähle das jetzt alles auf, sagt sie und grinst wieder, damit ihr niemand vorwerfen könne, dass sie keine Pläne habe.

Als das Gespräch beendet ist, herrscht im Foyer Gedränge: Die Türen werden erst geöffnet, nachdem Merkel und ihre Entourage davongerauscht sind. Eine Frau dreht sich zu ihrer Nachbarin: "Hach, die ist doch nett, unsere Kanzlerin." Ihre Freundin zuckt mit den Schultern.