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"Die Hoffnung stirbt zuletzt"

9. Juli 2005

Warum sollte man SPD wählen? Hat die Partei noch Konzepte? DW-RADIO sprach mit Heiko Maas, Landesvorsitzender der SPD im Saarland, über Chancen und Risiken seiner Partei bei möglichen Neuwahlen im September.

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Heiko MaasBild: dpa

DW-RADIO: Haben Sie noch Hoffnung für die SPD?

Heiko Maas: Na ja, die Hoffnung stirbt zuletzt. Wir gehen sicherlich nicht als die Favoriten in diese Bundestagswahl. Aber ich glaube, man hat nur eine Chance, wenn man selber daran glaubt, auch wirklich eine zu haben. Und ich habe das jetzt schon des öfteren erlebt, dass Wahlkämpfe in den letzten Wochen, teilweise in den letzten zwei Wochen, entschieden worden sind. Das wird nicht einfach für uns, aber vielleicht freuen sich die anderen einfach nur zu früh.

Was hat die SPD falsch gemacht? Sie liegt jetzt wieder bei desolaten 27 bis 28 Prozent. Da war sie eigentlich schon mal weg vor kurzem. Was ist da passiert, was ist da schiefgelaufen?

Ich glaube, das, was uns die Leute am meisten anlasten, ist, dass wir es nicht geschafft haben, die Arbeitslosigkeit evident nach unten zu drücken. Daran werden zur Zeit alle Regierungen gemessen, unabhängig davon, von welcher Partei sie gestellt werden. Und da ist das Überschreiten der Fünf-Millionen-Marke natürlich ein herber Rückschlag gewesen. Daran laborieren wir heute noch. Da die Reformen, die gemacht worden sind - Hartz IV ist zum Beispiel erst seit sechs Monaten in Kraft - noch keine wesentliche Wirkung zeigen, schwindet das Vertrauen für die SPD.

Jetzt sind ja doch eine ganze Menge Korrekturen oder Verbesserungen angekündigt worden. Eine davon ist die Vermögenssteuer, die Millionärssteuer - was halten Sie davon? Ist das mehr nur ein Symbol?

Nein, ich glaube schon, dass wir an der Stelle was machen müssen. Wir haben in den letzten Jahren bei den sogenannten "kleinen Leuten" immer wieder dafür geworben, dass jeder einen Beitrag leisten muss, damit die Sozialversicherungssysteme finanzierbar bleiben und damit es auch in Zukunft noch einen Sozialstaat geben kann.

Ich glaube aber auch, dass die andere Seite, also die, denen es wirklich gut geht in unserer Gesellschaft, einen Beitrag leisten müssen. Wenn das die "kleinen Leute" tun können, dann können das auch die Reichen tun. Der Vorschlag lautet, dass für diejenigen, die ein Jahreseinkommen von über 250.000 Euro haben, der Spitzensteuersatz von 42 auf 47 Prozent erhöht wird. Die zahlen dann immer noch weniger Steuern als unter Helmut Kohl. Und ich kann daran eigentlich nichts Schlimmes erkennen.

Das ist aber doch lediglich ein Mehr von 0,5 bis 0,6 Prozent von dem, was an derzeit bereits Einkommenssteuer eingenommen wird. Das sind doch gerade mal eine Milliarde Euro Mehreinnahmen ...?

Das ist je nach Berechnung zwischen einer Milliarde und 1,7 Milliarden. Das kann auch nicht die einzige Maßnahme sein. Aber in der desolaten Situation, in der die öffentlichen Haushalte sind, müssen wir, glaube ich, uns in allen Bereichen überlegen, wo wir zusätzliche Einnahmen generieren können neben dem, dass wir als Staat sparen müssen. Das fällt dadurch nicht weg. Aber wir brauchen das Geld. Eine Milliarde zu haben, etwa für Bildung und Forschung, ist immer noch besser als sie nicht zu haben.

Ist die SPD noch wiederzuerkennen? Und ist das überhaupt wichtig? Zählt nicht viel mehr der pure "Wechselwille"? Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Die Vorschläge kommen momentan aus der Parteilinken. Bleibt denn Schröder noch etwas anderes übrig als den Parteilinken - Nahles, Schreiner, Müller - nachzugeben?

Ich glaube, dass es da gar nicht so sehr um Links oder Rechts geht. Bei dem Thema, den Spitzensteuersatz zu erhöhen, gibt es jetzt ja sogar Forderungen von der Parteirechten der SPD - das ist durchaus flügelübergreifend. Ich glaube, wir müssen darauf achten, dass bei der Reformpolitik in Deutschland auch die soziale Balance gewährleistet ist. Und nachdem in den letzten Jahren die kleinen Einkommen ihre Beiträge geleistet haben, glaube ich, dass das jetzt auch die großen Einkommen tun müssen. Deshalb ist das ein Beitrag zu mehr Gerechtigkeit und erhöht die soziale Balance in der Reformpolitik.

Wie glaubwürdig ist momentan Schröder eigentlich noch für seine eigene Partei? Wie ist das mit den urtraditionellen SPD-Genossen, die derzeit nicht zur Wahl gehen, weil sie keine Lust mehr haben und sagen: Das ist nicht mehr meine SPD?

Das werden wir wissen, wenn die Bundestagswahlen stattgefunden haben. Bei den letzten Landtagswahlen in NRW haben wir es im Grunde genommen schon gesehen ... Wobei ich glaube, dass das nicht unbedingt nur etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun hat, sondern ganz einfach damit, dass die Bundesregierung harte Einschnitte durchgesetzt hat bei den Reformen.

Das hat sich auch im Geldbeutel von vielen Leuten bemerkbar gemacht. Und das stößt nicht auf Freude. Das ist auch vielleicht etwas, was nicht unbedingt von der SPD erwartet worden ist. Und deshalb hat das den einen oder anderen in eine Sinnkrise gestürzt. Aber ich glaube, dass gewisse Veränderungen notwendig sind. Wir werden die sozialen Sicherungssysteme bei dem demografischen Wandel nicht so fortführen können, wie das jetzt der Fall ist.

Da gibt es Dinge, die müssen sein, die sind schmerzhaft. Leider erhält man in der Politik dann allzu schnell die Quittung dafür. Aber ich würde den Leuten dann auch schon mal gerne sagen: "Guckt euch mal an, was euch erwartet, wenn die CDU/CSU und die FDP an die Regierung kommen". Sprich: Rente ab 67, die Mehrwertsteuer soll erhöht werden, die Atomkraft soll weitergeführt werden. Da muss man sich dann eine Meinung bilden, die den eigenen Interessen am ehesten entspricht. Und da bin ich zuversichtlich, dass wir nicht ganz hinten runterfallen.

Man hat ja irgendwie das Gefühl, es geht fast nicht mehr um die Inhalte. Wenn man sich die Umfragen ansieht, hat man den Eindruck, es geht eigentlich nur noch darum: Wir haben die Nase voll, wir wollen eine andere Regierung haben.

Das ist teilweise wohl so. Es gibt eine Form von Wechselstimmung, das sagen ja auch die Demoskopen, allerdings eine ohne jegliche Euphorie. Komischerweise gibt es auch Umfragen, bei denen die große Mehrheit der Auffassung ist, dass die CDU/CSU und die FDP es auch nicht besser machen würden. Aber es ist wohl tatsächlich so, dass - und das führe ich zurück auf die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit - viele der Auffassung sind, dass jetzt andere ihr Glück versuchen sollen. Ich glaube nicht, dass die Rezepte der CDU/CSU und der FDP die besseren sind. Aber das ist etwas, wogegen wir in diesem Bundestagswahlkampf kämpfen müssen.

Das Gespräch führte Judith Hartl

Heiko Maas ist Landesvorsitzender der SPD im Saarland und Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag. 1998 bis 1999 war der Jurist (Jahrgang 1966) im Saarland Minister für Umwelt, Energie und Verkehr.