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Alltag Afghanistan

28. November 2011

Wenn die internationale Afghanistan-Konferenz in Bonn beginnt, dann hoffen viele Afghanen auf eine langfristige Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Sie fürchten den Beginn eines neuen Bürgerkrieges.

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Markt in Kandahar, Afghanistan (Foto: DW)
Die Menschen in Kandahar blicken in eine ungewisse ZukunftBild: AP

Die Männer in der südafghanischen Provinz Kandahar suchen gern und häufig die vielen Moscheen ihrer Stadt auf. Sie kommen aber nicht nur zum Gebet, sondern auch um Informationen auszutauschen. In diesen Tagen versucht jeder, mehr über die internationale Afghanistan-Konferenz in Bonn zu erfahren.

Sayed Schah, ein junger Mann aus der Stadt Kandahar, erklärt, warum die Verhandlungen in Deutschland für seine Landsleute von großer Bedeutung sind: "Bei der ersten Bonner Konferenz vor zehn Jahren ging es darum, dass ausländische Truppen nach Afghanistan geschickt wurden. Jetzt, wo sie Afghanistan wieder verlassen, wollen wir wissen, wie es in unserem Land weitergeht."

Angst vor Rückkehr der Taliban

ISAF-Truppen in Kandahar(Foto: AP/Musadeq Sadeq)
Noch patroullieren ISAF-Truppen in AfghanistanBild: AP

Die Menschen in Kandahar, in der einstigen Hochburg der Taliban, haben große Angst vor der Rückkehr der Islamisten. Sie wissen, dass die afghanische Polizei und die Armee nicht in der Lage sind, alleine für die Sicherheit im Land zu sorgen. Viele fürchten, dass es zu einem neuen Bürgerkrieg zwischen Anhängern der mächtigen Warlords und den Taliban kommen könnte. Vor diesem Hintergrund fragt sich jeder, wie es weitergehen wird, wenn die internationalen Truppen im Jahr 2014 Afghanistan verlassen.

Palwascha ist Hausfrau und zweifache Mutter. Sie wohnt in Mazar-e Scharif im Norden Afghanistans. Dort sind rund 3500 deutsche Bundeswehrsoldaten stationiert. Sie teilt die Sorgen ihrer Landsleute im Süden. Die 28-Jährige wünscht sich, "dass in Bonn die wenigen Freiheiten, die in den letzten Jahren für die Frauen in Afghanistan erkämpft wurden, nicht wieder geopfert werden."

Markt in Herat, Afghanistan(Foto: AP/Fraidoon Pooyaa)
Die afghanische Bevölkerung hofft weiterhin auf internationale UnterstützungBild: AP

Die internationale Gemeinschaft und auch die afghanische Regierung setzen auf Friedensverhandlungen mit den Taliban. Das sei gut, sagt Palwascha, doch dabei sollten die Frauen in Afghanistan nicht vergessen werden. Die Taliban hatten während ihrer Herrschaft von 1995 bis 2001 Frauen den Zugang zu Bildung und Arbeitswelt verboten. Eine Frau durfte das Haus nur in Begleitung eines männlichen Verwandten verlassen. "Alle wissen, dass heute viele Frauen die Haupternährer ihrer Familien sind. Sie dürfen nicht wieder in ihren Häusern eingesperrt werden", mahnt Palwascha.

"Versprechen einhalten"

Der Lehrer Nasir Dehqan aus Herat im Westen des Landes hat schreckliche Erinnerungen an die Herrschaft der Taliban und die Zeit des Bürgerkriegs Anfang der 90er Jahre. Damals stritten verschiedene Mudschaheddin-Gruppen, die zuvor noch gegen die russische Besatzung gekämpft hatten, um die Macht. Viele Städte, vor allem die Hauptstadt Kabul, wurden fast völlig zerstört.

Afghanische Mädchen lernen (Foto: Phoung Nguyen/UNICEF)
Afghanistan braucht mehr SchulenBild: Phoung Nguyen/UNICEF

Dehqan erinnert die internationale Gemeinschaft an ihre Versprechungen von Frieden und Demokratie und fordert sie auf, ihre Zusicherungen einzuhalten: "In Bonn kommen viele mächtige Staatsführer zusammen. Ich hoffe, dass sie einsehen, dass in Afghanistan nicht alles erreicht worden ist, was vorher beschlossen worden war. Ich hoffe, dass sie vor allem an die einfachen Menschen in Afghanistan denken und sie nicht allein lassen", sagt Dehqan.

Die Menschen in Afghanistan erleben seit mehr als 30 Jahren Krieg und Bürgerkrieg. "Was uns am Leben hält, ist allein die Hoffnung auf eine bessere Zukunft", sagt Nasir Dehqan. Das afghanische Volk erwarte nicht, dass die Welt alle Probleme des Landes löst. Doch alleine, ohne internationale Unterstützung, werde Afghanistan die Zukunft nicht bewältigen können.

Autor: Ratbil Shamel
Redaktion: Ana Lehmann