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Die Hoffnung auf den Wandel in Guinea

3. Mai 2010

Unzuverlässige Wählerverzeichnisse und Bewerber aus dem alten Regime: Die guinéische Übergangsregierung muss vor den Präsidentschaftswahlen noch viele Probleme lösen. Trotzdem soll am 27. Juni gewählt werden.

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Ein Mann schaut durch den Verschlag einer Marktbude in Conakry auf der eine Flut von Wahlplakaten klebt. (Foto: AP)
Erinnerung an die letzte Wahl 2003: Wahlplakate in ConakryBild: AP

In Guineas Hauptstadt Conakry hängen an jeder Ecke Wahlplakate mit Porträts der Kandidaten. Der Wahltermin scheint bisher unumkehrbar und Oppositionspolitiker reisen mit ihren Kampagnen durch das ganze Land. Aber vor der Wahlkommission liegt noch ein riesiger Berg Arbeit. So eine spannende Wahlatmosphäre haben die Guinéer seit der Unabhängigkeit 1958 noch nie erlebt. Ein großer Test für das Land, sagt Francois Lonceny Fall, ehemaliger Premierminister und Präsidentschafts-Kandidat. "Ich halte es für wichtig, dass Guinea wählt. Alle Beteiligten müssen ermutigt werden, damit sich alle für die Wahlen einsetzen. Dafür müssen alle hart arbeiten", so der Kandidat. Und wenn alle Bedingungen stimmen, dann wünsche er sich, dass im Juni tatsächlich gewählt wird. "Dafür muss aber die Finanzierung stimmen und die Guineer müssen sich organisieren, um zu diesen Wahlen zu gehen. Wenn der politische Wille da ist, können wir das schaffen."

Das Werbeplakat eines Oppositionskandidaten liegt zerrissen auf der Straße (Foto: AP)
Trotz befürchteter Unruhen scheint der Wahltermin im Juni unumkehrbarBild: AP

Kein Militärangehöriger darf sich zur Wahl stellen

Offiziell sind mehr als 100 Parteien in Guinea anerkannt. Die meisten von ihnen haben einen ethnischen Hintergrund. An den Präsidentschaftswahlen im Juni werden voraussichtlich mehr als 15 Parteien teilnehmen. Es gibt zwei große Herausforderungen: Die Mitglieder der heutigen Regierung dürfen nicht an der Wahl teilnehmen und das Militär, das sich 2008 an die Macht geputscht hat, soll in die Kasernen zurückkehren. Kein Militärangehöriger darf sich der Wahl stellen. Allerdings werden diese Wahlen noch vom Militär organisiert. Die Offiziere hoffen auf eine "glaubwürdige und transparente" Wahl.

Auch Exil-Guineer sollen an die Urnen

Ein Soldat vor einem Regierungsgebäude in Conakry im Dezember 2009 (Foto: AP)
Bei den Wahlen darf sich kein Militärangehöriger zur Wahl stellenBild: AP

Die meisten Kandidaten zählen auf Stimmen aus ihrer Ethnie. Vier große Volksgruppen bestimmen bis heute die Politik des Landes: Peules, Malinkés, Soussous und Guerzés. Alpha Condé von der Volksversammlung (Rassemblement du Peuple de Guinée - RPG) und historischer Oppositionsführer kämpft seit über 30 Jahren für einen Wechsel. Der Sozialdemokrat gehört zu den Malinkés. Der Liberale Cellou Dalein Diallo von der Union der Demokratischen Kräfte (Union des Forces Démocartiques de Guinée - UFDG) und Ex-Premierminister unter Präsident Lansana Conté rechnet mit den Stimmen der Peules. Aboubacar Somparé, Nationalist von der Partei für Einheit und Fortschritt (Partie de l’Unité et du Progrès), war unter Conté Parlamentspräsident. Er ist Soussou. Andere Kandidaten, die auch eine wichtige Rolle spielen werden sind Sydia Touré (UFR), Lansana Kouyaté (PEDN), Francois Lonceny Fall (FUDEC) – sie alle waren schon einmal Premierminister in einer der vorangegangenen Regierungen.

Auch die Guineer, die im Ausland leben, sollen an den Wahlen teilnehmen; doch gibt es Probleme, sie in die Wählerverzeichnisse aufzunehmen. Fast 60.000 der Guineer im Ausland hatten sich vor den Massakern im September 2009 registrieren lassen. Nach den schweren Übergriffen auf Demonstranten wurde der Prozess zur Wahlvorbereitung am 28. September 2009 plötzlich unterbrochen. Im März 2010 ging es dann endlich weiter. Insgesamt wurden Exil-Guineer in 17 Ländern erfasst – dort wo die meisten von ihnen leben. In Deutschland haben sich gut 600 Guineer gemeldet.

Stimmabgabe bisher lediglich in Berlin möglich

Sékouba Konaté (Foto: AP)
Übergangspräsident in Guinea: Sékouba KonatéBild: AP

Sie können ihre Stimme aber nur an einem einzigen Ort in Deutschland abgeben, erläutert Mohamed Lamine Kaba von der Botschaft von Guinea in Berlin. "Im Moment haben wir die Information, dass nur in Berlin abgestimmt werden kann. Aber wenn wir die Möglichkeit hätten, auch Leute in anderen Teilen Deutschlands die Stimmabgabe zu ermöglichen, wäre das eine große Freude für uns und für die Guineer bestimmt auch. Falls das nicht klappt, werden wir alle ermutigen, sich zu organisieren und gemeinsam mit Bussen nach Berlin zu kommen. So können sie ihre Bürgerrechte wahrnehmen."

Ihre Bürgerrechte wahrnehmen – das können die Guineer schon lange nicht mehr: Nach dem Tod des langjährigen Präsidenten Lansana Conté Ende 2008 putscht sich eine Junta an die Macht. Am 28. September 2009 stürmen Soldaten eine Großdemonstration der Opposition im Stadion von Conakry. Sie töten mehr als 150 Menschen und vergewaltigen über 100 Frauen. Dem Massaker folgen innenpolitische Wirren. Ende 2009 zielt ein Attentäter auf Präsident Dadis Camara. Er wird schwer verletzt nach Marokko ausgeflogen.

Räumt Konaté den Präsidentensessel?

Im Januar 2010 gibt Camara die Macht schließlich ab. Er selbst bleibt in Burkina Faso. Sékouba Konaté, der stärkste Mann der Junta, übernimmt Camaras Amt und wird zum Übergangspräsidenten. Er soll einer der Drahtzieher des Putsches gegen Lansana Conté gewesen sein. Im Moment sieht es so aus, als wolle Konaté aber tatsächlich für demokratische Wahlen in Guinea sorgen und den Präsidentensessel anschließend räumen.

Moussa Daddis Camara. Bis zum Januar 2010 war er Führer der Militärjunta in Guinea (Foto: dpa)
Moussa Daddis Camara: Bis zum Januar 2010 hatte er offiziell die Macht in GuineaBild: dpa

Die Europäische Union, die Vereinten Nationen und die Afrikanische Union haben alle Parteien und Kandidaten zu einer friedlichen Kampagne aufgerufen. Afrika-Experten befürchten, es könne in nächster Zeit politische und ethnische Unruhen in Guinea geben. Die Wahl kostet rund 20 Millionen Euro. Davon werden Wahlurnen und Stimmzettel beschafft, ein Wählerverzeichnis erstellt und Informationskampagnen bezahlt. Geberländer müssen die Abstimmung finanzieren.

Denn trotz reicher Bodenschätze gehört Guinea zu den ärmsten Ländern Afrikas. Misswirtschaft und Korruption sind sehr verbreitet – für den Großteil der rund zehn Millionen Einwohner bleibt nichts vom immensen Reichtum an Bodenschätzen. In Guinea wird die Hälfte des Weltbedarfs an Bauxit gefördert, dem Rohstoff für die Aluminium-Herstellung. Auch wenn der anstehende Machtwechsel friedlich verläuft – es wird lange dauern, das marode Wirtschaftssystem zu sanieren und die Korruption zu bekämpfen.

Autor: Bob Barry

Redaktion: Stephanie Gebert