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Die heiklen Seiten des Salvador Dali

11. Mai 2004

War Dali ein Genie oder nur ein Possenreißer - oder gar ein Faschist? Derzeit wird über den surrealistischen Künstler besonders heftig gestritten, denn Spanien erklärte 2004 zum Dali-Jahr.

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Großes Jubiläum: 100. Geburtstag am 11. Mai 2004Bild: AP

Der Franzose Robert Descharnes startete eine Initiative, die Überreste des Malers Salvador Dali aus seiner Geburtsstadt Figueras in das Schloss Pubol umzubetten, wo bereits seine Frau Gala begraben ist. "Dies war der Wille des Künstlers", behauptet der frühere persönliche Sekretär Dalis. Gala, eine gebürtige Russin, war Dalis Muse und Managerin. Gala umgab sich im Schloss Pubol, das der Maler für sie erstanden hatte, im hohen Alter mit jungen Liebhabern. Dali, der intimen Körperkontakt verabscheute, zog sich ins Fischerdorf Port Lligat zurück und versammelte einen "Hofstaat" von teils zweifelhaften Gestalten um sich.

Salvador Dali Theater Museum in Figueras
Salvador Dali Theater Museum in FiguerasBild: AP

Die Dali-Stiftung will von der Umbettung nichts wissen: "Das Grab ist da, wo es sich befindet, gut aufgehoben." Die Stiftung, die Dalis Nachlass und die Museen verwaltet, liegt mit dem Ex-Sekretär bereits seit Jahren in einer anderen Sache in Streit. Der Franzose führt mehrere Prozesse gegen die Organisation und den spanischen Staat. Nach seiner Darstellung hatte Dali einer von Descharnes gegründeten Firma die Verwaltung der Autorenrechte über das Werk bis zum 11. Mai 2004 übertragen. Dabei soll es um eine Summe von bis zu 50 Millionen Euro gehen.

Umstrittene Ikone der Massenkultur

Auf Seminaren und Kongressen debattieren Experten über den Surrealisten. Dali war ohne Zweifel einer der größten Exzentriker der Kunstgeschichte und ein begnadeter Provokateur. Im sittenstrengen Spanien führte er eine Blondine nackt an einem Hundehalsband durch ein Dorf. Einem Werk gab er den Titel: "Manchmal spucke ich voller Freude auf das Bild meiner Mutter." Sein Show-Gehabe verstärkte seinen kommerziellen Erfolg, aber es hatte auch zur Folge, dass er als Künstler zuweilen unterschätzt wurde. "Er war in gewisser Hinsicht ein Clown, aber kein Hampelmann, der sich manipulieren ließ", meint der Dali-Experte Ignacio Gomez de Liano.

"Dali wusste sich selbst besser zu verkaufen als sein Werk. Er war eine Ikone der Massenkultur", betont der Biograf Javier Perez Andujar. Dem Künstler machte es nichts aus, wenn seine Werke gefälscht wurden. Im Gegenteil: Er sah darin einen Beweis für seine Größe.

Auf den Handel mit Gemälden Dalis hätten die Diskussionen um Fälschungen keinen negativen Einfluss gehabt, meinte Dali-Experte Olivier Camu vom Londoner Auktionshaus Christie's. Für ein frühes Ölbild des Künstlers werde immer noch "eine gute Menge Geld" bezahlt. Den aktuellen Höchstpreis für ein Dali-Bild hält das im Dezember 2000 in London versteigerte Gemälde "Ma femme nue regardant son propre Corps" mit 2,9 Millionen Pfund.

Der tragische Showman?

Über Selbstzweifel schien Dali erhaben gewesen zu sein. "Ich bin der Surrealismus", behauptete er. Der Biograf Ian Gibson meldet allerdings Zweifel an der Genialität des Künstlers an: "Er war ein großer Maler, aber kein Genie." Nach Ansicht des Iren hatte Dali seine beste Zeit von 1926 bis 1938. Danach habe er sich wiederholt und sei zu einem "besessenen Showman" geworden.

Salvador Dali und seine Ehefrau und Muse Gala
Salvador Dali und seine Ehefrau und Muse GalaBild: AP

Die Ursache für den Niedergang sieht Gibson darin, dass der Künstler seine homosexuellen Neigungen nicht eingestehen wollte. Die Kunst sei zu einer Maske geworden, hinter der Dali seine Ängste verbergen wollte, meint der Autor. Dass der Künstler dennoch Erfolg hatte, verdankte er auch seiner Frau Gala.

Dali als politisches Rätsel

Die politische Haltung des großen Surrealisten stellt Historiker bis heute vor ein Rätsel. War Dali ein Faschist? Als junger Mann verkehrte er in linken Kreisen, aber schon relativ früh äußerte er Bewunderung für Adolf Hitler. Kurz vor seinem Tod im Jahr 1975 ließ Spaniens Diktator Francisco Franco fünf militante Regimegegner hinrichten. Aus aller Welt hagelte es Proteste. Aber Salvador Dali scherte sich nicht darum. "Man müsste noch mehr Leute exekutieren", meinte der Künstler.

Dennoch sind die meisten Experten der Ansicht, dass Dali kein überzeugter Rechtsradikaler war. Dali stand für Anarchie, Provokation und Exzesse, das Franco-Regime dagegen für Ordnung, Unterdrückung und erzkonservative Sittenstrenge. Aber weshalb machte der Surrealist dem Regime seine Aufwartung und kam einige Male mit dem Diktator zusammen? "Dali wollte unbedingt in seine Heimat an die Costa Brava zurückkehren", meint der Biograf Ian Gibson. "Dazu musste er sich in einen braven Christen und Franco-Anhänger verwandeln."

Auch die Dali-Experten Marius Carol und Josep Playa erklären die Rechtslastigkeit des Künstlers als eine Art von Opportunismus. "Dali war eher ein Kollaborateur des Franco-Regimes als ein echter Anhänger." Er ließ es zu, dass das Regime ihn für seine Zwecke benutzte. Dafür ließ der Diktator ihn in Ruhe arbeiten. (kas)