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Die große Hoffnung 5G

13. März 2017

Der Zenit der Smartphone-Verkäufe scheint überschritten. Wie ein goldenes Kalb trägt die Telekommunikationsbranche nun die fünfte Generation der Mobilnetze vor sich her und hofft sich damit selbst zu retten.

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Deutschland Mobilfunkmast LTE
Bild: picture-alliance/dpa

Die Mobilfunkbranche hat wenig zu feiern. Die neuesten Smartphones erzeugen bei Kunden eher Gähnen statt Erregung. Alle sehen ähnlich aus und echte Innovation ist schwierig geworden. Auf dem kürzlich zu Ende gegangenen Mobile World Congress - der weltweit größten Mobilfunkmesse, war ein Remake des Uralt-Handys Nokia 3310 der größte Hit. Der große Boom beim Geschäft mit mobilen Geräten scheint vorbei zu sein.

Spanien Mobile World Congress in Barcelona
Retro bei Mobiltelefonen: Das neue (links) und das alte (rechts) Nokia 3310.Bild: DW/P.-C. Britz

Nun liegt die große Hoffnung auf etwas, das es noch gar nicht gibt: die fünfte Netzwerkgeneration 5G. Rund 12,3 Billionen Dollar soll die neue Technik der Branche bis 2035 einbringen, prognostiziert der Chip-Hersteller Qualcomm. Wenig überraschend also, dass von der kleinen Software-Bude bis zum großen Netzbetreiber nahezu alle dem goldenen Kalb hinterher laufen. Dabei wissen die meisten gar nicht, wo die Entwicklung eigentlich hingeht.

Was ist mit 5G möglich?

Ideen aber gibt es zu Hauf: Vom vernetzten, selbstfahrenden Auto über die megaschnelle Live-Streaming-Erfahrung bis zum schlagzeugspielenden Roboter, sie alle sollen über das 5G-Netz kommunizieren, und zwar in atemberaubender Geschwindigkeit.

Eine andere mögliche Anwendung sind smarte Brillen, die dem Nutzer Bilder direkt vors Auge spielen. 5G soll es möglich machen, denn die Rechenleistung liegt nicht im Gerät und auch nicht im Handy - die Brille wird direkt mit dem ultraschnellen Netzwerk kommunizieren, so die Vision von der Deutschen Telekom, Deutschlands größtem Mobilfunk-Anbieter. Wie eine solche Brille aussehen kann, konnte man jüngst auf der Mobilfunkmesse in Barcelona bestaunen. Dort präsentierte Telekom-Chef Timotheus Höttges in Kooperation mit Zeiss eine solche smarte Brille, die seiner eigenen Hornbrille zum Verwechseln ähnlich sah.

Spanien Mobile World Congress in Barcelona
Smart oder dumm - das ist der Unterschied zwischen Brillen von heute und morgen.Bild: DW/P.-C. Britz

Netzwerke würden das Smartphone als Schaltstelle unnötig machen, meinte Höttges. Wird nun also das Ende des Smartphones eingeleitet? Alles werde in Zukunft mit dem intelligenten Netz kommunizieren, glaubt Höttges. Außerdem wolle man die 5G-Brille für Entwickler öffnen, damit Anwendungsfälle ausgearbeitet werden können, erklärte der Telekom-Chef. Mit anderen Worten: Wo genau die Entwicklung hingeht, weiß man auch hier noch gar nicht genau.

Neue Geschäftsideen dringend gesucht

Dabei brauchen gerade Netzbetreiber zündende Ideen, denn das große Geld machen mittlerweile Unternehmen wie Google, Netflix und Facebook. Dagegen kämpfen Telekom-Anbieter mit Gewinnrückgängen und Imageproblemen. Bisher hätten die Netzanbieter es nicht geschafft, in angemessenem Maß am Erfolg von Diensteanbietern teilzuhaben, heißt es bei der Managementberatung Oliver Wyman. Dabei wäre das mobile Internet ohne die erheblichen Investitionen der Netzbetreiber in der heutigen Form gar nicht möglich. "Mit der Einführung von 5G ist es für die Netzbetreiber von essenzieller Bedeutung, Diensteanbieter an der finanziellen Last zu beteiligen", betont Dieter Trimmel von Wyman.

"Kunden denken nur an Betreiber, wenn ihr Datenvolumen aufgebraucht oder das Netz überlastet ist", erklärt Sunil Bharti Mittal, der Vorstandsvorsitzende der Vereinigung der Mobilfunkanbieter GSMA. Auch deshalb hoffen Betreiber auf die schnellen Netze. Die Kapazitäten der 4G-Netze waren für diese Masse an heutigen Smartphones nie ausgelegt. Über die Erweiterung des Frequenzspektrums durch 5G sollen deutlich mehr Geräte im Netz kommunizieren können.

Es wird teuer

Die Kosten für das neue Netz dürften erheblich sein. Weltweit könnten Investitionen von 200 Milliarden Euro anfallen, schätzt Stéphane Richard, Chef des französischen Telekom-Providers Orange. Telekom-Chef Höttges rechnet gar mit 500 Milliarden Euro. Dafür werde die Deutsche Telekom massiv investieren. Höttges ruft aber auch nach dem Staat, der das zusätzliche Funkspektrum vergibt. Immerhin floss in der Vergangenheit viel Geld bei der Vergabe von Frequenzen. Die 5G-Frequenzen sollen bereits im kommenden Jahr an die Telekommunikationsunternehmen vergeben werden.

Spanien Mobile World Congress in Barcelona
5G in allen Lebensbereichen: Auch Autos sollen so vernetzt werden. Bild: DW/P.-C. Britz

Außerdem wird wohl kein Anbieter das Projekt 5G allein realisieren können, das war breiter Konsens auf der Mobilfunkmesse. Ganz neue Partnerschaften sind gefragt. Auch heutige Konkurrenten müssten für den Aufbau des 5G-Netzes zusammenkommen und Partnerschaften bilden, betonte Murthy Renduchintala, Mobilexperte des Chipherstellers Intel in Barcelona.

Noch hänge Europa bei der technischen Entwicklung von 5G nicht hinterher, warnte Höttges. Dass Kunden kaum bereit sein werden, die massiven Ausgaben für Glasfaserausbau und Funkfrequenzen über ihre Netzverträge zu bezahlen - zumal die Anwendungsbereiche noch unklar sind - muss er nicht dazu sagen.

Hype oder nur Blase?

Nicht alle sind im Rausch, wenn es um 5G geht. So war in Barcelona in den Zwischentönen oder hinter vorgehaltener Hand auch Kritik an der 5G-Begeisterung zu hören. Der Geschäftsentwicklungsleiter einer französischen Software-Firma hält wenig von dem Hype. Es sei wie in den 90ern und dann wieder in den 2000ern, als Firmen ebenfalls massiv investiert hätten, erklärte er. "Bluetooth wurde mal gefeiert wie heute 5G - und dann war es 3 Jahre später ganz normal, keine Revolution."

Ob Revolution oder nicht - sicher scheint, dass es die 5G-Technologie in den nächsten drei Jahren nicht zum Standard schaffen wird. Noch heute setzen viele Länder vorrangig auf die älteren 3G oder gar 2G-Technologien. Die Mobilfunkindustrie sei derzeit noch in der Findungsphase, glaubt Marius Corici. Er arbeitet am Fraunhofer-Institut Fokus in Berlin an zukünftiger Netz-Infrastruktur. "Bis nächstes Jahr weiß die Branche, was 5G ist, und was sie wirklich damit machen kann", so Corici. Dann müsste man es den Nutzern erklären. Die ersten wirklichen Anwendungen würde man aber erst 2020 sehen können.