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"Die Glaubwürdigkeit des Weltklimarates leidet!"

11. Februar 2010

Nach mehreren Pannen beim Weltklimarat IPCC fordern führende Klimaforscher eine umfangreiche Reform dieser UN-Organisation, einige sogar die Absetzung des Vorsitzenden, Rajendra Pachauri.

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Klimaforscher Prof. Hans von Storch (Foto: KlimaCampus)
Klimaforscher Prof. Hans von StorchBild: KlimaCampus

DW-WORLD.DE: Herr von Storch, wie kann es eigentlich passieren, dass im politisch extrem wichtigen vierten Weltklimabericht steht, dass die Himalaya-Gletscher 2035 geschmolzen sein könnten und plötzlich merkt, dass man sich komplett vertan hat. Wahrscheinlich wird es erst 2350 soweit sein. Wie kann so ein Zahlendreher passieren?

Prof. Hans von Storch: Der Zahlendreher ist menschlich. Der war irgendwann in dem Text drin und niemand hat sich etwas dabei gedacht. Das ist auch nicht gravierend. Aber die Tatsache, dass hier als Wissenschaft verkauft wurde, was niemals als Wissenschaft produziert wurde, ist der eigentliche Skandal. Da wurde offensichtlich extrem schlampig gearbeitet.

Aber es waren doch Wissenschaftler, die diesen Bericht verfasst haben?

Ja, aber die Wissenschaftler des Weltklimarates, IPCC, sind aufgefordert, sich an der vorhandenen wissenschaftlichen Literatur zu bedienen und den Stand des Wissens darzustellen, wie er sich in der Literatur darstellt. Das heißt, zu allen Behauptungen, die man aufstellt, muss es eine wissenschaftliche Veröffentlichung geben, mit der man die weitere Argumentation nachvollziehen kann. Dies ist in diesem Fall nicht gegeben.

Das heißt, es gab keine wissenschaftliche Veröffentlichung zu den schmelzenden Gletschern im Himalaya?

Nein. Das sehen Sie schon daran, dass die Flächenangaben vollkommen falsch waren. Es wurden Sachen ausgedacht oder vergeschoben, damit die Daten möglicherweise einem politischen Zweck dienten. Das ist das Schlimmste, was dem IPCC passieren kann.

Rajendra Pachauri, Chef des UN-Klimarates, IPCC (Foto: AP)
Schlechter Krisenmanager: Rajendra Pachauri, Chef des UN-Klimarates, IPCCBild: AP

Es ist ja nicht nur dieser Himalaya-Fehler. Auch der Chef des Weltklimarates, der Inder Rajendra Pachauri, steht massiv in der Kritik – auch weil er in gewisse Interessensverquickungen verwickelt ist. Neben seinem Ehrenamt beim Weltklimarat, IPCC, und der Leitung eines Energie-Forschungsinstituts in Delhi hat er als Berater von Firmen gearbeitet. Herr von Storch, einige Ihrer Kollegen fordern jetzt Pachauris Rücktritt. Sehen Sie das ähnlich?

Nicht ganz. Die Tatsache, dass Herr Pachauri noch immer Direktor seines Instituts ist, ist nach den Vorgaben des IPCC nicht verboten. Also insofern hat er sich formal richtig verhalten. Aber es stinkt natürlich und zeugt von einer politischen Instinktlosigkeit. Die richtige Methode wäre natürlich gewesen, er hätte von Anfang an seine Aufgabe als Institutsdirektor aufgeben und die UNO hätte fortan sein Gehalt bezahlt. Das kann sie sich garantiert leisten. Jetzt ist leider der Eindruck einer Abhängigkeit entstanden.

Dieser Eindruck steht jetzt im Raum und kann wohl auch nicht mehr so schnell aus dem Weg geräumt werden.

Nein. Und Pachauri kann sich auch nicht selbst freisprechen sondern muss dies anderen Leuten überlassen. In beiden Fällen – im Himalaya-Fall und im Falle der Honorare für Herrn Pachauri - ist es so, dass ein katastrophaler Eindruck entstanden ist und in beiden Fällen hatte er kein Krisenmanagement zur Hand. Stattdessen hat er kategorisch behauptet, da sei gar kein Problem. Mein Vorwurf an Herrn Pachauri ist, dass er inkompetent in Bezug auf das Krisenmanagement ist, dass er auf diese Art und Weise ein sehr schlechtes Bild des IPCC projiziert: Dass es ein arroganter Laden ist, der auf Kritik nicht reagiert.

Das sind klare Worte – glauben Sie, dass die Glaubwürdigkeit des IPCC gelitten hat?

Ja.

Sie fordern eine Reform des Weltklimarates. Was genau wollen Sie geändert haben?

Der entscheidende Punkt ist, dass im Bereich der wissenschaftlichen Beurteilung der Klimadynamik, der Klimawirkung und so weiter, politische und wirtschaftliche Interessen nichts zu suchen haben. In der politischen Umsetzung haben sie etwas zu suchen aber nicht, wenn es darum geht, Wissen zu den Klimafragen zusammenzustellen.

Befürchten Sie jetzt einen Rückschlag für den Klimaschutz?

Ich hoffe, dass die Diskussionen um den Klimaschutz in Zukunft vernünftiger angegangen werden - ohne hysterische Obertöne, die zurzeit dabei sind. Wir müssen zu einem rationalen Umgang mit diesem ernsten Thema Klimawandel zurückkommen.

Herrscht in der Klimaforscher-Szene nach diesen Vorfällen dicke Luft?

Ganz bestimmt. Aber ich denke, es ist sehr heilsam, was jetzt geschieht und in einiger Zeit werden wir eine bessere Debatte haben, in der es nicht nur darum geht, ob es eine Klima-Katastrophe ist oder ob es den menschgemachten Klimawandel gar nicht gibt, sondern dass wir die Dinge sehr viel realistischer ansehen.

Der Meteorologe und Klimaforscher Prof. Hans von Storch (60) ist Direktor des Instituts für Küstenforschung am GKSS-Forschungszentrum in Geesthacht (Schleswig-Holstein).

Das Interview führte Judith Hartl
Redaktion: Andreas Ziemons/Oliver Samson