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Journalisten in Kriegsgebieten

Naomi Conrad3. April 2013

Scharfschützen, Anschläge, Entführungen: Kriegsreporter geraten oft zwischen die Fronten. Unerfahrene Journalisten sind besonders gefährdet - aber auch für erfahrene Reporter gibt es keine absolute Sicherheit.

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Syrische Oppositionskämpfer (Foto: BULENT KILIC/AFP/Getty Images)
Bild: Getty Images

"Hey Leute, kann irgendjemand eine gute Lebensversicherung empfehlen?" Die Frage ist der Einstieg in eine längere Diskussion bei der Facebook-Gruppe für Kriegs- und Krisenreporter aus aller Welt. Andere sind auf der Suche nach zuverlässigen Kontaktpersonen, die sie über die Grenze nach Syrien schmuggeln können, nach gebrauchten Schusswesten oder einem günstigen Hotel in Mogadischu - und eben auch nach einer guten Lebensversicherung. Denn die Arbeit ist gefährlich: "Journalisten sind eine besonders gefährdete Gruppe in Kriegs- und Krisengebieten", sagt Ulrike Gruska von der Nichtregierungsorganisation "Reporter Ohne Grenzen". Journalisten würden unter besonderer Gefahr arbeiten: Sie gingen oft besonders nah ans Geschehen heran, um aus erster Hand zu berichten können. Mal reisen sie an die Frontlinie im syrischen Aleppo, wo sich Scharfschützen hinter Fenstern und auf Dächern verstecken, mal dringen sie für Interviews weit in Gebiete vor, die vielleicht von Kämpfern vermint wurden.

"Vielen Machthabern und kämpfenden Parteien sind Journalisten aber auch ein Dorn im Auge, weil sie eben nicht nur Propaganda verbreiten, sondern kritische Berichte liefern", fügt Gruska hinzu. Deshalb komme es auch zur gezielten Tötung von und Anschlägen auf ausländische Journalisten. So geriet der deutsche Fernseh-Reporter Jörg Armbruster am Karfreitag (29.03.2012) in Syrien unter Beschuss. Der Südwestrundfunk, für den er arbeitet, sprach von einem "gezielten" Anschlag auf Armbrusters Wagen durch einen Scharfschützen.

Jörg Armbruster (Foto: Frankfurter Buchmesse in Frankfurt am Main.)
Armbruster wurde in Syrien verletztBild: picture-alliance/dpa

"Friedhof der Journalisten"

Der erfahrene Krisenreporter überlebte dank einer Notoperation, andere aber nicht: Weltweit sind allein in diesem Jahr 13 Journalisten gestorben, so die Schätzungen der Nichtregierungsorganisation "Committee to Protect Journalists", die sich für die Sicherheit von Journalisten einsetzt. Werden Blogger hinzugezählt, liegt die Zahl noch höher: Allein in Syrien seien in diesem Jahr 24 Blogger und Journalisten ums Leben gekommen, so Gruska. "Friedhof für Journalisten", so nennt Reporter Ohne Grenzen das Land. Aber auch in anderen Kriegen sterben Fotografen und Korrespondenten: Etwa Gabriel Grüner, der 1999 im Kosovo erschossen wurde. Der Deutsche arbeitete für das Nachrichtenmagazin "Stern". Oder aber Karen Fischer und Christian Struwe, zwei Mitarbeiter der "Deutschen Welle", die 2006 in Afghanistan ums Leben kamen.

Immer wieder rufen junge, unerfahrene Journalisten bei Gruska an. Sie hoffen, durch den Krieg in eine große Karriere zu starten: "Die sagen, sie wollen mal eine Fotoreportage in Afghanistan machen und ob man dafür irgendwas beachten muss." Berufsanfänger also, die "wirklich nichts in einem Krieg verloren haben", so fasst es Carsten Stormer zusammen. In Syrien hat der deutsche Fotograf und Journalist viele unerfahrene Kollegen gesehen. "Ich habe Leute getroffen, ohne Kontakte, die weder Englisch noch Arabisch gesprochen haben." Sie gingen oft unnötige Risiken ein. "Damit bringen sie nicht nur sich, sondern auch alle in ihrer Nähe in Gefahr", so Stormer.

"Keine Selbstmordmission"

Denn wer in ein Kriegsgebiet reist, sollte sich dort bereits auskennen und über sehr gute Kontakte und Sprachkenntnisse verfügen. Vor Ort verlässt sich Stormer, der unter anderem aus Syrien, Afghanistan und Irak berichtet hat, auf einheimische Helfer und seinen Menschenverstand. Er nehme gewisse Risiken in Kauf, gibt er zu. Aber: "Ich gehe auf keine Selbstmordmission, um an ein gutes Bild zu kommen." Schließlich sei der beste Journalist der, der lebend zurückkomme.

Syrische Kämpfer in Aleppo (Foto: James Keogh/Wostok Press)
Ein hoher Preis für Bilder aus dem KriegsgebietBild: picture-alliance/dpa

Um die Überlebenschancen zu erhöhen, hat Stormer immer einen Helm und eine schusssichere Weste dabei. Für die nächste Reise hat er sich einen Tracker gekauft: für den Fall, dass er verwundet oder entführt wird, können seine Kontaktpersonen genau verfolgen, wo er zuletzt war. Handys werden vor Ort ausgeschaltet, denn sie können leicht geortet werden, etwa von potenziellen Entführern. Vor der Abreise bespreche er Notfallpläne mit seinen Freunden und Angehörigen, erzählt ein Schweizer Fotograf, der das letzte Mal im Oktober in Syrien war. Unter Beschuss geraten sei er noch nicht: "Aber bei der Rückreise aus Aleppo kam uns ein Kampfflugzeug doch gefährlich nahe."

Keine 100-prozentige Absicherung

Es sind Kleinigkeiten, die den Unterschied zwischen Tod und Leben machen können. Etwa: "Stellen Sie sich tot, wenn Sie von einem Scharfschützen getroffen werden", so ein Tipp im Handbuch für Journalisten von der UN. Viele Medien schicken ihre Journalisten und Kameramänner außerdem in Trainingscamps der Bundeswehr, wo sie lernen sollen, wie sie Schüsse orten und versteckte Minen erkennen - oder aber, dass ein Auto keinerlei Schutz vor Schüssen bietet. "Wenn ein Korrespondent in ein Krisengebiet geschickt wird, erhält er in jedem Fall ein Training", so eine Sprecherin der ARD, des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Anfang März wurde ein ARD-Kamerateam in Nordchina attackiert, jetzt werde das gesamte China-Team ins Training geschickt.

Aber selbst das beste Training, gute Kontakte und Ausrüstung seien "keine 100-prozentige Absicherung", so Gruska. Armbruster sei ein erfahrener Kriegsreporter. Die amerikanische Kriegskorrespondentin Marie Calvin, die im vergangenen Jahr im syrischen Homs starb, ebenfalls. Gruska betont, dass in den vergangenen Monaten auch mehrere syrische Journalisten getötet wurden. Einheimische Journalisten setzten sich oft einer viel größeren Gefahr aus: Sie stellen Kontakte her, organisieren Interviews und bleiben im Land, wenn die ausländischen Reporter längst wieder in ihrer Redaktion sitzen. Trotzdem würden sie in der westlichen Berichterstattung weniger beachtet.

2012 starben laut Reporter Ohne Grenzen weltweit 141 Journalisten und Blogger, mehr als je zuvor in den vergangenen 20 Jahren. Werden Reporter, die über Kriege und Krisen berichten, auch in Zukunft bei ihrer Arbeit sterben? "Ja", sagt Gruska. Und fügt dann nach einer kurzen Pause hinzu: "Ich denke, das muss man leider so sagen."