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"Die Geister, die ich rief ..."

6. Oktober 2002

Die heutigen Feinde der USA waren einst ihre Freunde. In den 1980er Jahren haben die USA - und nicht nur sie - den Irak militärisch aufgepäppelt. Dies zeigen Dokumente, die jetzt dem US-Kongress vorgelegt wurden.

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A-, B- und C-Waffen: Hat er sie oder hat er sie nicht?Bild: http://www.un.org

Als Osama bin Laden in den 1980er Jahren in Afghanistan gegen die sowjetischen Besatzer kämpfte, wurde er von den Vereinigten Staaten mit Waffen, Geld und Training unterstützt. Und als Saddam Hussein Krieg gegen Iran führte, griff ihm die US-Regierung ebenfalls kräftig unter die Arme - auch Material für Massenvernichtungswaffen wurden damals in den Irak geliefert.

Vor dem möglichen Krieg gegen Saddam Hussein sieht sich die US-Regierung deshalb erneut mit der Frage konfrontiert, ob sie selbst "das Monster geschaffen hat, das sie vernichten will", wie es der Senator Robert Byrd kürzlich formulierte. In seinen Reden gegen Saddam Hussein hebt US-Präsident George W. Bush hervor, dass der irakische Machthaber in der Vergangenheit nicht davor zurückgescheut hat, chemische Waffen gegen Iran und die eigene Bevölkerung einzusetzen.

... nichts mehr davon wissen wollen

In den achtziger Jahren waren Giftgas-Angriffe der irakischen Armee auf die iranischen Truppen sowie die kurdische Bevölkerung in Nordirak für Washington für die USA jedoch keineswegs ein Anlass, Saddam Hussein fallen zu lassen. Für Senfgas-Attacken auf die iranische Armee soll der US-Geheimdienst CIA die irakischen Partner sogar mit Informationen zur Auswahl der Angriffsziele versorgt haben, wie der Starreporter der "Washington Post", Bob Woodward, bereits 1986 enthüllte. "Der Einsatz von Gas auf dem Schlachtfeld war keine Frage von großer strategischer Besorgnis", sagte Walter Lang, damals führender Geheimdienstoffizier, kürzlich der "New York Times".

Besorgt waren der damalige US-Präsident Ronald Reagan und seine Berater vielmehr über die anti-westliche Revolutionsregierung in Iran. Sie befürchteten, dass die iranischen Truppen die radikal-islamische Revolution in die ölproduzierenden Staaten am Persischen Golf exportieren würden. Eine irakische Niederlage musste deshalb dringend verhindert werden - mit welchen Methoden, war zweitrangig. Das Pentagon sei vom irakischen Giftgaseinsatz "nicht so entsetzt" gewesen, zitierte die "New York Times" einen Veteran des US-Militärgeheimdienstes DIA. "Es war lediglich eine andere Methode, Menschen zu töten - ob mit einer Kugel oder Phosgen, machte keinen Unterschied".

Erinnerungslücken?!

Saddam Hussein bezog während der achtziger Jahre massive militärische, technologische und wirtschaftliche Hilfe aus der gesamten westlichen Welt und auch aus der Sowjetunion. Ende 1983 schickte Reagan seinen Nahost-Gesandten nach Bagdad - es war niemand anders als der heutige Verteidigungsminister Donald Rumsfeld. Nach einem Bericht des Magazins "Newsweek" soll Rumsfeld damals Hilfe für den Krieg gegen Iran angeboten haben - der heutige Pentagon-Chef antwortete vor kurzem auf eine Befragung durch Senator Byrd, er könne sich an eine solche Mission nicht erinnern.

Bereits 1983 lieferten die USA 72 'Bell'- und 'Hughes'-Hubschrauber nach Irak - "für zivile Zwecke". Ein Teil dieser Hubschrauber soll gleichwohl für den Giftgas-Angriff auf die kurdische Stadt Halabdscha im März 1988 eingesetzt worden sein, bei dem 5000 Menschen getötet wurden. Für den Krieg erhielt Irak von den USA im Rahmen eines Geheimprogramms Satellitenbilder, die die Positionen der iranischen Truppen zeigten. Auch halfen laut "New York Times" 60 DIA-Agenten bei der Planung von Schlachten und Luftangriffen.

Die Geschichts-Falle

Aus offiziellen US-Dokumenten geht zudem hervor, dass zwischen 1985 und 1989 größere Mengen Giftstoffe, Krankheitserreger und andere gefährliche Materialien legal aus den USA nach Irak exportiert wurden, die sich für die Produktion von biologischen und chemischen Waffen eigneten. Zu den gelieferten Stoffen gehörten Botulinum-Gift, Anthrax-Sporen, e.Coli-Bakerien und Westnil-Viren. Weiterhin wird berichtet, dass sowohl das staatliche Amt für Seuchenschutz (CDC) als auch ein Unternehmen namens "American Type Culture Collection" (ATCC) mit offizieller Genehmigung Anthrax-Sporen in den Irak geschickt haben. Insgesamt soll es sich um sieben Stämme gehandelt haben, die in den Jahren 1986 und 1988 geliefert wurden.

Der Militärexperte John Pike von der "Denkfabrik" globalsecurity.org hebt zwar hervor, dass die von den UN-Inspektoren nach dem ersten US-Krieg gegen Irak entdeckten Materialen für B- und C-Waffenprogramme weit umfangreicher gewesen seien als die US-Lieferungen der 1980er Jahre. Gleichwohl sieht er die USA "von der Geschichte in die Falle gelockt". Auch Senator Byrd stellt die Frage, ob sein Land jetzt "erntet, was wir gesät haben". (afp/arn)