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Die gefürchtete Heimkehr

Birgit Morgenrath19. November 2015

Ghanaische Sicherheitsexperten warnen vor Terror-Rückkehrern: Rund ein Dutzend Kämpfer würden in diesen Tagen wieder in ihr Heimatland Ghana reisen. Sie sollen vom sogenannten Islamischen Staat ausgebildet worden sein.

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Symbolbild - Afrikanische Miliz
Bild: Getty Images/AFP/J. Moore

Sie sind gut ausgebildet im Umgang mit Waffen. Sie wissen, wie man Angriffsziele auswählt und Anschläge vorbereitet. Und im Zweifelsfall schrecken sie vor nichts zurück: Kämpfer, die ein Training beim sogenannten "Islamischen Staat" (IS) durchlaufen haben, sind tickende Zeitbomben. Während in europäischen Staaten wie Frankreich oder Deutschland die Bedrohung längst erkannt wurde, spielte das Thema in afrikanischen Staaten bisher kaum eine Rolle. Doch nun warnte der ghanaische Sicherheitsexperte Irbad Ibrahim in einer Radiosendung vor einer aktuen Bedrohung: Mehr als zehn Rückkehrer kämen dieser Tage nach Ghana. Woher die Informationen kommen, ließ er offen.

Die Kämpfer seien vor ihrer Reise Studenten gewesen, erzählt Mutaru Mumuni Muqtar im Gespräch mit der DW. Er ist Leiter des 'West Africa Centre for Counter Extremism' in Accra. "Sie stellen mit Sicherheit eine große Bedrohung und Gefahr für unsere Gesellschaft dar, weil sie in der Lage sind, andere Personen zu radikalisieren und zu Gewalttaten anzustiften." Das sieht er vor dem Hintergrund, dass immer mehr Westafrikaner und Ghanaer sich von den Versprechungen des IS anlocken ließen.

Wie viele junge Menschen bisher nach Syrien ausgereist sind und aus welchen afrikanischen Ländern sie kommen, ob sie allein oder in kleinen Gruppen reisen - viel weiß man über das Phänomen bisher noch nicht. Anders als in Europa dürften es aber kaum Einzelkämpfer sein, die sich auf die Reise machten, meint der Journalist und Buchautor Marc Engelhardt. Für einen Ghanaer sei es im Vergleich sehr viel schwieriger ins Ausland zu reisen. So gebe es zum Beispiel keine Direktflüge in die Türkei - ein beliebtes Einreiseland nach Syrien. Außerdem seien Visa in manchen Ländern nur schwer zu beschaffen, es fehlten das nötige Geld und die Kontakte: "Wenn sie es doch schaffen und reisen, brauchen sie Unterstützung von Splittergruppen, einer radikalisierten islamischen Gemeinde oder einen anderen Sponsor, der die Reise überhaupt ermöglicht", so Engelhardt.

'Heiliger Krieg' als Broterwerb

Auch die Motive seien andere als die "postmaterialistischen" europäischer "Terror-Touristen", wie der Experte sie nennt. Die seien auf "Sinnsuche", während afrikanische Dschihadisten häufig gut ausgebildete junge Männer seien ohne Aussicht auf eine geregelte Beschäftigung. Das bestätigen auch Guido Steinberg und Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik in ihrer Studie 'Jihadismus in Afrika' aus dem März 2015: "Da nach der Schule kaum angemessene Arbeitsstellen warten, sehen sich viele Schulabgänger nicht in der Lage, eine Familie zu gründen und zu versorgen." Von Terrororganisationen wie Boko Haram weiß man, dass sie ihren Kämpfern einen Lohn zahlen und damit eine Perspektive geben.

Symbolbild - Afrikanische Miliz
Seit Juni dieses Jahres sollen einem UN-Bericht zufolge 25.000 ausländische Kämpfer aus 100 Nationen beim sogenannten 'Islamischen Staat' kämpfenBild: Getty Images/AFP/I. Lieman

Dass die Nachwuchs-Terroristen auch in ihre stabilen und friedlichen Heimatstaaten wie im Beispiel Ghana nach ihrer "Ausbildung" zurückkehrten, so die These Engelhardts, gehöre zum "Deal": Die Finanziers erwarteten eine Gegenleistung, möglicherweise einen "Einsatz". Die Heimkehrer verfügten über neue Fertigkeiten, Ideen, Kontakte und nicht zuletzt auch finanzielle Mittel. "Das sind dann gleich vier Faktoren, die für den Terrorkampf in diesen afrikanischen Ländern eine große Rolle spielen können."

'Terror-Tandem': Rückkehrer mit neuen Strategien

Anders ist die Lage in Staaten, in denen bereits seit Jahren nationale Terrorgruppen Teile des Landes beherrschen, so wie in Somalia und Nigeria. Dort hat sich die islamistische Terrorgruppe Boko Haram inzwischen zum IS bekannt. Seitdem habe es wohl einen regen Austausch untereinander gegeben. Die Rückkehrer hätten ihr erlangtes Wissen eingebracht: So hat Engelhardt eine Professionalisierung der Propaganda festgestellt. "Der Umgang mit Youtube-Videos ist seitdem viel moderner geworden." Dieses im Irak, Syrien oder anderen Terrorcamps erworbene technische Wissen werde ergänzt durch Know-How über den Bau von Bomben und den Umgang mit Waffen.

Boko Haram hat auch zuvor schon Kontakte zu anderen Terror-Netzwerken gepflegt, zum Beispiel zu den "Gotteskriegern" im Norden Malis, die ihrerseits Verbindungen in den Irak und nach Afghanistan zu Al-Kaida-Gruppen hatten. Durch diese Zusammenarbeit entwickelte Boko Haram offenbar eine neue Strategie: "Man hat dann mit Entführungen begonnen, die es so vorher gar nicht gegeben hat", erzählt Engelhardt. Eine lukrative Einnahmequelle. "Es hat eine regelrechte Entführungswelle in Nigeria gegeben." Die Lösegelder hätten Boko Haram Beträge in dreistelliger Millionenhöhe Euro eingebracht. "Die Kämpfer werden zu einer Schulung geschickt, um Gelder zu generieren".

Insgesamt nur wenige Rekruten aus Afrika

Die größte Gruppe von Rekruten afrikanischen Ursprungs, die für den sogenannten Islamischen Staat kämpfe, käme aber gar nicht aus Afrika: Es seien die Kinder und Enkel afrikanischer Migranten aus Europa oder den USA. Das FBI habe gerade veröffentlicht, dass ein Viertel der US-amerikanischen IS-Rekruten allein aus Minnesota käme, berichtet Engelhardt. Dort lebten 90 Prozent der somalischen Migranten "ohne wirtschaftliche Chancen", von der Gesellschaft ausgegrenzt und ohne Perspektive.

Der Sicherheitsexperte Mutarui Mumuni Muqthar mahnt die ghanaische Regierung und fordert schärfere Gesetze. Die Sicherheitsbehörden müssten besser mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um an Informationen über verdächtige Personen zu kommen. Und er ruft die Medien des Landes zu größerer Zurückhaltung bei der Berichterstattung über den islamistischen Terror auf. Die Medien zeigten häufig "apokalyptische Ereignisse" und würden so unbeabsichtigt Werbung für den Terror machen. "Diese Glorifizierung von Terroristen treibt ihre Kampagne weiter an."