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Kreativ in Kalifornien

Cornelia Rabitz31. Oktober 2008

Es ist für viele Künstler eine einmalige Chance: drei Monate in der "Villa Aurora" in Los Angeles leben und arbeiten. Nach ihrer Rückkehr präsentieren sie ihre Werke in Berlin.

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Außenansicht des Martin-Gropius-Bau, Haupteingang (Quelle: jirka-jansch.com)
Hier präsentieren die Stipendiaten nach ihrer Heimkehr ihre Arbeiten: die "Villa Aurora Nacht" im Martin-Gropius-Bau in BerlinBild: jirka-jansch.com, 2007

Judith Schalansky will erst mal schauen, was passiert, wenn sie ab Januar für drei Monate in Los Angeles ist. Sie freut sich und ist gespannt. Vor allem eins möchte sie: herausfinden, wie das Land "wirklich" ist, wie es "tickt". "Man hat die Vorstellung von einem leichteren Leben, schon was die Temperaturen angeht, die Vegetation", sagt die 28-Jährige. "Mich beeindrucken zum Beispiel Palmen, das ist lächerlich, aber ich hab als Kind immer Palmen gemalt." Die Vorstellung, unter Palmen eine Straße entlang zu fahren, das ist für sie dieses Los-Angeles-Gefühl, "so als ob man sich die ganze Zeit in einem Film befindet."

Judith Schalansky ist Stipendiatin der "Villa Aurora". Einst das Wohnhaus des aus Deutschland emigrierten Schriftstellers Lion Feuchtwanger in Los Angeles ist es heute ein transatlantisches Künstlerhaus mit einem Stipendienprogramm für so genannte "Artists in Residence". Für drei Monate kommen jährlich bis zu 16 Schriftsteller, Filmemacher, Komponisten oder Bildende Künstler hierher, um künstlerische Projekte zu bearbeiten, sich auszutauschen und neue Kontakte zu knüpfen. Während ihres Aufenthaltes werden für sie Lesungen, Konzerte und Ausstellungen organisiert. Gefördert wird das Ganze nicht nur von privaten Sponsoren, sondern auch vom Auswärtigen Amt und dem Bundesbeauftragten für Kultur und Medien. In Berlin hat die "Villa Aurora" ihr zweites Standbein. Dort präsentieren die Heimkehrer auch einmal im Jahr ihre Werke. An diesem Donnerstag (30.10.2008) war es mal wieder so weit. Im Martin-Gropius-Bau in Berlin trafen sich ehemalige und zukünftige Stipendiaten und die Kunstszene der Hauptstadt zu einem abwechslungsreichen Abend.

Inspiriert von "Little Odessa"

Die Fremde entdecken, weit weg sein, abreisen, wiederkommen – all das hat Judith Schalansky schon immer fasziniert. Ihr erster, vor kurzem veröffentlichter Roman "Blau steht dir nicht" handelt konsequenterweise von Matrosen. Die Reise in die USA ist für die junge Autorin nicht die erste. Einmal, in New York, fuhr sie raus nach "Little Odessa", dem russischen Viertel vor den Toren New Yorks. "Ich fand es so faszinierend, dass dort alles mit kyrillischen Buchstaben beschriftet ist", erinnert sie sich. "In Kalifornien sagt man ja, dass es dort eher Mexikaner gibt." Das ist es gerade, was Judith Schalansky an der Fremde so fasziniert: Man gehe los mit bestimmten Vorstellungen und entdecke eine ganz andere Fremde, als man vielleicht im Kopf habe. In der "Villa Aurora" will die Schriftstellerin an einem neuen Buch arbeiten. Es soll sich mit Fragen der Biologie und der Evolutionstheorie beschäftigen.

Weites, leeres Land

Was Judith Schalansky noch vor sich hat, ist für Christian Keinstar bereits Vergangenheit. Der Fotograf und Videokünstler ist vor kurzem aus der "Villa Aurora" zurückgekehrt – der Aufenthalt, so sagt er, habe ihn geöffnet und inspiriert. "Für mich war das Wichtigste das Land, die Umgebung", erzählt Christian Keinstar. "Sie können in manchen Gegenden auf dem Highway fahren und da steht dann 'next Service 200 miles'. Das heißt, die nächste Tankstelle, nächste Wasserstelle, nächste Erholung ist erst in 200 Meilen. Das sind 300 Kilometer, da kommt erst mal nichts." Das fand der junge Mann großartig. Die meiste Zeit habe er in der Wüste verbracht.

Dann lacht er und erzählt, dass es in den USA einen Spruch gebe, man könne seinen Hund sieben Tage lang bei der Flucht beobachten. "Das sind einfach so Sachen, die kennt man hier nicht. Hier ist immer was zugebaut."

Aus den USA mitgebracht hat der Künstler aber mehr als einzigartige Erfahrungen, nämlich unter anderem eine großformatige Fotoserie, auf der ein amerikanisches Löschflugzeug über der Wüste grellrotes Löschpulver versprüht.

Inspirierendes Umfeld

Die Erfahrungen bewahren: das hat sich Antje Vowinckel in Kalifornien angewöhnt. Sie hat viel Tagebuch geschrieben und versucht, auch alltägliche Dinge mit einem poetischen Blick zu betrachten. "Ich habe mich mit einem konkreten Projekt beworben", erinnert die Musikerin sich. Es ging um Schönheitschirurgie. Dazu hatte Antje Vowinckel bereits früher Interviews geführt. "Ich habe dann in der Villa Aurora eine Bühnenmusik komponiert und mit den Originalinterviews eine Bühnenperformance entwickelt, in so einer Art Wartezimmersituation".

Die Stipendiaten fasziniert das Zusammentreffen unterschiedlicher Künstler und Kunstrichtungen in einer für die meisten neuen Umgebung, das Entstehen neuer Texte, Töne und Bilder in den Köpfen. Dass filmische Inspirationen dabei in der Nähe von Hollywood eine besondere Rolle spielen, versteht sich von selbst. "Mal gucken, wie der LA-Film dann aussieht", überlegt Judith Schalansky. "Ich muss schon lachen, dass ich LA sage – und die Vorstellung, dass man dann dort tatsächlich sein kann, wohnen kann, ist doch ungeheuerlich."