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Reise

Die Farben der Städte

25. Oktober 2016

Auf einer Reise vom Nordkap bis nach Athen hat ein Forscher die Farbwelten von 22 Städten untersucht. Im Norden geht es bunter zu als im Süden. Dort dominieren hellere Farbtöne.

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Lettland Riga Stadtansicht Altstadt
Riga, die Hauptstadt von LettlandBild: picture alliance/Bildagentur-online

Gibt es so etwas wie eine Farbheimat in Städten, die uns prägt? Um das herauszufinden, machte sich der deutsche Forscher Markus Pretnar im vergangenen Jahr auf eine Reise vom Nordkap bis nach Athen. Der Wissenschaftler wählte sich den 26. Längengrad als längste Landverbindung von Nord nach Süd aus, zog einen 200-Kilometer-Radius und wählte Städte wie Helsinki, Riga, Minsk, Bukarest und Athen aus.

Insel Tjörn Schweden
Das typische "Schwedenrot"Bild: picture-alliance/pixeljunge

Pretnar startete in Norwegen und reiste über Finnland, Estland, Lettland, Litauen, Weißrussland, die Ukraine, Rumänien und Bulgarien nach Griechenland. "Ich habe 22 Städte auf dem 26. Längengrad in zwölf gleiche Teile unterteilt und eine Flut an Bildern geschossen", berichtet der Mainzer Professor für Innenraumentwurf und Farblehre.

Rumänien Bukarest Piata Natiunile Unite
Piaţa Naţiunile Uniţe in Bukarest, RumänienBild: picture alliance/Arco Images

Signifikante Orte wie Bahnhofsvorplätze, Sehenswürdigkeiten, Fußgängerzonen und Neubauviertel nahm er im 360-Grad-Panorama auf und erstellte dann Farbkarten. "Die Aufnahmen habe ich im Computer auf die häufigste Farbigkeit und auf deren proportionale Verteilung reduziert."

Was kam am Ende der Reise heraus? 

Farben der Städte - Prof. Markus Pretnar
Markus Pretnar ermittelt Farbsignaturen von StädtenBild: picture-alliance/dpa/A. Arnold

"Der wichtigste Aspekt ist, dass Städte durchaus eine farbliche Identität besitzen", sagt der Experte. "Der Ausdruck der Farbigkeit, die Farbfamilie, wenn man es so nennen will, hält sich nicht an nationale oder willkürlich gesetzte Grenzen. Sie überspielt zum Teil auch Sprachräume." Es gibt nach seiner Ansicht Muster - von bunt in Helsinki bis hell in Athen. "Vor allem die skandinavischen Länder bis in den baltischen Raum haben ganz häufig eine fast klischeehafte Farbgebung in Rot, Grün, Blau und Curry." Je weiter südlich man kommt, umso heller wird es, fand er heraus, umso schwerer zu erfassen sind aber auch die Farben.

Farben der Städte - Athen
Blick auf die griechische Hauptstadt AthenBild: picture alliance/dpa/S. Hoppe

Städte in Deutschland haben ebenfalls ihren eigenen Farbcharakter. Wer in Norddeutschland unterwegs ist, trifft oft auf roten Backstein, im Sauerland sind viele Häuser aus schwarz-weißem Fachwerk, in Frankfurt, Mainz und Würzburg finden sich rote Gebäude aus Mainsandstein, im Süden sind zahlreiche Altstädte bunt.

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Hansestadt Stralsund, DeutschlandBild: picture-alliance/dpa/S. Sauer

Die Farbgebung ist meist historisch gewachsen, die Kommunen haben aber auch Einfluss darauf. "Aus der Sicht der Stadtentwicklung spielt die Farbgebung eine nicht zu unterschätzende Rolle", sagt Bernd Düsterdiek, Chef des Referats Stadtentwicklung beim Deutschen Städte- und Gemeindebund in Bonn. "Die Kommunen achten bei der Stadtplanung darauf, dass nicht nur die Bausubstanz passt, sondern auch die äußere Gestalt von Gebäuden." Das Städtebaurecht gebe ihnen zudem Möglichkeiten, Einfluss auf die Farbgebung zu nehmen. Neben Bebauungsplänen können die Städte Satzungen zur Gestaltung erlassen, die Dachneigung, Dachmaterialien, aber auch Fassadengestaltung und Farbgebung mit einbeziehen. "Damit beispielsweise in einer Sauerländer Fachwerksiedlung nicht plötzlich ein "lila Haus" auftaucht», sagt Düsterdiek.

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Fachwerkhäuser in Fritzlar, DeutschlandBild: picture-alliance/dpa/U. Zucchi

Ein großer Teil der historischen Altstädte hat eigenständige Satzungen zur Gestaltung oder für Denkmäler erlassen. "Bekannte Imbissketten tragen zum Beispiel in manchen historischen Ortskernen nicht ihre markant bunten Werbetafeln, sondern nutzen aufgrund der kommunalen Vorgaben farblich an die historische Umgebung angepasste Firmenlogos", sagt Düsterdiek. Auch für Neubauten können spezielle Satzungen erlassen werden.

Der Farbforscher Pretnar versucht, Wege zu finden, wie eine zeitgemäße, vielleicht intuitive Farbgestaltung auch im Innenraum angegangen werden kann. "Gut gelaunte Menschen haben ein intensiveres Farbempfinden, depressive Menschen sehen die Welt weniger farbig", sagt er.

Deutschland Frankfurt am Main chinesische Touristen
Auf dem "Römer" in Frankfurt am Main, DeutschlandBild: picture-alliance/dpa/A. Dedert

Auf seiner Reise hat er nicht nur bunt und hell kennengelernt. Man könne für eine Stadt nicht nur einen Farbkanon historischer Gebäude anlegen. "Mainz ist nicht nur der Dom, Frankfurt ist nicht nur der Römer," sagt er. In allen Städten schließlich liefert der Straßenbelag die meisten Farbanteile und da ist alles grau in grau.

Oliver von Riegen/is/ks (dpa)