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Hilfe für die Banken

8. Februar 2012

Seit 100 Tagen ist der neue Präsident der Europäischen Zentralbank im Amt. Mario Draghi hat in dieser kurzen Zeit einen Kurswechsel vollzogen, um Europas klamme Banken über Wasser zu halten.

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Die Europäische Zentralbank in Frankfurt (Foto:dpa)
Die Europäische Zentralbank in FrankfurtBild: picture-alliance/dpa

Für viele Experten und Akteure an den Finanzmärkten ist die Europäische Zentralbank, die Notenbank der 17 Staaten mit dem Euro als Währung, die letzte Hoffnung. Immer wieder gibt es Forderungen aus den überschuldeten Staaten der Euro-Zone, aus Großbritannien und vor allem aus den USA, die EZB möge doch die Notenpresse anwerfen und den Markt mit billigem Geld fluten. So macht es die Federal Reserve, die Notenbank der USA, seit Jahren. So macht es auch die Bank of England. Doch Mario Draghi gilt wie die Vertreter der Deutschen Bundesbank als Verfechter einer strengen Geldwertstabilität. Das "quantitative easing", wie das Gelddrucken in den USA heißt, lehnt Draghi wegen möglicher Inflationsgefahren ab, genauso wie den direkten Kauf von Staatsanleihen durch die EZB. "Das ist in unseren Verträgen und Statuten einfach nicht vorgesehen", beschied Draghi bei seiner ersten Pressekonferenz denjenigen Geldmarktpolitikern, die die große "Bazooka" auspacken wollten.

Die supranationale Institution mit Sitz in Frankfurt am Main kann als einziges EU-Organ schnell agieren, während die Politik oft Monate für Maßnahmen zur Bekämpfung der Euro-Krise braucht. Als Mario Draghi, der ehemalige Notenbankchef Italiens, am 1. November 2011 sein Amt antrat, hatte er nur wenige Tage Zeit, die Lage zu sichten und einen Plan zu entwerfen. Draghi will den Ankauf von Staatsanleihen aus Griechenland, Portugal, Spanien und Italien von anderen Gläubigern auf dem so genannten Sekundärmarkt auslaufen lassen. Dieses Rezept hatte sein Vorgänger Jean Claude Trichet angewendet, um die Zinslasten der Schulden-Staaten zu senken. Der Präsident der Bundesbank, Jens Weidmann, der wie die übrigen Notenbank-Chefs der Euroländer im Aufsichtsgremium der EZB sitzt, hatte diese Aufkäufe von Anleihen kritisiert.

Banken bekommen billiges Geld in Massen

Mario Draghi verfolgt nun ein anderes Konzept, dass er bei einem vertraulichen Essen mit Bank-Managern im November entworfen hat. Die mißtrauischen Banken in Europa, die sich untereinander kein Geld mehr leihen, bekommen von der EZB seit Weihnachten unbegrenzt hohe Kredite mit einer dreijährigen Laufzeit zu extrem niedrigen Zinsen bereitgestellt. Gleichzeitig senkte Draghi den Leitzins auf den Rekordwert von nur einem Prozent.

EZB-Präsident Mario Draghi (Foto: dapd)
EZB-Chef Mario DraghiBild: dpa

"Wir wissen sicher, dass wir eine schwere, schwere Kreditklemme verhindert haben, eine schwere Finanzierungskrise", sagte Mario Draghi Ende Januar auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Die Banken in Europa liehen sich bei der EZB seit dem 22. Dezember 2011 fast 500 Milliarden Euro zu günstigsten Bedingungen, um flüssig zu bleiben. Das Geld sollen sie ausgeben, um Staatsanleihen von überschuldeten Euro-Staaten zu kaufen. Dieser Plan ging auch teilweise auf. Die Zinsen für kurzfristige italienische und spanische Schuldentitel sanken. Draghi macht aber auch klar, dass er die Banken zu nichts zwingen kann, das Geld in seinem Sinne, also in der realen Wirtschaft und in Staatsanleihen anzulegen. "Wir haben noch keine Beweise. Wir müssen abwarten. In der Zwischenzeit können wir nur sagen, dass es Regionen gibt, in denen fließen Kredite mehr oder weniger normal. In anderen ist der Kreditfluss ernsthaft gestört", so Draghi.

Die EZB flutet also jetzt die Banken mit billigem Geld, damit diese die Staaten finanzieren. Mit diesem Umweg umgeht Mario Draghi das Verbot direkter Staatsfinanzierung in den Europäischen Verträgen. Ansgar Belke, Geldmarkt-Experte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, kritisiert, dass die EZB so zum Staatsfinanzierer durch die Hintertür werde. Dagegen lobt der Präsident des Privatbanken-Verbandes BdB, Andreas Schmitz, den Pragmatismus, mit dem Draghi die Krise entschärfe.

Eine Billion bis Ende Februar?

Die europäische Notenbank will den Geschäftsbanken bereits Ende Februar erneut billigstes Geld anbieten. Die Ausleihsumme könnte dann bis zu 1000 Milliarden Euro betragen, schätzen Bankvorstände, die anonym von der "Financial Times" zitiert werden. Man werde "beherzt" zugreifen, denn für die Banken besteht kein Risiko, sondern vor allen Dingen die Aussicht auf gute Gewinne.

Gestapelte Euro-Banknoten (Foto:dpa)
Bis zu eine Billion Euro will die EZB den Geschäftsbanken für Kredite bereitstellenBild: picture-alliance/dpa

Mario Draghi nimmt als EZB-Präsident an jedem der zahlreichen Rettungs-Gipfel der Europäischen Union teil. Offiziell werden die Maßnahmen nicht mit der Politik koordiniert. "Wir können der EZB ja keine Weisungen erteilen", sagte dazu Bundeskanzlerin Angela Merkel beim vorletzten Gipfel in Brüssel. Aber natürlich weiß Draghi, welche Erwartungen die Politiker an die vom Gesetz her völlig unabhängige Zentralbank haben. Den Fiskalpakt zur Verschärfung der Haushaltsdisziplin lobte er in Brüssel, während Bundesbank-Präsident Weidmann den Pakt kritisch sieht.

EZB könnte Griechen helfen

Erwartet wird jetzt von einigen Analysten auch, dass sich die Europäische Zentralbank an der Entschuldung Griechenlands beteiligt. Bislang sollten nur die privaten Anleger und Banken bluten. Die EZB hält jedoch rund 50 Milliarden Euro an griechischen Staatsanleihen und ist damit der größte Gläubiger der Regierung in Athen. Bislang hat die EZB einen Schuldenerlass abgelehnt. Angesichts der katastrophalen Lage in Griechenland könnte sie jetzt nachgeben. Verluste aus diesem Geschäft würden am Ende die Eigner der Zentralbank, also die Staaten der Euro-Zone tragen. Insgesamt hat die EZB 220 Milliarden Euro an hochriskanten Staatsanleihen in den Büchern, die sie im letzten Jahr aufgekauft hat. Oliver Holtemöller im Institut für Wirtschaftsforschung in Halle sieht die EZB wegen dieser "Ramschpapiere" als eine gigantische "Bad Bank". Eventuelle Verluste trägt am Ende der Steuerzahler.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Thomas Latschan