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Machtlose Europäer?

21. Juli 2010

Seit Jahrzehnten versucht auch die EU im Konflikt im Nahen Osten zu vermitteln - ohne wirklichen Erfolg. Warum, das erklärt der Vorsitzende der Nahost-Arbeitsgruppe des EU-Parlaments, Hans-Gert Pöttering, im Interview.

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Hans-Gert Pöttering (Foto: eukas)
Nicht die Hoffnung auf Frieden aufgeben, meint Hans-Gert PötteringBild: eukas

DW-WORLD.DE: Herr Pöttering, im Nahost-Konflikt ist schon lange nicht mehr über Fortschritte gesprochen worden. Was kann die EU in so einer verfahrenen Lage überhaupt tun?

In der Politik im Allgemeinen und im Nahen Osten im ganz Besonderen dürfen wir niemals die Hoffnung aufgeben, dass es doch eine Lösung geben kann. Ein Beispiel: Wir haben in der Europäischen Union gerade den 60. Jahrestag der Erklärung von Robert Schuman vom 9. Mai 1950 gefeiert, womit er den Versöhnungsprozess in Europa ausgelöst hat. Was damals undenkbar schien - dass die Völker Europas, vor allem Frankreich und Deutschland sich versöhnen und gemeinsam an Europa bauen - war sehr erfolgreich. Wenn es einen guten Willen gibt, kann so etwas Vergleichbares auch im Nahen Osten möglich sein. Insbesondere die Europäische Union muss hier ein starker Motor sein. Sie muss die Beteiligten drängen, nicht nachzulassen, weiter am Frieden zu arbeiten und diesen im Nahen Osten zu suchen.

In den vergangenen Tagen hat quasi die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton diesen Motor geführt. Sie war zuletzt in Israel und in den Palästinensergebieten zu Besuch. Doch über das Treffen mit Israels Ministerpräsident Netanyahu wurde Stillschweigen vereinbart. Ein Treffen mit Palästinenserpräsident Abbas kam erst gar nicht zustande. Ist das symbolisch für die aktuelle Machtlosigkeit der Europäer?

Die EU-Außenbeauftragte, Catherine Ashton (links), und der Ministerpräsident der palästinenischen Gebiete, Salam Fayyad (Foto: AP)
Ashton zu Besuch bei FayyadBild: AP

Ich glaube nicht, dass man das als Machtlosigkeit interpretieren und deuten kann. Catherine Ashton ist in den Nahen Osten gefahren (17.-19.07.2010) und hat ja auch den Ministerpräsidenten der palästinensischen Gebiete Salam Fayyad gesehen, der kürzlich auch im Europäischen Parlament in Brüssel war. Ich bin ihm in den vergangenen Wochen zwei Mal begegnet. Er ist sehr aktiv und engagiert, einen palästinensischen Staat von unten aufzubauen. Und ich hoffe, dass Catherine Ashton mit dem Ministerpräsidenten Israels, Benjamin Netanjahu, eine sehr offene Aussprache gehabt hat. Mittlerweile akzeptiert auch Israel, dass die Grenzen zum Gazastreifen geöffnet werden müssen, damit sich das Land entwickeln kann. Die Hamas muss aufhören mit den Raketenangriffen. Und wenn das alles geschieht, dann gibt es auch Chancen für eine Zweistaaten-Lösung. Das heißt: Israel in sicheren Grenzen und Palästina in sicheren Grenzen. Und hier dürfen wir nie nachlassen in unseren Anstrengungen - gemeinsam mit den USA, mit Russland, mit den Vereinten Nationen muss die Europäische Union ihre Aufgaben übernehmen.

Knackpunkt ist aber die Hamas. Warum will die EU die Organisation nicht anerkennen?

Weil sie sich bisher noch zu Terror bekennt und sie will Israel nicht anerkennen. Aber gleichwohl kann man die Hamas nicht links liegenlassen. Deswegen führen andere, also nicht die Europäische Union, Gespräche mit der Hamas - mit dem Einverständnis Israels. Auch Ägypten ist dabei ein wichtiger Vermittler. Darüberhinaus müssen sich auch die beiden Gruppen der Palästinenser versöhnen: die Fatah, die im Westjordanland die Macht hat, und die Hamas im Gazastreifen. Sie müssen wieder zusammenkommen, denn nur dann kann es auch einen palästinensischen Staat geben.

Was kann denn die EU tun, um die humanitäre Lage der Palästinenser im Gazastreifen zu verbessern?

Ein Palästinenser in einem Tunnel zwischen dem Gazastreifen und Ägypten (Foto: picture-alliance/dpa)
Versorgungsnot im Gazastreifen - über Tunnel werden Waren geschmuggeltBild: picture-alliance/ dpa

Die EU stellt bereits sehr viel Geld für den Gazastreifen und für das Westjordanland zur Verfügung. Wir müssen aber über die humanitäre Hilfe hinauskommen. Das hat auch Catherine Ashton bei ihrem Besuch gesagt. Gaza muss sich wieder entwickeln können. Der Gazastreifen ist zu einem großen Teil zerstört worden durch die Auseinandersetzungen, durch den Krieg. Vieles ist nicht wieder aufgebaut worden, weil man die Materialen gar nicht in den Gazastreifen hineinlässt. Die Palästinenser im Gazastreifen müssen eine wirkliche Chance haben, die über die rein humanitäre Hilfe hinausgeht. Es muss wieder Möglichkeiten für die Entwicklung in Gaza geben. Wenn das alles geschieht, dann sind auch die Bedingungen für einen Frieden besser.

Interview: Karin Jäger
Redaktion: Nicole Scherschun