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EU macht Pause

Anke Hagedorn, Brüssel6. August 2008

Es gibt viele wichtige und unerledigte politische Themen in der Europäischen Union: Verfassung, Bürokratieabbau, Sicherheit und Verteidigung. Doch niemand kümmert sich in Brüssel darum. Die EU-Zentrale macht Ferien.

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Artikelbild: Fernschreiber Brüssel
Bild: DW

Außer ein paar staunenden Touristen verirren sich derzeit nur wenige ins Brüsseler EU-Viertel. Die ansonsten vor allem morgens und abends voll besetzten U-Bahnen und die eigentlich immer kurz vor dem Verkehrskollaps stehende Hauptachse durchs Viertel, die rue de la Loi, sie alle sind angenehm leer. Gähnende Leere auch in den Fluren der EU-Kommission sowie des Ratsgebäudes und des Parlamentes. Keine eiligen Anzugträger mit dicken Aktenmappen unter dem Arm, keine Trauben von Journalisten vor dem Pressesaal.

Die Zuhörerschaft der mittäglichen Pressekonferenz ist mehr als übersichtlich: Es sitzt gerade mal eine Handvoll hartgesottener Fans in den blauen Sesseln, wenn ein mehr oder weniger motivierter Sprecher mitteilt, das es eigentlich nicht viel mitzuteilen gibt und ganz hoffnungsvoll auf ein paar Fragen wartet. Die deutsche EU-Vertretung in Brüssel hat lakonisch in einer Rundmail mitteilen lassen, welcher Vertreter des Vertreters in diesem Sommer die Stellung halten muß und sich über gelegentliche Anrufe freut, um die Langeweile zu verscheuchen.

Die EU macht Ferien. Die Brüsseler Zentrale versinkt im Tiefschlaf. In diese Apathie werden notgedrungen auch die wenigen Journalisten, die noch in ihren Brüsseler Büros ausharren, mit hineingezogen, denn es gibt kaum noch jemanden, der Ihnen Rede und Antwort steht: Außer der Telefonzentrale sind in allen EU-Institutionen nur noch wenige Anschlüsse zu erreichen. Auf E-Mail-Anfragen kommt meist die Standardantwort: „Bin erst wieder ab dem 1. September zu erreichen“.

Dabei gäbe es ja genügend Themen, um die man sich kümmern könnte: Die Europäische Union steht seit dem Nein der Iren zu einer neuen Verfassung vor einer Zerreißprobe, der versprochene Bürokratieabbau steckt noch in den Kinderschuhen, die Mitgliedsländer haben sich weder auf eine überzeugende Integrations- und Einwanderungspolitik einigen können, noch auf eine vernünftige gemeinsame Energiepolitik. Und auch bei der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik sind die EU-Staaten seit Jahren nicht so richtig vorangekommen.

Doch bei all diesen wichtigen Fragen kommt immer wieder dieselbe Antwort: Es ist kein redeberechtigter Ansprechpartner zu erreichen. Es gibt meist nur noch die Vertreter der Vertreter der Sprecher für den jeweiligen EU-Kommissar. Doch die dürfen keine offiziellen Stellungnahmen abgeben. Mit anderen Worten, man darf zwar mit ihnen reden, aber das, was sie sagen weder aufnehmen noch zitieren.

Stattdessen werden eher exotische Themen plötzlich zu ganz wichtigen Meldungen: Die EU will brandsichere Zigaretten einführen, für Raucher die gerne mal mit dem Glimmstängel im Mund eindösen und so ihre Wohnung in Brand stecken. Aber dieses Projekt wurde bereits im vergangenen Herbst vorgestellt.

Und dann gibt es da noch die sprechenden Autos, die die Verbraucher spätestens ab 2010 beglücken sollen. Sprechen kann die noch so intelligente neue Fahrzeuggeneration dann natürlich nicht, aber ihre Fahrer werden über bestimmte Frequenzen von Verkehrszentralen über Staus und Glatteisgefahren gewarnt. So richtig neu ist diese Idee allerdings auch nicht: In Japan und in den USA werden solche Systeme bereits seit über zehn Jahren genutzt.

Da sehnt man sich fast wieder nach komplizierten Mitteilungen über den EU-Haushalt oder über die Auseinandersetzungen um den Krümmungsgrat der gemeinen grünen Salatgurke.