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"Die EU ist nicht in der Lage, internationale Probleme zu lösen"

Peter Philipp12. Januar 2006

Die Empörung in Berlin, London und Paris hatte in den letzten Tagen ahnen lassen, dass die Wiederaufnahme der Atomforschung durch den Iran nicht ohne drastische Reaktion bleiben würde. Ein Kommentar.

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Was die Außenminister der "Großen Drei" nun beschlossen haben, wird den Erwartungen oder Befürchtungen nicht gerecht. Eher hat hier der Berg eine Maus geboren: Der Fall soll an die Wiener Atomenergiebehörde IAEA verwiesen und gegebenenfalls von dieser vor den UN-Sicherheitsrat gebracht werden.

Basis für neue Probleme

Die Europäer haben einmal mehr gezeigt, dass sie nicht in der Lage sind, internationale Probleme zu lösen: Man hat etwas beschlossen, hat das Problem aber nicht gelöst und vielleicht sogar die Basis geschaffen für neue und noch größere Probleme.

Denn was wird jetzt geschehen? Sollten die USA ihren Willen bekommen und im Sicherheitsrat Sanktionen durchdrücken, dann weiß man in Washington ebenso wie in Brüssel und anderswo in Europa, dass solche Sanktionen – wie immer sie gestaltet sind – kein probates Mittel sind, ein Land "auf Kurs zu bringen". Im Irak hat das nicht funktioniert, in Kuba nicht und im Iran wird das noch weniger funktionieren. Weil der Iran gegenwärtig gut an Öl- und Gasgeschäften verdient und weil die Bevölkerung trotz aller Kritik in der Atomfrage hinter der Regierung steht.

Sinn von Sanktionen fraglich

Sanktionen werden die Bevölkerung in die Arme der konservativen Führung treiben, außerdem sind Sanktionen kontraproduktiv für die wirtschaftlichen Interessen der Europäer, die den Iran bisher förmlich um jeden Preis umworben hatten. Ganz abgesehen davon, dass noch gar nicht klar ist, ob Sanktionen überhaupt beschlossen und dann auch erzwungen werden können. China zum Beispiel dürfte daran gar kein Interesse haben, weil es auf iranisches Öl und Gas angewiesen ist. Und auch Russlands Position ist zumindest unsicher, weil Moskau in der Entwicklung der iranischen Atomanlagen engagiert ist.

Das größte Problem aber zeichnet sich jetzt erst ab: Teheran könnte als Antwort auf Sanktionen aus dem Atomwaffensperrvertrag austreten. War es bisher kooperativ und befolgte die Auflagen des Abkommen, ließ es seine Atomanlagen inspizieren und kooperierte es mit der Wiener Atomenergiebehörde IAEA, so könnte dies alles ein rasches Ende finden. Das Misstrauen der Amerikaner und zumindest einiger Europäer würde dadurch weiter wachsen und man könnte nichts dagegen unternehmen. Denn ein Waffengang dürfte auch weiterhin ausgeschlossen bleiben. Die Lektion des Irak war einprägsam genug.

Schaden für Europa


In Teheran dürfte man den weiteren Entwicklungen mit einiger Ruhe entgegensehen, denn man weiß genau, dass Sanktionen den Europäern wahrscheinlich mehr Schaden zufügen als dem Iran. In Washington ist das längst bekannt und wird bedauert. Bedauern wird man die Entwicklung nun aber auch in Europa: Wieder einmal hat man sich als Papiertiger erwiesen und sich dem Spott der Hardliner in Teheran ausgesetzt. Wie früher schon, als der oberste Führer Ali Khamenei auf den Abzug europäischer Botschafter höhnte: "Lasst sie nur: Sie werden wieder gekrochen kommen."