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Wo sind die EU-Grenzen?

12. Januar 2010

Der Tscheche Stefan Füle will als Erweiterungskommissar die Wiedervereinigung Europas vorantreiben. Auch den Staaten im Westbalkan macht er Hoffnung. Doch wo endet Europa?

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Stefan Füle im Porträt (Foto: AP)
Stefan Füle im Kreuzverhör der EU-ParlamentarierBild: AP

Stefan Füle wäre - wenn das Parlament ihn zustimmt - der erste EU-Erweiterungskommissar aus den ehemals kommunistischen Ländern Europas. Der Tscheche sieht durchaus persönliche Gründe für seine Bewerbung. "Für mich ist das mehr als ein politisches Ressort. Die Erweiterung hat mein Land und mein Leben verändert. Daher glaube ich fest an eine weitere Wiedervereinigung", sagte er am Dienstag (12.01.2010) in seiner Anhörung vor dem Europaparlament. Dass der Erweiterungskommissar auch für die Nachbarschaftspolitik zuständig ist, ist ein Novum.

Kritische Nachfragen zur kommunistischen Vergangenheit

Europa-Karte mit Europa-Sternen (DW-Grafik: Olof Pock)
Neu im Ressort: die Nachbarschaftspolitik

Wo genau die Grenzen dieses "wiedervereinigten Europas" liegen, wollte Füle auch auf Nachfrage der Parlamentarier nicht sagen. Viele Länder, zum Beispiel die Ukraine oder Georgien, sollen über die Nachbarschaftspolitik zwar näher an die EU herangeführt werden, aber zunächst ohne eine konkrete Beitrittsperspektive. Die Staaten des westlichen Balkans könnten sich aber Hoffnungen auf eine spätere EU-Mitgliedschaft machen, sagte Füle. Diese Länder hätten "eine schwere historische und politische Bürde" zu tragen. Doch die EU dürfe kein Land des westlichen Balkan "in der Kälte zurücklassen".

Einige Abgeordnete machten in der Anhörung spitze Bemerkungen über Füles kommunistische Vergangenheit. Bis 1989 war der heute 47-Jährige Mitglied der Kommunistischen Partei und hatte am Moskauer Institut für internationale Beziehungen studiert. Als junger Kommunist in Moskau, so ein Abgeordneter ironisch, habe Füle vielleicht ein besonders gutes Gespür für russische Empfindlichkeiten entwickelt, wenn es zum Beispiel um die EU-Nachbarschaftspolitik gehe. "Jeder hat seine persönliche Geschichte", entgegnete der designierte Kommissar auf diese Kritik. Der deutsche CDU-Abgeordnete Elmar Brok gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden und konterte: "Es gab damals durchaus die Möglichkeit, nicht Kommunist zu werden. Und in diesem Haus sitzen auch Menschen, die das getan und die Folgen getragen haben."

Beitrittsverhandlungen als Hebel

In eine Europafahne ist die Türkeifahne eingebettet (Foto: dpa)
Klare Meinung zum EU-Beitritt der TürkeiBild: dpa - Bildfunk

Vor allem aber beim Thema Türkei fragten die Abgeordneten kritisch nach. Mit der Türkei führt die EU bereits seit 2005 Beitrittsverhandlungen - und schon lange vorher zeigte das Land Interesse an einem Beitritt zur Union. Doch so einfach ist das nicht: Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel beispielsweise strebt eine priviligierte Partnerschaft statt eines Beitritts an. Für den designierten Erweiterungskommissar komme das aber nicht infrage, sagte er im Parlament.

Auch als der österreichische Abgeordnete Andreas Mölzer eine Reihe von angeblichen türkischen Verfehlungen auflistete und fragte, ob es da nicht angeraten sei, "dass man die Verhandlungen mit der Türkei aussetzen beziehungsweise einfrieren sollte, bis alle Bedingungen erfüllt sind", blieb Stefan Füle bei seiner Meinung. Die Türkei sei ein wichtiges Land für die EU, etwa im Energiesektor, betonte er. "Die Beitrittsverhandlungen sind der beste Hebel, den wir haben, um der Türkei bei der Modernisierung zu helfen."

In der dreistündigen Befragung wirkte der Tscheche zunehmend nervös - auch weil die Befragung streckenweise den Charakter eines Kreuzverhörs einnahm. Doch am Ende bedankte er sich artig für eine, wie er sagte, faire Anhörung.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Julia Kuckelkorn